Finde heraus, ob du eine neue Foto-Ausrüstung brauchst
Wann ist der Zeitpunkt gekommen, deine alte Ausrüstung durch etwas Moderneres zu ersetzen? Das hängt davon ab, was du tun willst. Denn nicht in allen Anwendungsbereichen ist der Fortschritt in den letzten Jahren gleich schnell vorangegangen.
Du willst wissen, ob du eine neue Kamera oder ein weiteres Objektiv brauchst? Ich erinnere mich noch heute an einen Beitrag aus dem Jahr 2011, in dem der Autor Ken Rockwell die Frage kurz und bündig beantwortet:
Die Erklärung ist einleuchtend: Wenn du ein offensichtliches Bedürfnis hast, etwa eine schnelle Kamera für Tieraufnahmen, dann ist dir das eh klar und du brauchst nicht jemanden zu fragen. Im Umkehrschluss heisst das: Wenn du fragen musst, dann brauchst du keine neue Kamera.
Im Grunde ist jedem klar, dass gute Fotos nicht primär durch gute Ausrüstung entstehen, sondern durch Know-How und günstige Gelegenheiten. Darüber habe ich mich vor längerer Zeit mal ausgelassen.
Was du brauchst, hängt vom Ziel ab
Streng genommen brauche ich nur ein Bett, Trinkwasser und was zu essen. Der Rest ist optional. Doch würde ich mein Leben nur darauf ausrichten, was ich brauche, wäre es ziemlich freudlos. Da kauf ich mir doch ganz gern auch mal etwas, was ich nicht unbedingt brauche.
Sowieso hat «brauchen» auch eine andere Bedeutung: Ich brauche etwas für einen bestimmten Zweck. Um ansprechende Bilder eines Fussballspiels zu machen, brauche ich ein Teleobjektiv und eine schnelle Kamera. Um 4K-Videos zu machen, brauche ich eine halbwegs aktuelle Kamera. Und so weiter.
Deshalb gehe ich nun die einzelnen Anwendungsgebiete durch. Wo hat sich in den letzten Jahren so viel verändert, dass eine neue Ausrüstung fällig ist, und wo eher nicht?
Video
Im Video-Bereich würde ich am ehesten zu einem Neukauf raten, wenn deine Kamera schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Hier haben die Hersteller grosse Fortschritte gemacht.
Die meisten neuen Kameras sind heute spiegellos. Das hat den Vorteil, dass du auch während der Video-Aufnahme durch den Sucher blicken kannst. Ausserdem kann eine spiegellose Kamera ihren normalen Autofokus verwenden, während eine Spiegelreflexkamera bei Videoaufnahmen auf einen zweiten, meist etwas weniger leistungsfähigen Autofokus zurückgreifen muss.
4K (genauer: UHD) ist heute Standard. Zahlreiche aktuelle Kameras können zudem Full HD mit 120 fps aufnehmen, wodurch Zeitlupenaufnahmen möglich sind. Falls du 4K mit einer Bildrate von 50p oder 60p brauchst: Das können auch heute noch längst nicht alle Kameras. Hier musst du genau hinschauen.
Kontrolliere auch immer, ob die Kamera einen Mikrofoneingang und einen Kopfhörerausgang hat. Besonders bei den kleineren und günstigen Kameras. Bei den Sony-Kompaktkameras bietet nur gerade die allerneuste (und schweineteure) RX100 VII einen Mikrofoneingang. Einen Kopfhöreranschluss hat auch sie nicht.
Der Autofokus ist heute viel besser für Videoaufnahmen geeignet als früher. Hier spielen die Objektive eine wichtige Rolle. Ein modernes Objektiv fokussiert meist mit einem Schrittmotor. Der ermöglicht eine leise, sanfte und präzise Bewegung zum Fokuspunkt – also genau das, was man bei Videos will. Bei Nikon tragen Objektive mit Schrittmotoren die Bezeichnung AF-P, im Gegensatz zu den älteren AF-S-Objektiven. Bei Canon heisst das Kürzel STM. Diese Objektive fokussieren viel besser im Live-View-Modus von Spiegelreflexkameras als die älteren Ringmotoren, denn diese wurden auf das normale SLR-Fokussystem optimiert.
Canon hat eine anschauliche Erklärseite für die verschiedenen AF-Motortypen in Canon-Objektiven .
Wenn du die Videoproduktion ambitioniert angehen willst: Einige neuere Kameras sind in der Lage, in 10 Bit Farbtiefe und mit 4:2:2-Subsampling aufzunehmen. Davon profitierst du aber nur, wenn du in der Nachbearbeitung entsprechend ausgerüstet und bewandert bist.
In der Regel geschieht die 10-Bit-Aufzeichnung via HDMI auf einen externen Rekorder, zum Beispiel bei der Nikon Z 6. Die Panasonic S1 kann 10 bit und 4:2:2 auch auf die interne Karte aufzeichnen.
