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Haarwurzelschmerzen: Warum kommt es zur Trichodynie?
Kopfschmerzen kennen alle – aber Kopfhautschmerzen? Ich verrate dir, was es mit der sogenannten Trichodynie auf sich hat. Und was du bei Schmerzen an den Haaransätzen unbedingt unterlassen solltest.
Manchmal wird Haarekämmen zur unmöglichen Übung und jede Berührung deiner Kopfhaut zur Qual. Falls du solche Schmerzen kennst, hast du wahrscheinlich Trichodynie, auch Haarwurzelschmerzen genannt.
Auch wenn es sich dabei manchmal so anfühlt, sind es natürlich nicht die Haare selbst, die schmerzen. Schließlich handelt es sich bei Haaren um totes Horngebilde der Oberhaut aus Keratin – das eine Weiterentwicklung der Reptilienschuppen ist und in ähnlicher Form bereits bei den Dinosauriern vorhanden war. So beschreibt es zumindest Gerald Staguhn in seinem Buch «Und ewig lockt das Haar».
Das tote Horngebilde selbst ist nicht schmerzfähig. Vielmehr tut bei der Trichodynie etwas anderes weh: Der gesamte Haarapparat ist überreizt. Haarwurzel, Haarzwiebel und Haarbalg sind entzündet, die umliegende Kopfhaut besonders empfindlich. «Das Haar führt ein Doppelleben» schreibt Staguhn. «Es ist lebendig und tot zugleich».
Gründe für die Kopfhautschmerzen gibt es viele – von der falschen Pflege bis zum Parasitenbefall. Apropos: Ob Kopfläuse hinter dem Juckreiz stecken, lässt sich auf einen (genauen) Blick erkennen. Dann heißt es: Haare mit speziellem Anti-Läuse-Shampoo waschen.
Ich habe mit Malte Schmelter, Experte für Dermatologie der Kliniken Skinmed, über die Ursachen von Trichodynie gesprochen, welche Symptome klassisch sind, woran du ernsthafte Kopfhauterkrankungen erkennst und wie man die Erkrankung behandelt.
Jeder fünfte Mensch leidet laut Schätzungen an Haarwurzelschmerzen. Bestätigt sich die Prävalenz in Ihrem Berufsalltag?
Malte Schmelter: Das sind Zahlen, die aus großangelegten türkischen Studien stammen, ich kann das so aus dem klinischen Alltag nicht bestätigen. Aber die Trichodynie kommt auch bei uns relativ häufig vor. Es ist sicher eine unterschätzte Krankheit, die aber meistens relativ kurzlebig ist.
Was passiert bei der Trichodynie? Welche Symptome sind klassisch?
Die Trichodynie beschreibt die Missempfindung der Kopfhaut beziehungsweise des Haarapparats. Die klassischen Ursachen sind zum Beispiel zu häufiges Haarewaschen oder zu fest gebundene Zöpfe, die an den Haaren ziehen und den Haarwurzelapparat irritieren. Auch das Färben der Haare führt häufig zu Hautirritationen. Daneben können verschiedene Allergien – zum Beispiel auf Haarfärbemittel –, aber auch Erkrankungen der Kopfhaut, Neurodermitis, Schuppenflechte oder Pilzinfektionen der Auslöser sein. Die häufigsten Symptome sind die trockene, gereizte Kopfhaut und Kopfhaut-Schmerzen.
Auch seelische Leiden werden als Ursache diskutiert. In welchem Zusammenhang steht die Trichodynie mit Stress?
Das ist eine schwierige Frage. Stress selbst ist selten der Auslöser, sondern eher die Mechanismen, mit Stress umzugehen: Trichodynie tritt zum Beispiel dann auf, wenn sich Menschen unter Stress öfter die Kopfhaut kratzen, an den Haaren zupfen oder sich öfter durch die Haare streichen – das irritiert die Kopfhaut. Die Kopfhautschmerzen können aber auch durch Verspannungen des Nackens entstehen, die sich dann nach oben ziehen, was auch ein Stresssymptom sein kann.
