Falls du kein willenloser Katzenmensch werden willst, lies jetzt weiter
Hintergrund

Falls du kein willenloser Katzenmensch werden willst, lies jetzt weiter

Kaum jemand schafft es, mein Herz mit dreistem Verhalten und Leichenteilen zu erobern. Nur meine beiden Katzen. Was sie nicht ahnen: Dass ich unser Zusammenleben regelmäßig verfluche.

Es ist Nacht. Die Fenster stehen weit offen, meine Augen sind fest verschlossen. Ich bin im Tiefschlaf. Plötzlich weckt mich ein verhängnisvolles Scheppern. Das Handy zeigt 3 Uhr 24, ich schiele zum Fenster: War das der Wind? Ein wildes Tier? Ist es ein Einbrecher?

Zwischen den Stäben der Jalousie kämpft sich eine kleine Pfote zum offenen Fenster durch, danach ein spitzes Ohr, ein leuchtendes Auge und schließlich der ganze Kopf. Das Tier manövriert seinen schmalen Körper durch die – wie ich eigentlich geglaubt hatte – einbruchssichere Jalousie und sitzt nun vor mir: vorwurfsvoller Blick, anklagendes Miauen.

Stimmt ja: Es ist Zeit für den 3-Uhr-Snack (drei Uhr früh, wohl gemerkt!) für meine Katze und meinen Kater. Dieser kauert einstweilen noch auf der anderen Seite der Jalousie und schreit, als erläge er gerade einer Schusswunde.

Katzen sind ulkige kleine Wesen in niedlichen Fellkleidern. Mit seltsamen Eigenheiten. Meine beiden Stubentiger treiben mich regelmäßig in den Wahnsinn und es gibt Momente, in denen ich mir wünsche, mir nie Katzen angeschafft zu haben. Möge es ein warnendes Wort in deinen Ohren sein, bevor auch du schon bald müdes Personal einer Katze bist.

Das Leben mit Katzen: Die schönen Seiten

Katzenmama bin ich seit mehr als einem Jahr. «Mama» ist dabei nicht mal übertrieben – denn Studien zufolge binden sich Katzen an ihre Menschen ähnlich wie Kinder an ihre Eltern.

Umgekehrt ist es übrigens ähnlich, finde ich. Doch bevor ich meine Liste mit guten Gründen gegen die adoptierte vierbeinige Brut beginne, lass mich ein paar wertschätzende Worte über meine Katze Hilde und meinen Kater Jeppe verlieren. Denn insgesamt bereichern sie mein Leben ungemein.

Katzen sind sauber, verschmust, witzig und – man kann es nicht oft genug sagen – unheimlich niedlich. Auch im Erwachsenenalter. Doch sie sind auch stur, erziehungsresistent, unbeirrbar von sich selbst und ihrem Platz in der Welt überzeugt und dabei sehr expressiv mit ihren Emotionen. Auch wenn ich sie insgeheim für diese Lebenshaltung bewundere, bringen sie mich gelinde gesagt auf die Palme.

Gründe gegen die Katze: Der Prolog

Lass uns bei der eingangs beschriebenen Szene im Schlafzimmer verweilen: In ihr zeigt sich das Wesen der Katze in herrlicher Deutlichkeit. Die mittlerweile zerstörte Jalousie ist nur ein Opfer unter vielen, das sich im letzten Jahr dem ungebrochenen Willen meiner Freigänger-Katzen beugen musste. Wie gerechtfertigt es ist, gewaltsam in die Wohnung einzudringen, um eine nächtliche Mahlzeit serviert zu bekommen, darüber lässt sich streiten. Nur eben nicht mit meinen wohlstandsverwahrlosten Katzen, die mich unter hartnäckigem Gurren in die Senkrechte und bis vor ihren Futternapf bitten.

Wer denkt, das nächtliche Prozedere wäre nach der Fütterung abgeschlossen, irrt. Zunächst warte ich, ob die zufällig aus der Lade geholte Geschmackssorte auch gerade dem Appetit entspricht. Wenn ja, möchten Herr und Frau Katze nach dem Essen natürlich direkt wieder ins Freie. Geschieht das nicht unmittelbar, kratzen sie an der bereits reichlich malträtierten Terrassentüre oder klettern im Schlafzimmer die Vorhänge hoch.