Vor allem für Fujifilm-User mit Video-Affinität lohnt sich eine Neuanschaffung. Der Hersteller gehörte im Video-Bereich lange nicht zu den besten, hat aber in den letzten Jahren ziemlich Gas gegeben. So bietet die X-T3 10-Bit-Aufnahme im F-Log-Profil, über einen externen Recorder auch mit 4:2:2-Subsampling.
Sport, Action und Wildlife
Lange Zeit war Sport und Action der Grund schlechthin, sich eine teure Kamera zuzulegen. Denn nur die teuren Kameras waren schnell genug. Geschwindigkeit ist beim Autofokus und bei den Serienbildern gefragt.
Heute wird auch bei den nicht ganz so teuren Kameras ein schneller Autofokus eingebaut. Was aber noch wichtiger ist: Moderne AF-Systeme verfügen über eine sehr viel bessere Objekterkennung. Bei den besten Kameras, etwa der Sony A9 II, geht das so weit, dass die Kamera ein Gesicht auch im Fokus behält, wenn dieses vorübergehend nicht zu sehen ist. Künstliche Intelligenz macht’s möglich.
Hohe Serienbildraten bringen heute alle möglichen Geräte hin – auch Smartphones. Wenn dir das wichtig ist, bist du mit einer neueren Kamera grundsätzlich besser dran. Es lohnt sich aber, in diesem Punkt genau auf die technischen Daten zu schauen, denn es kommt auf die Details an:
- Hat die Kamera einen mechanischen Verschluss? Wenn ja: Wie hoch ist dessen Geschwindigkeit? Oft wird nur die Geschwindigkeit des elektronischen Verschlusses angepriesen. Die ist deutlich höher, doch es kann zu Verzerrungen (Rolling-Shutter-Effekt) und Problemen bei Neonlicht kommen.
- Erreicht die Kamera die Geschwindigkeit auch bei nachgeführtem Autofokus und nachgeführter Belichtungsmessung?
- Wie lange kann die Kamera die Serienbildgeschwindigkeit aufrechterhalten? Das hat mit der Grösse des internen Pufferspeichers zu tun. Und mit der Dateigrösse. Bei einem 50-Megapixel-RAW stehen die Chancen schlecht, dass das Tempo mehrere Sekunden gehalten werden kann.
Bei der Tierfotografie spielt auch eine Rolle, wie laut die Kamera ist. Bei Spiegelreflexkameras macht der Spiegelschlag einen gewissen Lärm, der allerdings in den letzten Jahren stark vermindert werden konnte. Ganz lautlos löst du nur ohne Spiegelschlag und mit elektronischem Verschluss aus. In dieser Betriebsart kannst du nur mit einer spiegellosen Kamera durch den Sucher schauen.
Porträtfotografie: Wenn, dann mit Augen-Autofokus
Sofern du dich vor fünf bis zehn Jahren für die Porträtfotografie ausgerüstet hast, brauchst du in diesem Anwendungsbereich nicht unbedingt etwas zu ersetzen. Ein gutes Porträt braucht weder eine besonders schnelle noch besonders hochauflösende Kamera. Und dein lichtstarkes Objektiv von 2010 leistet auch 2020 noch gute Dienste.
Ein wichtiges Argument für eine neue Kamera gibts aber auch im Porträt-Bereich: Der Augen-Autofokus. Der ermöglicht es dir, dich voll und ganz auf die porträtierte Person zu konzentrieren, ohne dir ständig Sorgen zu machen, ob der Fokus wirklich auf dem Auge liegt.
Hier drei Kameras, die über Augen-Autofokus verfügen. Auch die oben schon gezeigte Fujifilm X-T3 kann das.
Manchmal ist es das kleine Zubehör, das den entscheidenden Unterschied macht – nicht die Kamera. Das günstigste Upgrade für die Porträtfotografie ist ein Faltreflektor. Der ermöglicht dir, das Licht zu gestalten. Dieser hier ist gleichzeitig eine Softbox, welche hartes Licht abdämpft.
Landschaftsfotografie
Hier kommt es drauf an, was deine Ansprüche sind. Gute Landschaftsfotos sind mit jeder Kamera möglich, ein Upgrade ist für die meisten auch nach Jahren nicht nötig. Doch eine Kamera mit hoher Dynamik und viel Auflösung holt noch etwas mehr Bildqualität heraus. Wer aufs Ganze gehen will, braucht einen Vollformat-Sensor, eventuell kommt sogar Mittelformat in Frage.
Beachte: Wenn du dir ein Megapixel-Monster wie die Sony A7R IV besorgst, brauchst du auch entsprechend scharfe Objektive. Das wird insgesamt recht teuer.
Auch hier ein Zubehör-Hinweis: Mit Filtern kannst du deine Landschaftsaufnahmen verbessern, ohne gleich einen vierstelligen Beitrag ausgeben zu müssen. Die Nisi-Pakete sind zwar auch recht teuer, dafür beinhalten sie einen Grauverlaufsfilter zum Abdunkeln des Himmels – sehr nützlich in der Landschaftsfotografie.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.