Was sind Risiken einer unbehandelten Trichodynie?
Die Trichodynie ist in den meisten Fällen relativ ungefährlich. Wird eine schwere Infektion verschleppt, zum Beispiel bei Pilzbefall oder einer Bakterieninfektion, kann es im schlimmsten Fall zu einer Sepsis – einer Blutvergiftung – kommen. Wird sie aber durch Verspannungen, Stress oder durch häufiges Haarewaschen ausgelöst, ist die Trichodynie nicht weiter gefährlich. Wenn gröbere Entzündungen der Kopfhaut oder Kopfhauterkrankungen vorliegen, sollte allerdings ein Arzt aufgesucht werden.
Wie erkenne ich, ob gröbere Entzündungen oder Kopfhauterkrankungen hinter der Trichodynie stecken?
Ob es sich um ernstere Entzündungen handelt, kann man im ersten Schritt selbst erkennen: Ist die Kopfhaut gerötet? Dann ist ein Entzündungsprozess im Gang oder es liegt ein Erregerbefall vor. Generell gilt: Liegt eine Rötung der Kopfhaut vor und halten die Kopfhautschmerzen länger als sechs Wochen an, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Wer ist besonders stark von der Trichodynie betroffen? Welche Risikofaktoren gibt es?
Besonders betroffen, sind Menschen mit systemischen Erkrankungen der Kopfhaut wie Schuppenflechte oder Neurodermitis. Aber auch alle Kappenträger oder Menschen, die auf der Arbeit einen Helm tragen, haben ein höheres Risiko für bakterielle Infektionen oder Pilzinfektionen am Kopf, weil sie unter der Kopfbedeckung mehr Schwitzen. Auch Menschen, die häufig die Haare färben sind eher betroffen: Die Kopfhaut reagiert dann oft gereizt oder sogar allergisch auf das Färbemittel.
Für die Trichodynie gibt es viele Ursachen. Wie gehen Sie bei der Behandlung vor?
Das ist abhängig von der Diagnose. Liegt eine Entzündung vor, muss man entzündungshemmend behandeln, zum Beispiel mit Cortison. Bei einer allergischen Reaktion sollte man die Trichodynie zusätzlich antientzündlich behandeln. Werden die Haarwurzelschmerzen durch eine bakterielle Infektion verursacht, versuchen wir mit Seifen und Lösungen, im Notfall mit Antibiotika vorzugehen. Handelt es sich aber einfach nur um trockene Kopfhaut, gibt es tolle Mittel mit Harnstoff (Urea) in Kombination mit Polydocanol, ein lokales Betäubungsmittel, das den Juckreiz lindert und der Haut Feuchtigkeit spendet.
Was kann ich zuhause bei Trichodynie tun?
Als erstes kann man in die eigenen Haare schauen, ob die Kopfhaut rot oder entzündet ist. Falls ja, sollte man direkt zum Arzt gehen. Wenn nur der Juckreiz gegeben ist, kann man Lösungen mit Urea in Kombination mit Polydocanol auf die Kopfhaut auftragen oder als Shampoo verwenden. Auch Öle können helfen, Schmerzen und Juckreiz an der Kopfhaut zu beruhigen. Ansonsten gilt es bei Trichodynie, die Haare seltener zu waschen, bei starken Schmerzen keine Zöpfe zu binden und die Haare nicht sehr heiß zu föhnen. Zusätzlich sollte man es vermeiden, häufig mit den Händen durch die Haare zu fahren. Stattdessen kann die Kopfhaut ganz leicht und gezielt massiert werden. So wird die Kopfhaut wieder besser durchblutet und mit wichtigen Nährstoffen versorgt, was die Beschwerden zusätzlich lindert.
Titelfoto: shutterstock9 Personen gefällt dieser Artikel
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Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party.