(Fast) alles, was du je über deine Haare wissen wolltest
Haare sind eine Wissenschaft für sich – und Rob Smiths Metier. Der Wissenschaftler forscht für Dyson und hat Antworten auf meine Fragen in Sachen Styling und Pflege. Ein paar davon räumen sogar mit den gängigen «Weisheiten» auf.
Seinem ehemaligen Arbeitgeber half Rob Smith einst, Rasierer zu entwickeln, sprich Haare zu entfernen. Heute hat es sich der 38-jährige Brite zur Aufgabe gemacht, uns unsere Haare so lange und gesund wie möglich zu erhalten. Als Senior Principal Scientist bei Dyson führen er und sein Team auf dem Forschungs- und Entwicklungs-Campus in Malmesbury unter Laborbedingungen wissenschaftliche Experimente durch. Mit den Erkenntnissen sollen sich Haare besser stylen – und noch wichtiger – Schäden vermeiden lassen. Nach zehn Jahren beim Technologieunternehmen kommt da einiges an Wissen zusammen, das ich in einem Gespräch mit dem Haarwissenschaftler anzapfen darf.
Rob, weshalb sollen unsere Haare überhaupt gesund bleiben? Schliesslich bestehen Haare bloss aus toten Zellen.
Rob Smith, Senior Principal Scientist bei Dyson: Sobald deine Haare aus deiner Kopfhaut ragen, sind sie tatsächlich komplett tot. Lassen wir unsere Mähne wachsen, begleitet sie uns aber über mehrere Jahre hinweg. Geschädigtes Haar wird brüchig. Obendrein sieht und fühlt es sich nicht gut an. Wenn wir unser Haar also schädigen, gibt es nichts, was wir tun können, um das zu ändern. Wir können die Schäden bloss maskieren. Deshalb ist es wichtig, sie gar nicht erst entstehen zu lassen oder sie zumindest so klein wie möglich zu halten. Meine Aufgabe ist es, herauszufinden: Wie können wir das Styling maximieren und gleichzeitig die Schäden minimieren. Dazu müssen wir verstehen, wie das Haar wächst und die Kopfhaut in den Fokus rücken.
Welche Rolle spielt unsere Kopfhaut in Sachen gesundes Haar?
In den letzten zehn Jahren gab es zahlreiche Studien, die uns den Zusammenhang zwischen einer gesunden Kopfhaut und einer guten Haarqualität aufgezeigt haben. Wenn eine gesunde Kopfhaut aus der Balance gerät, kann das zu Problemen wie Schuppen führen oder das Haarwachstum beeinträchtigen. Letzteres zeigt sich in einem geringeren Haardurchmesser oder einer weniger glatten Haaroberfläche.
Das klingt ja spannend ...
Unser Kopfhautgewebe besteht aus verschiedenen Schichten. Die oberste, auch «Stratum Corneum» genannt, übernimmt eine Barrierefunktion und spielt eine Schlüsselrolle bei der Erhaltung einer gesunden Kopfhaut. Das Kopfhautgewebe der Frauen ist ungefähr zwanzig Prozent dicker als das der Männer. Leute, die beispielsweise an Haarausfall leiden, haben in der Regel ein dünneres Kopfhautgewebe. Wenn wir also Haarstyling-Produkte entwickeln, müssen wir darauf achten, dass unsere Tools so designt sind, dass sie die Gesundheit unserer Kopfhaut nicht negativ beeinflussen.
Da habe ich einiges aufzuholen. Meine Kopfhaut war in meiner Haarpflegeroutine kaum Thema.
All die Studien der letzten zehn Jahre zeigen, dass eine gesunde Kopfhaut die Grundlage für gesundes Haar ist. Das heisst, wenn du schon früh bei der Entstehung deines Haars ansetzt, kannst du die Gesundheit deines Haars positiv beeinflussen. Wichtig ist dabei die oberste Hautschicht aufgrund ihrer Barrierefunktion. Ist sie intakt, schützt sie die Haut vor Dehydrierung, externen Giftstoffen, bakteriellem Befall oder einer Störung der Keratinproduktion.