Die Erstausstattung für Katzenhaltende besteht also aus strapazierfähigen Nerven und einem ebenso strapazierfähigen Mobiliar fürs Büsi. Doch lass mich von vorne beginnen:

1. Katzen erziehen dich, nicht umgekehrt

Wahrscheinlich hast du dich längst kopfschüttelnd gefragt, wer hier eigentlich wen erzieht – und warum ich den Katzen ihren 3-Uhr-Snack überhaupt durchgehen lasse.

Nun, Katzen unerwünschtes Verhalten abzugewöhnen ist ungefähr so einfach, wie jedes einzelne Katzenhaar aus der Wohnung zu entfernen (dazu später mehr). Ein japanisches Forschungsteam kam zu dem Schluss: Katzen verstehen, wenn sie angesprochen werden und kennen sogar ihren Namen. Dass sie nicht schwanzwedelnd und nach Anerkennung lechzend all deinen Wünschen nachkommen, begründet das Forschungsteam darin, dass ihnen dein Befehl ... gelinde gesagt schnurzpiepegal ist. Katzen biedern sich nicht an, sie fordern bedingungslose Liebe, auch über das zerstörte Mobiliar hinaus.

Außerdem: Wozu soll sich die Katze in Frustrationstoleranz üben, wenn sie die Menschen zur Untertänigkeit erziehen kann? Urteile also erst, wenn du dich selbst an der Sisyphos-Aufgabe versuchst, eine Katze zu erziehen.

PS: TikTok-Videos, in denen Katzen Tricks wie Sitz-Platz-roll dich vorführen, können einfach nicht echt sein.

2. Leichen unter den Teppichen und Katzenhaare überall

Auch wenn meine Katzen ihr Geschäft im Katzenklo verrichten und sich den lieben langen Tag leckend pflegen, machen sie unsere Bleibe nicht sauberer. Oft tragen sie Katzenstreu quer durch das Badezimmer und ihre Haare verbreiten sich wie ein Geschwür in allen Räumen, Winkeln und Schubladen. Sie haben mich sogar dazu gebracht, monatlich meine Vorhänge zu waschen, um die kleinen Härchen loszuwerden. Chancenlos. Noch an meinem Sterbebett werden Katzenhaare kleben.

Dazu bringen Katzen alles Denkbare von draußen hinein: Erde aus dem Garten, kleine Insekten oder Schlimmeres. Das alles zerlegen sie feinsäuberlich in seine Einzelteile und kehren die Überreste wortwörtlich unter den Teppich – übrigens zusammen mit meinen Haargummis, die sie nachts klauen. So bin ich nicht nur zur regelmässigen Vorhangwäscherin geworden, sondern generell sehr penibel in der Reinigung meiner Wohnung, klopfe Teppiche aus und wische den Boden wöchentlich. Eine völlig schwachsinnige Tätigkeit B.C. (Before Cat), aber jetzt unverzichtbar. Staubsaugen muss ich sowieso täglich. Mein Tipp, wenn du dich für eine Katze entscheidest: Nur mit hoher Toleranz für Dreck und kabellosem, jederzeit einsatzbereitem Staubsauger!

3. Das verfluchte Katzenklo

Wenn ich in meinem Leben irgendwann kein Katzenklo mehr säubern muss, mache ich drei Kreuze und bete ein Ave Maria. Der beißende Geruch nach Ammoniak, Katzenstreu im ganzen Badezimmer (ja, trotz Katzenstreu-Matte!) und schließlich das unansehnliche Plastikgehäuse, das den kleinen Raum blockiert.

Eigentlich dachte ich, das Katzenklo mit Freigängern würde eher früher als später obsolet werden. Fehlanzeige bei Hilde und Jeppe: Sie machen eine regelrechte Zeremonie aus ihrem Klogang. Die beginnt damit, dass sie dafür eigens von draußen hereingaloppiert kommen, ab ins Badezimmer. Nach dem großen Geschäft folgt das 90-sekündige Schaben: in der Streu und an den Plastikwänden, dabei machen sie angestrengte Geräusche. Am liebsten halten sie dieses Ritual in meiner Anwesenheit ab. Am allerliebsten, wenn ich dabei in der Badewanne liege. Mein Impuls, mich darin zu ertränken, nur um dem Gestank zu entkommen, ist jeweils groß.

