«Furiosa: A Mad Max Saga» – Ein Action-Feuerwerk mit Macken
Neun lange Jahre mussten Fans auf das ersehnte Spin-Off zum fantastischen «Mad Max: Fury Road» warten. Jetzt darf «Furiosa: A Mad Max Saga» endlich auf die grosse Leinwand. Ob sich der Action-Maestro George Miller erneut übertrifft?
Eines vorweg: In dem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.
Ich kann mich nur an wenige Kinobesuche erinnern, nach denen ich den Saal so ekstatisch verlassen habe wie nach «Mad Max: Fury Road». George Millers Vision einer grimmigen Dystopie, in der halsbrecherische Stunts auf dröhnende V8-Motoren trafen, war wahrlich berauschend – und seit dem Release im Jahr 2015 unerreicht.
Schon damals war klar, dass Regisseur George Miller in Furiosa eine Frau gefunden hatte, auf die er ein ganzes Franchise bauen könnte: Fast wortlos, aber zu allem fähig, bahnte sich Schauspielerin Charlize Theron, kahlgeschoren, ihren Weg durch die apokalyptischen Wastelands Australiens – und in die Herzen des Publikums.
Neun Jahre später, nach etlichen Produktionsschwierigkeiten und komplett neuer Besetzung, kommt endlich das versprochene Spin-Off in die Kinos. Aber wo Miller in «Fury Road» vor allem noch aufs Spektakel gesetzt hat, will er in «Furiosa: A Mad Max Saga» auch eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die tiefer geht. Eine Geschichte, die uns die Frau hinter der Kriegerin zeigt.
Furiosas Geschichte. Ob das Spin-Off die hohen Erwartungen erfüllt?
Darum geht’s in Furiosa: A Mad Max Saga
Was genau die Menschheit in den Abgrund trieb, weiss niemand mehr. Vielleicht war es eine Krankheit. Die Klimaerwärmung. Oder ein Krieg um Ressourcen, gefolgt von grossen Bomben und einem nuklearen Winter, aus dem Australiens Wastelands hervorgingen.
Irgendwo darin: der Grüne Ort – oder: «a place of abundance». Bewohnt wird er von einer kleinen Gruppe, die in Frieden und Harmonie lebt. Doch dann wird ein Kind von Lakaien des aufsteigenden Warlords Dementus (Chris Hemsworth) entführt. Das Geheimnis um den Ort des Überflusses droht aufzufliegen.
Das Kind? Furiosa. Als ihre Mutter beim Rettungsversuch gefangen und brutal ermordet wird, bleibt dem jungen Mädchen nichts anderes als jener dunkle Pfad, an dessen Ende ein einziges Ziel steht: Rache. Rache an Dementus. Auch wenn dieser Furiosa zunächst als Adoptivtochter in den eigenen Reihen aufnimmt. Denn Dementus hat grosse Pläne: Er will Immortan Joe (Lachy Hulme), den gefürchtetsten aller Warlords, stürzen.
Charakterstudie? Wohl kaum. Aber …
Keine Frage: «Furiosa: A Mad Max Saga» ist ein Film, wie ihn nur ein Visionär des Actionkinos wie George Miller erschaffen kann. Fast zweieinhalb Stunden dauert er. Verschnaufpausen gönnt uns der durchgeknallte Australier kaum. Ein wahrer Höllentrip durch orange Wüsten und stahlblaue Himmel. Das war schon in «Mad Max: Fury Road» so. Von wegen «mehr Geschichte». Stattdessen setzt Miller immer noch auf das, was er am besten kann: Action-Spektakel.
Macht nichts. Miller pfiff schon bei «Fury Road» auf konventionelles Storytelling. Wenn man überhaupt von Story sprechen kann. Da war eine einzige epische Verfolgungsjagd, die zufällig genau zwei Stunden dauerte. Als ob Miller einfach jede verrückte Idee aufgeschrieben hätte, die ihm in den 20 Jahren seit seinem letzten «Mad Max»-Film eingefallen ist. Und das nur, um sie später mehr oder weniger konzeptlos in einen einzigen Film zu packen; Was eigentlich gar nicht funktionieren durfte, schlug stattdessen ein wie eine cineastische Atombombe.
