«Herkömmliche Kondome riechen säuerlich, weil sie einen tierischen Inhaltsstoff enthalten»
Nicht alle Kondome sind frei von tierischen Inhaltsstoffen. Mit ihrem Brand «Feelgood Condoms» produziert Martina Hammer vegane und nachhaltige Präservative für alle, die nach Alternativen suchen.
Martina Hammer und ihr Mann haben letztes Jahr ihre gesamten Ersparnisse in ihre erste Kondombestellung investiert. Ein mutiger Schritt für das Gründer-Ehepaar. Die vegane Marke «Feelgood Condoms» haben die beiden komplett selbst finanziert. Dabei haben sie den finanziellen und mentalen Druck sowie schlaflose Nächte in Kauf genommen und ihrem Bauchgefühl vertraut. Ein Risiko, das sich gelohnt hat. Heute sind ihre Kondome in ausgewählten Super- und Biomärkten, Apotheken, Drogerien und Online-Shops wie Galaxus erhältlich.
In herkömmlichen Kondomen stecken Inhaltsstoffe tierischen Ursprungs. Ich muss gestehen, die Info ist mir neu. Was hat es damit auf sich?
Martina Hammer, Gründerin und Geschäftsführerin: Bei der Herstellung von Kondomen wird häufig Kasein verwendet, um das Latex glatt und flexibel zu machen. Kasein ist ein Milchprotein, das von der Industrie durch Mikrofiltration aus Kuhmilch gewonnen wird. Obwohl es im Endprodukt nicht mehr nachweisbar ist, dürfen solche Kondome nicht als vegan bezeichnet werden.
Wie sieht das bei euren veganen Kondomen aus?
Um vegane Kondome herzustellen, setzen wir auf eine pflanzliche Alternative: das Lupinenprotein.
Kommt euch das in der Herstellung teurer zu stehen?
Die vegane Produktion und die nachhaltige Lieferkette führen zu etwa 30 Prozent höheren Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Kondomen. Man weiss heute, dass der höhere Preis das grösste Hindernis für Verbraucherinnen und Verbraucher darstellt, nachhaltige und vegane Produkte zu kaufen. Bei der Markteinführung waren wir uns dieser Herausforderung bewusst und haben daher unsere Preise nicht über denen unserer Mitbewerber angesetzt. Dafür nehmen wir eine geringere Marge in Kauf, bleiben aber für Jugendliche und einkommensschwächere Haushalte erschwinglich.
Du hast Feelgood Condoms 2023 als erste zertifiziert vegane Schweizer Kondommarke gegründet. Vegane Kondome gab es aber schon vorher. Welche Lücke wolltest du schliessen?
Als frischgebackene Mutter stand ich vor dem Kondomregal und war auf der Suche nach einer zertifiziert veganen und umweltfreundlichen Kondommarke. Leider fand ich nichts, das meinen Vorstellungen entsprach. Also beschloss ich, die für mich perfekte Kondommarke zu kreieren. Unsere Produkte sind offiziell von The Vegan Society zertifiziert. Für Kundinnen und Kunden ist es oft schwierig, bei den vielen, manchmal selbst erstellten veganen Labels, den Überblick zu behalten. Deshalb war uns eine zertifizierte vegane Sicherheit wichtig.
Es geht also nicht ausschliesslich um das Tierwohl?
Wir haben versucht, die gesamte Lieferkette so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Bei der Gewinnung des Latex werden zum Beispiel ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt. So bestehen die Kondome zu 100 Prozent aus FSC-zertifiziertem Naturkautschuk-Latex. Obendrein produzieren wir mit grüner Energie, haben kurze Transportwege, eine umweltfreundliche Verpackung. Bei der Kondomfolie konnten wir den Plastikanteil im Vergleich zu herkömmlichen Produkten halbieren.
Apropos Transportwege: Feelgood Condoms ist zwar eine Schweizer Marke, hergestellt werden eure Produkte aber in Deutschland. Weshalb?
In der Schweiz gibt es schon seit vielen Jahren keine Kondomproduktion mehr, ansonsten hätten wir natürlich die Schweiz dafür ausgewählt. Also haben wir uns für den Produktionsstandort Deutschland entschieden. Die guten Arbeitsbedingungen, die hohen Qualitätsstandards und die kurzen Transportwege in die Schweiz entsprechen unseren Werten und erlauben es uns, ein Höchstmass an fairer Produktion und Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Nur noch wenige Marken produzieren in Europa. Es lohnt sich, beim Kondomkauf auf das Herstellungsland zu achten.
Du hast vorhin erwähnt, dass ihr den Plastikanteil der Kondomfolie halbiert habt. Wie das?
Die üblicherweise aus Plastik bestehende Aussenseite der Folie wurde durch eine Papierfolie ersetzt. Dies ist nicht nur nachhaltiger, sondern reduziert auch das nervige Knistern und sorgt für eine angenehme Haptik. Mehr ist in puncto Nachhaltigkeit zum aktuellen Stand der Technik nicht machbar. Kondome sind Medizinprodukte, die strengen Anforderungen unterliegen. Qualität beziehungsweise Sicherheit haben höchste Priorität. Eine vollständig nachhaltige Primärverpackung könnte beispielsweise die Stabilität des Produkts gefährden und das Verfalldatum nicht mehr sicherstellen.
Sind vegane Kondome gleich sicher wie nicht-vegane?
Ja, das sind sie. Vegane Kondome durchlaufen die gleichen strengen Qualitätstests wie alle anderen Kondome auch und werden einzeln elektronisch auf Dichtheit geprüft, um eine einwandfreie Qualität zu gewährleisten.
Latexfreie führt ihr in eurem veganen Sortiment aber nicht?
Nein. Latexfreie Präservative aus Polyisopren oder Polyurethan haben eine Erdöl-Basis, was für uns nicht infrage kommt. Unsere Kondome werden alle aus Naturkautschuk-Latex hergestellt. Spannend ist aber, dass viele, die glauben, an einer Latexallergie zu leiden, eigentlich sensibel auf das Kuhmilchprotein Kasein reagieren. Dem verdankt das Kondom auch diesen säuerlichen Latexgeruch. Das ist übrigens der Grund, weshalb unsere Kondome nicht «stinken».
Das heisst jetzt aber nicht, dass alle vermeintlichen Latexallergiker die veganen Kondome bedenkenlos nutzen können, oder?
Nein. Wer tatsächlich an einer Latexallergie leidet, sollte auf latexfreie Produkte umsteigen. Viele glauben aber, sie hätten eine Latexallergie, obwohl die Symptome von anderen Ursachen herrühren. Hier lohnt sich eine Abklärung.
Irgendwelche Zukunftspläne für den Brand?
Wir möchten Feelgood Condoms auf dem Schweizer Markt etablieren und als umweltfreundliche Alternative zu den führenden Anbietern gelten. Wir haben kürzlich auch einen Vibrator lanciert. So möchten wir die Marke Schritt für Schritt zu einer umfassenden Love-Life-Marke ausbauen, die Qualität, Sicherheit, Verantwortungsbewusstsein und Spass für ein erfülltes Liebesleben in jeder Lebensphase vereint. Und ich möchte natürlich weiter mit den überholten Öko- und Vegan-Klischees aufräumen und zeigen, dass Nachhaltigkeit und die Wahl veganer Produkte auch bei der Verhütung richtig sexy sein können. Für Pflanzenfreunde und Fleischliebhaber gleichermassen.
Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich.