«Ghostbusters: Afterlife» – Die Rehabilitation eines Franchises und eine Familiengeschichte
Der beste Film des Jahres kommt morgen in die Kinos. «Ghostbusters: Afterlife» ist der Film, auf den Fans gewartet haben. Er ist auch gute Unterhaltung für alle, die noch keine Fans sind.
«Ghostbusters: Afterlife», in deutschsprachigen Ländern «Ghostbusters: Legacy», ist der beste Film des Jahres. Und das liegt nicht zwingend daran, dass im laufenden Kinojahr die grossen Blockbuster ausgeblieben sind. Sondern vor allem daran, dass «Afterlife» auch mit den grössten Milliarden-Einnahmen-Filmen mithalten kann. Und sie einfach mal so in den Boden stampft. Kaum ein Film ist so herzlich, so witzig und so mit Liebe gemacht.
«Ghostbusters: Afterlife» ist der Film, auf den ich mein ganzes Leben gewartet habe, aber nicht wusste, dass ich ihn brauche.
Daher ein Review, ohne Spoiler.
Witzig, traurig, herzerwärmend, alles
Die Vorpremiere im Zürcher Kino Arena Sihlcity beginnt mit einer Botschaft von Regisseur Jason Reitman. Jason ist Sohn von Ivan Reitman, Regisseur des ersten Ghostbusters-Film von anno 1984. Und des Sequels, das fünf Jahre später über die Leinwände dieser Welt flimmerte. Jason sagt, dass sein Vater an jedem Drehtag anwesend war – dass der Film ein Stück seiner Familiengeschichte sei und er viel Herzblut in den Film gesteckt hat.
Damit steht er nicht alleine da. Alle Schauspielerinnen und Schauspieler im Film scheinen zu wissen, welche Aufgabe sie sich zumuten – wenn sie im Film, der genauso gut «Ghostbusters 3» heissen könnte, mitwirken. Denn nach zwei erfolgreichen Blockbustern und zwei erfolgreichen Zeichentrickserien – Ja, es gab mal eine Serie namens «Extreme Ghostbusters», die grossartig war – kam im Jahre 2016 der Schock: Ein fantastisch schlechter Film mit unliebsamen Charakteren und fast kriminell unlustigen Witzen wurde uns Fans als die Zukunft des Franchises angekündigt. Gut, dass selbst Sony so tut, als ob es das Machwerk nie gegeben hat. Der Film wird ignoriert.
Jetzt sind es also McKenna Grace, Carrie Coon, Finn Wolfhard und Paul Rudd, die sich auf Geisterjagd begeben müssen.
Und das zündet. Die bis zum Ende des Films bewusst nachnamenlose Familie um Callie (Carrie Coon) hat offensichtlich zwischenmenschliche Chemie. Da ist nicht nur schauspielerisches Talent sondern auch echte Zuneigung – denke ich zumindest als Zuschauer. Die Dialoge sind witzig, treffen hart und bringen dich zum Lachen. Ein Beispiel: Die Familie, deren Nachnamen ein Geheimnis ist, fährt in den Ort Summerville ein. Sohn Trevor (Finn Wolfhart) zückt sein Smartphone und sagt:
«I have no bars out here.»
Darauf seine Mutter: «God no, I hope there's a bar out here.»
Wortwitz, Charakterwitz und Doppeldeutigkeit in einem. Wo Trevor vom Handyempfang spricht, will Callie einfach einen Saufen, nachdem sie mit pubertierendem Sohn und sozial schwieriger Tochter Phoebe (McKenna Grace) über 1000 Kilometer gefahren ist. Und diese kurzen Wortgefechte mit immer treffender Pointe ziehen sich durch «Afterlife», sind aber nie fehl am Platz. Wenn es ernst gilt, dann halten die Streithähne zusammen.
Der Plot: Gut aufgebaut, aber bewusst simpel
Wenn «Ghostbusters: Afterlife» nebst Fanservice, viel Witz und Charme noch einen komplexen Plot hätte, dann wäre der Film überladen. Jason Reitman hat das erkannt und macht den Plot genauso tiefgründig, wie er sein muss. Dinge sind oft nicht erklärt oder wenn, dann nur so knapp, dass du weisst, worum es geht – aber ohne Details. Da ist eine Figur namens Podcast (Logan Kim). Er ist ziemlich wichtig für die Geschichte, aber wir wissen weder wie Podcast mit echtem Namen heisst, noch wo er herkommt oder warum er so ist, wie er ist.
Dafür aber haben sich Dan Aykroyd, Jason Reitman und Gil Kenan als Autoren des Films grösste Mühe gegeben, Elemente aus den ersten Filmen aufzunehmen und diese nicht einfach abzukupfern, sondern sie zu erweitern. Es gibt einen guten Grund, weshalb der US-Bundesstaat Ohio wichtig ist. Dieser fügt sich nahtlos in den ersten Film ein. Entsprechend wirkt auch der Rest des Plots so, wie wenn er aus einem Guss mit den ersten beiden Filmen entstanden ist.
Dazu kommen Special Effects, die eine geschickte Mischung aus Practical Effects und Computeranimation sind. Ecto-1, das Fahrzeug der Ghostbusters, wird in einem Haufen Altmetall gefunden. Und es ist echt. Der Gunner Seat funktioniert so, wie du ihn im Film siehst. Wenn das Auto inklusive Kindern an Bord meterhoch durch die Luft fliegt, ist das aber CGI. Kein Auto überlebt sowas. Fliegende Geister sind computeranimiert, aber wenn ein untoter Geistersoldat am Bartisch sitzt, dann ist der eine Puppe.
«Afterlife» ist gutes Popcorn-Kino für all die, an denen das Franchise bislang vorbeigegangen ist. Für Fans aber ein Highlight. Jason Reitman sagt in seiner Videobotschaft, dass der Film vermutlich die grösste Suche nach Easter Eggs sei, die er kenne. Einverstanden. So viele Hinweise, Bewegungen der Schauspieler, Catchphrases und dergleichen sind entweder direkt dem Original entlehnt – oder sind so nahe dran, dass sie ihr Erbe nicht abstreiten können.
Das Finale des Films trifft ins Herz. Ohne Spoiler ist es schwierig zu beschreiben, aber es ist der Moment, auf den Geisterjäger-Fans rund um den Globus gewartet haben. Etwas, mit dem Jason Reitman beweist, genau wie der Rest des Cast, dass sie verstanden haben, worum es bei Ghostbusters geht.
Who you gonna call? Die Ticketreservierungs-Hotline
«Ghostbusters: Afterlife» ist der beste Film des Jahres. Die gelungenen Dialoge, die clever konstruierte Geschichte und die emotional schmerzhafte, aber höchst willkommene Nähe zu den ersten Filmen, machen den Film zu einem, den du unbedingt sehen musst.
Mein Tipp: Schau dir den ersten Film von 1984 an. Dann schnapp dir eine Ladung Popcorn, setz dich ins Kino und lass es dir 124 Minuten gut gehen. Du wirst verstehen, warum so viele Nostalgiker den Filmen der 1980er nachtrauern. Eine englische Redewendung sagt «They don't make'em like this anymore» – «Die machen sie nicht mehr so wie damals». Ausser halt einer der Autoren war damals schon am Drücker, der andere ist Sohn des Regisseurs von anno dazumal und der Dritte ist… auch anwesend.
«Ghostbusters: Afterlife» ist eine filmische Liebeserklärung. Nicht nur an Vater Reitman und die originalen Ghostbusters, sondern auch an die Fans. Jason Reitman ist offensichtlich einer, der die Sirene des Ecto-1 immer in seinem Kopf hört – und den Start-Sound des Protonen Packs als einen der grossartigsten Sounds der Filmgeschichte kennt.
Daher: Ab ins Kino. Es lohnt sich.
Ah ja, bitte bleib bis zum Ende der Credits sitzen. Da sind eine Mid-Credits-Szene und eine After-Credits-Szene. Beide lohnen sich.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.