«Furiosa» ist da gar nicht so viel anders. Immerhin unternimmt Miller diesmal den Versuch, der Story zumindest ein bisschen Struktur zu geben, indem er sie in fünf Kapiteln sortiert. Unkonventionell ist das immer noch. Aber erfrischend. Wer braucht schon Anfang, Mitte und Schluss? Oder einen Spannungsbogen, der zuerst die Charaktere einführt und erst dann deren Konflikte langsam zuspitzt, ehe am Ende alles kathartisch zum filmischen Höhepunkt kommt?
Davon will Millers «Furiosa» gar nichts wissen. Keine drei Minuten dauert es, bis Miller, der auch die Story geschrieben hat, die erste grosse Verfolgungsjagd mit Affentempo anzettelt. Und dann bremst er einfach nicht mehr ab. Mit atemberaubender Schnitt-Kadenz und wilden Kamerafahrten zieht er das Tempo zweieinhalb Stunden durch – stets aus der Perspektive Furiosas. Zuerst als Kind von Alyla Browne gespielt. Dann, ab der Filmmitte etwa, als erwachsene junge Frau von Anya Taylor-Joy. Eine würdige Neubesetzung Charlize Therons, übrigens.
Dennoch: Was beinahe die grosse Charakterstudie der ikonischen Kriegerin hätte werden können, ist letzten Endes doch «nur» ein grosses Action-Spektakel. Aber was für eines!
Die Gaga-Welt des George Miller
Ja, Miller setzt immer noch auf opulent inszenierte Stunts mit herumfliegenden Autos und jaulenden Motoren, die sämtliche cineastischen Knoten vor Freude aufplatzen lassen. Etwa, wenn Immortan Joes berüchtigter «War Rig», eine fahrende Festung von einem Tanklaster, von Dementus’ Biker-Gang mit am Rücken geschnallten Windmaschinen angegriffen wird. Natürlich verteidigt sich die fahrende Festung mit den weiss angemalten War Boys, Immortan Joes fanatische Anhänger. «Witness me!», schreien diese dann, ehe sie sich furchtlos und mit Sprengsätzen bewaffnet im Selbstmordkommando auf die Biker stürzen.
«Fury Road»-Flashbacks. Ein wohlig-beklopptes, warmes Bauchgefühl. Nostalgie vielleicht?
Dass George Miller auf solche Extreme steht, ist kein Geheimnis. Das fängt nicht nur bei der Action in seinen «Mad Max»-Filmen an und hört gleich dort wieder auf. Das betrifft auch seine Charaktere. Dementus etwa, von einem Chris Hemsworth in Bestform gespielt, führt seine Biker-Gang mit vollem, rotem Piratenbart und wilder Mähne Ben-Hur-ähnlich im Streitwagen an. Gezogen wird sein Wagen aber nicht von Pferden, sondern von unbemannten Motorbikes.
Wie geil ist das denn!?
Sein Ziel: Die Wastelands zu beherrschen. Dementus erster Versuch, Immortan Joe direkt in seiner Zitadelle anzugreifen, schlägt fehl. Also nimmt er Gas Town ins Visier, eine Festung, die für ihr riesiges Ölvorkommen bekannt ist. Irgendwoher muss das Benzin ja kommen, mit dem in der Postapokalypse herumgebrettert wird. Die dritte grosse Festung der Wastelands ist die Bullet Farm – der Ort, wo die Munition herkommt. Warlords, die etwas auf sich halten, kontrollieren mindestens eine dieser Stätten und treiben Handel mit den anderen. Dazwischen hausen die Banditen, gefährlich und wild entschlossen, Transaktionen zu stören und ihren eigenen Profit daraus zu schlagen.