Und wenn nicht?
Wenn die Lipide, die die Hautzellen zusammenhalten, beschädigt und zerstört werden, führt das zu einem Feuchtigkeitsverlust. Durch die trockene, poröse Hautschicht bilden sich Schuppen oder es können Irritationen als auch Hautkrankheiten wie Schuppenflechten (Psoriasis) oder Seborrhoische Dermatitis auftreten. Schlussendlich kann ein schlechter Zustand der Kopfhaut auch zu einer rauen Haaroberfläche, weniger Glanz und schlimmstenfalls zu Haarausfall führen.
Lässt sich der Feuchtigkeitsverlust meiner Kopfhaut messen?
Tatsächlich geht das. Es ist zwar etwas umständlich, weil die Haare im Weg sind, aber im Prinzip stülpt man einen Becher über die Haut und misst nach einer gewissen Zeit die Feuchtigkeit im Becher. Das gibt uns den sogenannten transepidermalen Wasserverlust an.
Gibt es weitere Einflussfaktoren, die auf meine Kopfhaut einwirken?
Die gibt es. Dazu gehören Hormone, Ernährung, UV-Schäden, Luftverschmutzung und Alterungsprozesse.
Inwiefern beeinflusst eine alternde Kopfhaut meinen Schopf?
Unser Haarwachstum steht, wie bereits erwähnt, in enger Verbindung zur Dicke unserer Kopfhaut. Mit fortschreitendem Alter verschlechtert sich die Barrierefunktion: Die Haut wird dünner, weil sich unsere Hautzellen langsamer vermehren. Dadurch sinkt die Oberflächentemperatur leicht, der Haardurchmesser als auch die Dichte nehmen ab und das Haar wird feiner. Irgendwann geht es auch der Pigmentierung an den Kragen. Kurzum: Die Kopfhaut verliert an Vitalität, was sich in grauen Haaren und weniger Haarwachstum zeigt.
Was kann ich konkret tun, um meiner Kopfhaut nicht zu schaden?
Vermeide neben einer Überhitzung deiner Haut auch Frisuren wie einen Rossschwanz oder Extensions. Sie üben zu viel Zug auf die Haarfollikel aus, was zu Haarausfall führen kann. Halte deine Kopfhaut sauber, denn das Sebum ist eine Art Futter für die Mikroben auf deinem Kopf. Sie ernähren sich davon und konvertieren es anschliessend in einen Stoff, der deine Kopfhaut irritiert, was wiederum zu Schuppen führt. Und auch wichtig: Vorsicht vor der Sonne. Wer langes Haar hat, ist im Vorteil, da es der Kopfhaut einen gewissen Schutz bietet. Das Melanin im Haar wandelt die UV-Strahlung in Wärme um. Mein kurzes Haar macht es mir schwerer, meine Kopfhaut gesund zu halten.
Wie oft soll ich denn meine Haare waschen, um meine Kopfhaut sauber zu halten?
Die eine Million-Dollar-Frage. Wenn wir unser Haar waschen, entfernen wir das Sebum. In kleinen Mengen ist das Sebum aber wichtig für unser Haar, weil es die Hautbarriere unterstützt und die Haut hydriert hält. Wenn du dein Haar zu oft wäschst, entledigst du dich dieses natürlichen Befeuchters. Wenn du jedoch zu viel Sebum hast, wirst du mit mikrobiellen Problemen zu kämpfen haben.
Ich ahne schon: Es gibt keine magische Zahl, die du mir nennen kannst.
Es ist sehr individuell. Die gesunde Balance musst du selber finden. Dein Haar häufig zu waschen kann genauso viele Probleme mit sich bringen, wie es nicht häufig genug zu waschen. Aber wenn du Schuppen oder eine trockene, juckende Kopfhaut hast, kann es wegen der Mikroben eine gute Idee sein, das Haar öfter zu waschen.
Das geht ja gegen jede Intuition. Wie steht es um die Wassertemperatur. Hat die einen Einfluss auf unsere Kopfhaut oder auf unser Haar?