Aber: Mit Wünschen soll man bekanntlich vorsichtig sein. Neuerdings ist das Katzenklo tatsächlich seltener zu säubern. Stattdessen geht im Nachbarschafts-Chat die Warnung von Katzenkot im Kindersandkasten um, und ich habe leider eine düstere Vermutung, wer hinter dieser Kontaminierung steckt.

4. Die Widersprüchlichkeit der Katze

Man kann sie lieben – aber meistens treibt sie mich in den Wahnsinn: die absolute Unberechenbarkeit von Katzen. Sie macht einen Alltag mit ihnen kaum möglich. Vorlieben verändern sich beinahe wöchentlich: Wo du sie streicheln darfst, welche Futtermarke du kaufen sollst oder welchen Verpackungskarton du vom Fußboden entfernen kannst, ist eine Frage der absoluten Willkür. Dabei widersprechen sich Katzen permanent selbst und machen es dir zum Vorwurf, wenn du nicht schnell genug hinterherkommst.

In meinem Haushalt ist die Futterfrage die allerheikelste. Als meine Katzen das Futter einer bestimmten Sorte in einer Woche genüsslich verschlungen hatte, machte ich den Fehler und stattete mich mit mehreren Dosen dieser Sorte aus. Gnade! Es kam, wie es kommen musste: Wenige Tage später schmeckte das Futter spontan nicht. Seither sitze ich auf einem Vorrat an «saftigem Grillfleisch in feinem Gelee», den die beiden nicht einmal angesichts eines drohenden Hungertods anrühren würden.

5. Dein Radius verkleinert sich mit Katzen

Eigentlich ein Pro-Argument für die Katze und gegen den Hund – du musst nicht Gassi gehen – ist in Wahrheit ein Scheinargument: Selbst Freigänger-Katzen binden dich an deine Wohnung und machen dich häuslicher, als du gerne wärst. Auch wenn sie selbst permanent unterwegs sind: Sie wissen dich einfach gerne in den gemeinsamen vier Wänden, wo du spontan Essen zubereiten und sie beim Nachhausekommen willkommen heißen kannst. Ein bisschen wie eine traditionelle Ehe aus den 1950er-Jahren.

Urlaube, spontane Übernachtungen und selbst lange Arbeitstage bedürfen mehr Planungsaufwand und ein Netzwerk an aushelfenden Nachbarinnen oder Freunden. Das Schlimmste daran: Vermutlich verkraften meine Katzen meine Abwesenheit besser als ich. Sie haben mich auf ihre optimale Bedürfnisbefriedigung trainiert. Lass mich ehrlich sein: Sie lange alleine zu lassen, bricht mir das Herz.

6. Wechselbad der Gefühle

Für eine Katze brauchst du außerdem ein starkes Ego: Sie sind gleichzeitig bedürftig und abweisend und kreieren damit ein schizophrenes Umfeld. Zuneigung und Ablehnung wechseln sich teils nahtlos ab, in beiden Extremen sind sie grenzüberschreitend ohne Ende.

Während sie noch morgens einfordern, während des Klogangs auf meinem Schoß zu sitzen, ignorieren sie mich nachmittags auf der Straße oder wenden sich mit angewidertem Blick von mir ab, sobald ich sie streicheln will. Derartige metaphorische Schläge ins Gesicht können ziemlich wehtun. Und in diesen Momenten könnte ich sie aus Frust fremdplatzieren!

7. Du wirst zum Katzenmenschen

Abschließend eine Warnung: Du wirst eine erschreckende Metamorphose zum Katzenmenschen durchmachen (es wird passieren, finde dich damit ab). Ein Vorgeschmack:

Auf Partys schaut sich der Katzenmensch heimlich Katzenfotos auf seinem Handy an, stellt häufig unpassende Vergleiche zwischen Kindern und Katzen auf und verliert völlig das Gefühl dafür, wann die Katze als Gesprächsthema ausgedient hat. In seiner Abwesenheit schreibt er seitenlange Handlungsanweisungen an die Katzensitter mit penibel ausgeführten Dos and Don’ts und erkundigt sich anstrengend oft nach dem Wohlergehen des Vierbeiners.

Niemand will diese Person sein. Aber genau das ist es, was nach einer gewissen Zeit mit Katze von mir übrig bleibt. Ich bin verloren.

Titelfoto: shutterstock

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Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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