Hasselblad 500 C/M: Wird spiegelverkehrtes Fotografieren irgendwann leichter?
Analogfotografie fand ich schon immer toll. Ich verstand zwar lange nichts von ISO-Werten und Verschlusszeiten, dafür viel von Vorfreude auf die geheimnisvollen Abzüge. Mit der Hasselblad 500 C/M drücke ich nun erstmals mehr als nur den Auslöser.
Die erste Familienkamera, an die ich mich erinnere, war schwarz. Weder Modell noch Hersteller kannte ich damals. Vor allem Papa machte Fotos damit, ab und zu durfte aber auch ich einmal den Auslöser drücken. Das Sujet musste sorgfältig gewählt werden, denn der Platz auf dem Film war begrenzt. Alberne Schnappschüsse und ins Blaue hinaus fotografieren war nicht. Die Fotos hatten einen wertvollen Charakter. Dieses Gefühl kommt mit der alten Hasselblad 500 C/M wieder hoch, die ich seit Kurzem besitze. Von 1970 bis 1992 wurde die Mittelformatkamera in Schweden hergestellt. Sie lag jahrelang unbenutzt beim Vater meines Freundes, weil irgendwas klemmte. Kurzerhand hat er sie uns vererbt.
Zweimal Ferien
Davor habe ich das letzte Mal in meinen Teenagerjahren analog fotografiert. Als es längst «Digicams» gab und einfach drauflos geknipst werden konnte, haben meine Freundinnen und ich stets Einwegkameras mit in die Ferien genommen. Sie waren leicht zu transportieren, unempfindlich und relativ günstig. Immer mal wieder wurde abgedrückt – mit Alkohol im Blut sass der Zeigefinger für gewöhnlich etwas lockerer am Abzug – bis das Ding voll war. Nach den Ferien ging’s schnurstracks zu melectronics, um den Film günstig mit M-Budget entwickeln zu lassen. Ein paar Tage oder Wochen später bescherten uns die gedruckten Bilder ein zweites Mal Ferienstimmung und teilweise ganz neue Perspektiven.
Von Bildeinstellungen hatte ich damals keine Ahnung. Erst im Studium wurden mir die Grundlagen beigebracht. Daraufhin kaufte ich mir eine Fujifilm X-T20, eine spiegellose Systemkamera, und konnte sie immerhin rudimentär bedienen. Das hat sich erst durch unseren Fotografen Thomas Kunz geändert. Oft habe ich ihn mit Fragen gelöchert oder ihm fasziniert über die Schultern geschaut. Dank seiner Geduld und Lust, mir etwas beizubringen, weiss ich genug über Blende, ISO, Verschlusszeit, manuellen Fokus und Bildausschnitt, dass ich einigermassen akzeptable Bilder hinbekomme. Für alles andere gibt’s Photoshop, auch das hat er mir gezeigt.
Hier gibt’s ein paar Knöpfe mehr
Nach Jahren halte ich also wieder eine Analogkamera in den Händen. Eine Hand reicht beim Gewicht der Mittelformatkamera nämlich nicht. Von der billigen Wegwerfkamera gleich zu einer Hasselblad. Ich freue mich, mit Film zu fotografieren. Das erste Mal mit etwas Fotografiewissen im Hinterkopf. Trotzdem verstehe ich an der Kamera erst einmal gar nichts. Kollege und leidenschaftlicher Analogfotograf Ramon Schneider besitzt dasselbe Modell und muss helfen.
Er erklärt mir die Funktion des Belichtungsmessers und wie ich daraufhin die Blende richtig einstelle. Der ISO-Wert wird ja bereits vom eingelegten Film vorgegeben. Bei mir beträgt der Wert 400. Er zeigt mir auch, wie der Film richtig eingelegt wird, nachdem ich alleine kläglich gescheitert bin. Ich weiss nun auch, dass die Kamera nicht ausgelöst werden kann, solange sich noch der sogenannte «Magazinschieber» zwischen Gehäuse und Magazin befindet. Das Metallplättchen verhindert, dass der Film beim Abnehmen des Magazins, zum Beispiel beim Film wechseln, belichtet wird.
Pure Überforderung
Ich bin bereit, um das erste Foto zu schiessen. Ich öffne den Faltlichtschachtsucher und wähle mein Sujet. Und schon bin ich wieder überfordert. Es ist nämlich alles spiegelverkehrt, mein Gehirn ist dafür nicht ausgerüstet. Dass das Bild quadratisch und nicht rechteckig ist, macht alles noch verwirrender. Ich benötige ungelogen mehrere Minuten, bis mein Bildausschnitt passt. Auch bei den nächsten Bildern müssen sich meine Motive gedulden. Ich stelle die Blende entsprechend dem Lichtmesser ein, drehe am Fokus bis scharf ist, was scharf sein soll, schwenke die Kamera hin und her und gehe wie eine Krabbe ein paar Schritte zur einen und dann zur anderen Seite, bis endlich alles im Lot ist. Paparazza werde ich in diesem Tempo wohl kaum.
Aber genau das gefällt mir auch am Fotografieren mit der Hasselblad. Ich brauche Zeit, muss mir Gedanken über das Bild machen. Ich drücke nicht einfach unbewusst einen Knopf und lösche die Bilder dann irgendwann am PC oder auch nicht. Das Fotografieren wird zur Auseinandersetzung mit der Umgebung, wodurch ich viel mehr auf Details achte. Mit der Hasselblad in den Händen zieht die Welt nicht einfach an mir vorbei.
Entwicklungsschritte
Nach zwei, drei solcher achtsamen Spaziergänge durch Zürich mit der wuchtigen Kamera ist der Film voll und ich auf dem Weg zu ars-imago, die mir den Film entwickeln werden. Dort kaufe ich auch gleich zwei neue Schwarz-Weiss-Filme und lasse mir einen davon gleich einlegen. Denn unterdessen habe ich vergessen, wie mir das Ramon erklärt hat. Auch der Herr im Analogfotografieladen hat kurz so seine Probleme mit dem alten Magazin, ist anscheinend wirklich nicht ganz so einfach. In gut zwei Wochen kann ich meine bestellten Abzüge abholen. Ich freue mich wie ein Schneekönig.
Genau acht Bilder konnten entwickelt werden. Und auch diese sind zum Teil in den Ecken schneeweiss. Der Film wurde wahrscheinlich beim Einlegen schon etwas belichtet. Ich hätte wohl nicht alleine Herumprobieren, sondern einfach auf Ramon warten sollen. Vielleicht ist aber auch das Gehäuse nach all den Jahren nicht mehr ganz lichtdicht. Da der neue Film vom Profi eingelegt wurde, wird sich die Ursache des Problems mit den nächsten Abzügen zeigen. Alles in allem kann’s aber nur besser werden – auch das mit dem spiegelverkehrten Fotografieren, hoffe ich. Stolz bin ich trotzdem auf meine ersten Analogfotos, bei denen ich mehr gemacht habe, als nur einen Knopf zu drücken.
Falls du mit der Hasselblad 500 C/M oder allgemein mit der Analogfotografie vertraut bist, bin ich froh um jeden Tipp, der mich ein bisschen besser werden lässt.
Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.