Ja, aber nur zu einem gewissen Grad. Unser Körper merkt generell, wenn eine Temperatur zu extrem für uns ist. Wäre das Wasser zu heiss für deine Kopfhaut, würdest du aus der Dusche springen. Der Einfluss von Temperaturunterschieden zwischen 34, 38 und 40 Grad warmem Wasser ist minimal. Das liegt auch daran, dass die Dauer, die wir unter der Dusche verweilen, relativ kurz ist.
Und wie steht es um den Glanz? Manche schwören drauf, dass ihr Haar mehr glänzt, wenn es am Ende einer Dusche mit kaltem Wasser gespült wird.
Ich habe versucht, diesen Effekt im Labor zu replizieren und habe es nicht hinbekommen. Was wir wissen: Ist das Haar erst nass, schwillt die Schuppenschicht an, was das Haar rauer macht. Eine raue Oberfläche reflektiert das Licht nicht so gut wie eine trockene, glatte. Möchtest du die Schuppenschicht schliessen, solltest du dein Haar also trocknen. Kaltes Wasser lässt die Schuppenschicht zwar weniger stark anschwellen als warmes Wasser, aber es raut die Oberfläche dennoch auf. Wenn du dein Haar von Beginn an mit kaltem Wasser wäschst, schwillt die Schuppenschicht minimal weniger an. Wenn du es aber erst mit warmem Wasser wäschst und anschliessend mit kaltem drüber gehst, verändert sich an der geschwollenen Schuppenschicht nichts.
Wir haben das Thema bereits gestreift: Aus einem deiner Vorträge habe ich kürzlich gelernt, dass unsere Kopfhaut über ein Mikrobiom verfügt.
Mein liebster Fakt ist, dass der menschliche Körper anzahltechnisch über mehr mikrobielle Zellen verfügt als über menschliche Zellen. Von der Masse her überwiegen die menschlichen Zellen jedoch.
Wie wichtig ist das Mikrobiom auf unserer Kopfhaut?
Je mehr wir im Bereich der Mikrobiome forschen, desto mehr sehen wir, wie gross ihr Einfluss tatsächlich ist. So hängt beispielsweise dein Hautzustand stark von deinem Hautmikrobiom ab. Wenn du das Mikrobiom störst, kann das zu Hautirritationen und Inflammation oder Schuppen führen. Das Mikrobiom spielt also eine zentrale Rolle bei der Erhaltung unserer Hautbarriere. Schuppen gehören übrigens zu den häufigsten Symptomen einer gestörten Hautbarriere. Deshalb ist das weltweit meisterverkaufte Shampoo auch «Head & Shoulders», also ein Anti-Schuppen-Produkt.
Sprechen wir über das Haarwachstum. Was muss ich darüber wissen?
Etwa 90 Prozent deines Haupthaars wächst in diesem Moment. Es befindet sich in der sogenannten Anagen-Phase. In dieser befindet sich das Haar typischerweise zwischen zwei und sechs Jahre lang. Ein Haar wächst normalerweise 0,9 Zentimeter pro Monat und kann bis zu einem Meter lang wachsen, bevor es ausfällt. Wie schnell ein Haar wächst, hängt von unserer Genetik ab. Die übrigen zehn Prozent deiner Haare befinden sich in der Telogen-Phase. In ihr löst sich das Haar vom Haarfollikel, das Haar fällt aus. Pro Tag sind das zwischen 50 und 80 Haare. Nach einer dreimonatigen Ruhephase beginnt der Haarzyklus von vorne und ein neues Haar wird gebildet.
Welchen Einfluss hat das Alter auf das Haarwachstum?
Je älter wir werden und je schwächer unsere Hautbarriere wird, desto länger verweilt unser Haar in der Telogen-Phase. Das heisst, dass die Anzahl der Haare, die sich in der Wachstumsphase befinden, sinkt.
Gibt es noch andere Dinge, die unser Haarwachstum negativ beeinflussen können?
Unsere Ernährung, Stress, hormonelles Ungleichgewicht und diverse Medikamente können durchaus das Wachstum hemmen.