Erkennst du, was Miller da macht? Das ist Worldbuilding. Davon gab’s in «Fury Road» nicht viel. Hier schon. Millers Welt fühlt sich tatsächlich realer – bewohnter – als noch zuletzt in «Fury Road» an.
Kritik? Ja, leider …
Ob «Furiosa» mit all dem Lob «Fury Road» das Wasser reichen kann? Nein. Leider. So bemüht Miller ist, seine Action von früher zu übertreffen, die Story besser zu strukturieren und seine Welt zu beleben – für meinen Geschmack setzt er viel zu oft auf Effekte aus dem Computer. Deutlich mehr noch als in «Fury Road». Aber vor allem deutlich sichtbarer.
Ist ja nicht so, dass es in «Fury Road» kein sogenanntes CGI gab. Im Gegenteil. Nur war es da so gut versteckt, dass die meisten Millers Aussage abkauften, sein Film sei fast ohne CGI ausgekommen. In Wahrheit gibt’s im ganzen Film keinen einzigen Shot, der nicht irgendwie durch Computereffekte nachgebessert worden ist.
Dabei will ich den Einsatz von Computereffekten gar nicht grundsätzlich kritisieren. Nur, dass sie hier ungewohnt plump eingesetzt werden. Das kratzt am sonst so schillernden Lack von Millers Action-Vehikel. Vor allem, wenn die Figuren offensichtlich vor einem grünen Hintergrund gedreht und später ins CGI-Gemälde eingefügt werden. Kommt dazu, dass Miller den ganzen Film auf Hochglanz poliert. Selbst dann, wenn Furiosa, Dementus und Co. von Dreck, Blut und Ölflecken überzogen sind. Das wirkt nicht echt, sondern künstlich. Eine Krankheit des digitalen Kino-Zeitalters, die schon die «Star Wars»-Prequels quälte.
Zu allem Übel driftet Miller stilistisch auch noch stark in Richtung «Bourne Identity» ab, wenn’s um die Schnitt-Kadenz geht. Wo in «Fury Road» die Action meist in langen, ruhigen und übersichtlichen Einstellungen zelebriert wird – egal, wie irrsinnig das Tempo drumherum ist –, schneidet «Furiosa» manchmal so wild zwischen seinen Einstellungen, dass mir beinahe schlecht wird. Gerade dann, wenn Miller auch noch punktuell die Wiedergabegeschwindigkeit des Films aufs Zweifache hochschraubt. Muss er sich von «300»-Regisseur Zack Snyder abgeguckt haben. Ich bin kein Fan davon.
So erreicht mein Adrenalinpegel nur selten die Höhen, die er anno dazumal in «Fury Road» erreicht hat.
Fazit
Bombastisches Spektakel mit CGI-Schwächen
«Furiosa: A Mad Max Saga» ist zweifellos ein visuelles Spektakel mit atemberaubender Action, skurrilen Figuren (Chris Hemsworth stiehlt allen die Show!) und einer lebendigeren Welt als sein Vorgänger. Aber hie und da trüben die übertriebenen Computereffekte und die wilde Schnitt-Kadenz das Gesamtbild. Wer «Mad Max: Fury Road» liebt und sich vom CGI-Gewitter nicht ablenken lässt, wird auch «Furiosa: A Mad Max Saga» mögen. Besser als sein Vorgänger ist George Millers jüngstes Werk aber nicht.
«Furiosa: A Mad Max Saga» läuft ab dem 23. Mai 2024 im Kino. Laufzeit: 148 Minuten. Freigegeben ab 16 Jahren.
Pro
- Grossartige Stunts
- Irres Tempo
- Starke Leistungen von Chris Hemsworth und Anya Taylor-Joy
- Schönes Worldbuilding
Contra
- Zu viel offensichtliches CGI
- Zu wilder, erschöpfender Schnitt
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»