Es soll Mittel geben, die unser Haarwachstum fördern sollen. Wie schätzt du solche Präparate ein?
Diese Präparate lassen sich in zwei Hauptgruppen unterteilen. Eine davon sind Multivitamine. Die wissenschaftliche Evidenz von Multivitaminen in Bezug auf besseres Haar bei einer ausgewogenen, gesunden Ernährung ist relativ schwach. Wenn du aber zum Beispiel ein Eisendefizit hast, kann dir ein Nahrungsergänzungsmittel helfen.
Und die zweite Gruppe?
Das sind Haarwachstumspräparate. Das bekannteste ist Finasteride, eine Tablette zur oralen Einnahme. Auch bekannt ist Minoxidil, das auf die Kopfhaut aufgetragen wird. Beide Mittel versuchen, die Haarfollikel in die Anagenphase zu pushen und so lange wie möglich dort zu halten. Bei einigen Leuten zeigen die Präparate sehr gute Wirkung, bei anderen wiederum nicht. Bei Finasteride wurden mehr Nebenwirkungen beobachtet. Von der Wirkungsevidenz her sind aber beide sehr gut.
Nichts macht hart erarbeitete Längen schneller zunichte als Haarbruch. Weshalb kommt es überhaupt so weit?
Unser Haar besteht vereinfacht gesagt aus zwei Schichten. Dem Kortex, der dem Haar Stärke und Elastizität verleiht und einer Schuppenschicht, die diesen Kortex ummantelt und schützt. Letzterer ist auch für Glanz und das Haargefühl zuständig. Bricht unser Haar, liegt das in der Regel daran, dass die Schuppenschicht sich abnutzt oder schwächer wird. Manchmal kann sogar direkt der Kortex beschädigt werden.
Ist zu viel Hitze daran Schuld?
Hitze ist die Nummer Eins unter den Gründen für Haarschäden. Es gibt aber auch andere Ursachen für Haarbruch: Zum Beispiel Haarefärben und -bleichen. Oder mit nassen Haaren schlafen zu gehen. Bei nassem Haar ist die äussere Schuppenschicht aufgequollen, was heisst, dass die Schuppen abstehen und der Kortex nicht geschützt ist. Es ist fragiler. Durch viel Reibung am Kopfkissen können Schäden entstehen, die zu einem Bruch führen. Auch kurze Haare sind beim Schlafen mehr Reibung ausgesetzt, was einen Einfluss haben kann.
Wie verlässlich sind Hitzeschutz-Produkte, die wir uns vor dem Styling ins Haar geben?
Einige schützen zuverlässig – aber nicht alle. Wir haben herausgefunden, dass einige Produkte die Temperatur senken, die tatsächlich zum Haar vordringt, was den Schaden verringert, gleichzeitig aber auch die Styling-Effizienz senkt. Einige Produkte bewirken sogar das Gegenteil. Sie befördern die Hitze noch effizienter ins Haar. Andere Produkte wiederum tun nicht viel abgesehen davon, dass sie Feuchtigkeit ins Haar transportieren, was laut unseren Untersuchungen auch zu mehr Schaden führen kann. Zum Beispiel, wenn man feuchtes Haar mit einem heissen Eisen bearbeitet. Deshalb ist es wichtig, von vornherein mit so wenig Hitze wie möglich zu arbeiten.
Was würde denn passieren, wenn ich mit einem heissen Glätteisen über mein nasses Haar fahre?
Wenn Wasser verdampft, dehnt es sich um ein Vielfaches aus. Wenn du es zwischen zwei heisse Eisen klemmst, erhitzt du die Feuchtigkeit im Haar, die eben noch Raumtemperatur hatte in wenigen Sekunden auf den Siedepunkt. Der Dampf muss sich gezwungenermassen den Weg aus dem Haar forcieren, statt sich sanft den Weg aus dem Haar zu bahnen und erst dann an der Oberfläche zu verdunsten. Hinzukommt, dass die Platten im Weg sind. Dadurch entstehen Mikro-Frakturen und das Haar wird an diesen Stellen schwach.
Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich.