DJI Avata im Test: Massentaugliche FPV-Drohne
Die Avata ist DJIs neue FPV-Drohne. Sie ist klein, leicht und einfach zu fliegen. Die Bildqualität ist gut, aber nicht perfekt. Was für Stärken und Schwächen die Avata sonst noch hat, erfährst du in diesem Test.
Ich stehe auf einer Terrasse im Verzascatal, vor mir liegt das neueste elektronische Insekt des chinesischen Herstellers DJI. Es ist eine First-Person-View- oder kurz FPV-Drohne, die du nur mit einer speziellen Brille, sogenannten Goggles, fliegen kannst. Dort siehst du, was die Drohne sieht. Ich habe die Goggles montiert, in meiner Hand liegt der Joystick-ähnliche Motion Controller. Neben mir steht Jonas, mein Aufpasser, der Sichtkontakt zur Drohne halten wird.
Tutorial? Habe ich keines absolviert. Anleitung? Nicht gelesen. Extra. Denn ich will auch die Anfängerfreundlichkeit und Einfachheit der Bedienung testen. Ausserdem bin ich im Stress, denn dieser Bericht muss in 24 Stunden online sein. Naja, man kann sich Dinge auch schönreden – vielleicht bin ich auch einfach zu faul. Ich hebe ab.
Spezifikationen: Besser als die Grosse?
Die DJI Avata ist die zweite FPV-Drohne des chinesischen Herstellers. Die alte DJI FPV bleibt weiterhin im Sortiment. Die Avata lässt sich weder darunter noch darüber einordnen – sie ist anders: Der Sensor ist mit 1/1,7 Zoll grösser als derjenige der FPV (1/2,3 Zoll), aber kleiner als die Sensoren der normalen Drohnen wie Mini 3 Pro (1/1,3 Zoll), Air 2S (1 Zoll) oder Mavic 3 Pro (4/3 Zoll).
Dazu ist die Avata fast halb so schwer wie die grosse Schwester und bietet eine etwas bessere Video-Bitrate von 150 Mbps. Dafür kann sie nicht ganz so schnell fliegen wie die FPV, wobei die fast 100 km/h im manuellen Modus wohl für die meisten noch immer genug sein dürften. Enttäuschend ist die schwache (europäische) Übertragungsreichweite von 2 km gegenüber den 6 km der FPV. Hier alle Spezifikationen im Überblick:
DJI Avata | DJI FPV | |
Dimensionen, Gewicht | 18 x 8 x 18 cm
410 g (inkl. Akku) | 25,5 × 31,2 × 12,7 cm
795 g (inkl. Akku) |
Akku, Akkulaufzeit | 35,7 Wh
18 Minuten | 44,4 Wh
20 Minuten |
Höchstgeschwindigkeit | 28,8 km/h (Normal-Modus)
50,4 km/h (Sport-Modus) 97,2 km/h (Manuell-Modus) | 54,0 km/h (Normal-Modus)
97,2 km/h (Sport-Modus) 140,4 km/h (Manuell-Modus) |
Übertragungsreichweite (CE) | 2 km | 6 km |
Sensor | 1/1,7 Zoll CMOS-Sensor
48 Megapixel | 1/2,3 Zoll CMOS-Sensor
12 Megapixel |
Objektiv | 155 Grad FoV
12,6 mm Vollformat-äquivalent Fixe Blende f/2.8 | 150 Grad FoV
14,66 mm Vollformat-äquivalent |
Auflösung Fotos | 4000 x 3000 Pixel | 3840 × 2160 Pixel |
Auflösung Video | 4K UHD mit bis zu 60 FPS
2,7K mit bis zu 100 FPS (mit DJI Goggles 2) 2,7K mit bis zu 120 FPS (mit DJI FPV Goggles V2) | 4K UHD mit bis zu 60 FPS
1080p mit bis zu 120 FPS |
Codecs, Bitrate | H.264 und H.265
Bis zu 150 Mbps | H.264 und H.265
Bis zu 120 Mbps |
Interner Speicher | 20 GB | - |
Preise und Bundles
Die Avata kannst du separat oder in zwei verschiedenen Bundles kaufen: Die «Fly Smart Combo» besteht aus Drohne, Motion Controller und den schon von der DJI FPV bekannten FPV Goggles V2. Nur in der 300 Franken teureren «Pro-View Combo» bekommst du die neuen Goggles 2. DJIs Namensgebung stiftet mehr Verwirrung als Klarheit.
Die Preise sind keine Schnäppchen, sind aber auch nicht völlig überteuert. Die Avata ist mit ihrem grösseren Sensor für die meisten Hobbypiloten der bessere Kauf als die ältere FPV, die im vergleichbaren Bundle beinahe gleich teuer ist. Anders als bei klassischen Drohnen ist in den Avata-Bundles weniger drin: Nur ein Akku, keine Tasche oder sonstiges Zubehör. Nicht mal das zwingend nötige USB-C-Ladegerät wird mitgeliefert. Willst du die neuen Goggles, zwei Zusatzakkus, eine Speicherkarte und eine Tasche, solltest du insgesamt 2000 Franken budgetieren.
Steuerung: Einfach zu lernen, schwer zu meistern
Zurück zu meinem Jungfernflug: Trotz fehlender Übung und Ahnung begreife ich die Steuerung der Avata erstaunlich schnell. Das spricht nicht etwa für mein Talent, sondern dafür, wie intuitiv die Bedienung ist: Im Motion Controller ist ein Gyrosensor verbaut, der registriert, ob und in welche Richtung ich den Controller neige. So steuere ich, wo die Drohne – und damit das Bild in meinen Goggles – hinschaut. Sobald ich den grossen Knopf mit meinem Zeigefinger drücke, fliegt die Avata in die Richtung, in die sie zeigt. In den Modi «Normal» und «Sport» fühle ich mich nach kurzer Zeit so wohl, dass ich flüssig ein paar hundert Meter zum Stausee und wieder zurückfliege.
Mehr Übung brauchst du, wenn du gleichzeitig fliegen und die Neigung der Kamera steuern willst. Auch nahes Vorbeifliegen an Bäumen oder sonstigen Objekten will gut geübt sein, die Distanzen sind anfangs schwer einzuschätzen. Nicht versucht habe ich den manuellen Modus. Der funktioniert nur mit dem normalen Remote Controller. Ohne erreiche ich maximal 50 Stundenkilometer, was sich für mich aber schnell genug anfühlt – und richtig Spass macht.
Weniger Spass macht die geringe Übertragungsreichweite. Sobald ich eine Kurve etwas weiter entfernt hinter ein paar Bäumen mache, beginnt das Bildsignal meiner Goggles abzureissen. Streng genommen dürfte das kein Problem sein, da man FPV-Drohnen nur in Sichtweite und mit zusätzlicher Aufsicht einer zweiten Person fliegen darf. Doch gerade als Anfänger verliere ich beim Fliegen manchmal das Distanzgefühl und finde mich hinter einer Erhöhung wieder – dass in so einem Fall sofort das Bild zu flackern beginnt, wirkt nicht gerade beruhigend.
Design: Solide Verarbeitung, aber lautes Surren
Das Erste, was beim Auspacken auffällt: Die Avata ist klein und leicht. Mit 18 Zentimetern Breite ist sie etwa so gross wie meine Hand. Die Propeller und auch der Gimbal sind durch fixe Kunststoffrahmen geschützt, die robust wirken. So dürfte die Drohne das eine oder andere Techtelmechtel mit Bäumen unbeschadet überstehen. Der Nachteil an diesem Design: Bei einem Crash nimmt potenziell der Rahmen Schaden statt nur einem einfach austauschbaren Propeller. Eine Kollision kann leicht passieren. Denn die Avata hat nur unten Kollisionssensoren – gegen vorne bin ich auf mich alleine gestellt.
Die Avata lässt sich nicht zusammenfalten. Trotzdem ist sie zusammen mit den neuen Goggles und dem Motion Controller die erste wirklich transportable FPV-Drohne mit vernünftiger Kamera. Auch an der Verarbeitung habe ich nichts auszusetzen, sie wirkt hochwertig und durchdacht. Ich provoziere bei meinen Tests ein paar Kollisionen mit Bäumen und kleineren Pflanzen. Das Resultat: grüne Spuren, aber keine Schäden. Nach einem Neustart fliegt die Avata weiter, als wäre nichts gewesen.
Negativ aufgefallen ist mir die Lautstärke. Ich bin mir die sehr leisen normalen Drohnen von DJI gewohnt. Die Avata surrt laut und hochfrequent, wie ein aggressives Insekt. Mühsam ist der Zugang zur Speicherkarte. Die Klappe ist hinter einem der Propeller versteckt, der ständig im Weg ist. Du brauchst deshalb viel Fingerfertigkeit, um eine kleine Micro-SD ein- und auszufädeln. Dafür hat die Avata 20 GB internen Speicher – das ist praktisch, wenn du deine Karte zuhause vergessen hast.
Bildqualität: Gute Videos, aber keine Wunder
Die Fotos aus der Avata-Kamera lassen sich von der Qualität her mit aktuellen Smartphones vergleichen. Bei guten Lichtverhältnissen sind sie scharf und farbenfroh. Allerdings sind in der 100-Prozent-Ansicht deutliche Artefakte und auch etwas Rauschen sichtbar. Mit höheren ISO-Werten nimmt die Qualität rapide ab, was bei der Sensorgrösse zu erwarten ist. Ein RAW-Bildformat oder verschiedene Farbprofile suche ich vergebens. Alles in allem ist die Bildqualität für die Verwendung auf Social Media ausreichend
Viel wichtiger ist die Videoqualität, denn damit muss sich die Avata von anderen FPVs abheben. Und nur in Videos kommen gekonnte Flugmanöver überhaupt zur Geltung. Die Filmdateien sind in meinen ersten Tests tatsächlich ziemlich gut. Sie scheinen detailliert und sind dank digitaler Bildstabilisierung auch ruhig und flüssig. Minuspunkte sind für mich die zu satten Farben im Standard-Farbprofil und der begrenzte Dynamikumfang. Ausserdem wirken die Videos überschärft. Dieser Look ist bei vielen beliebt. Etwas Abhilfe schafft das einzige andere wählbare Farbprofil, D-Cinelike. Das arbeitet mit einer flacheren Tonwertkurve und weniger Sättigung. Im folgenden Video siehst du zwei kurze Clips bei gutem und bei schlechterem Licht, beide im Standard-Profil und komplett unbearbeitet:
Sobald ich die Videos in DaVinci Resolve etwas aggressiver aufhelle oder grade, tauchen Artefakte und Bildrauschen auf. Das Gleiche gilt auch im Dämmerungslicht, wo feine Strukturen in Wäldern matschig werden. Hier zeigen sich die Grenzen des kleinen Sensors. Für eine Drohne dieser Grösse, die den Spagat zwischen FPV-Fähigkeiten und Bildqualität schaffen muss, finde ich die Leistung insgesamt dennoch beeindruckend.
Neue Goggles: Für Brillenträger ein Muss
Die neuen Goggles 2 sind ein Fortschritt gegenüber den alten FPV Goggles V2. Sie sind deutlich kompakter und die Auflösung steigt von 1440 × 810 auf 1920 × 1080 Pixel pro Auge. Der Akku ist nach wie vor eine externe Powerbank, die mit einem Kabel verbunden werden muss – schade, dafür gäbe es bestimmt elegantere Lösungen. Was sich ebenfalls nicht verbessert hat, ist die Unschärfe des Bildes zu den Ecken hin. Das macht es mitunter schwer, Menüs zu navigieren oder eingeblendete Parameter am Bildrand zu lesen. Beim Fliegen fällt diese Unschärfe zum Glück kaum auf, da der Fokus auf der Bildmitte liegt. Die Bedienung erfolgt neu mittels Touch-Panel auf der rechten Seite. Das ist fummelig, funktioniert mit etwas Übung aber okay.
Die wichtigste Neuerung der Goggles 2 für mich als Brillenträger ist die neue Dioptrie-Einstellung, die von +2 bis -8 reicht. Während bei den alten Goggles zusätzliche Einsätze oder Kontaktlinsen nötig waren, kann ich hier mit zwei Rädchen die Korrekturen für das linke und rechte Glas separat einstellen. Alleine dieses Feature wäre für mich Grund genug, den Aufpreis für die neue Version zu berappen – auch wenn ich ohne Kontaktlinsen nach dem Ausziehen der Goggles jedes Mal wie ein Maulwurf nach meiner Brille tasten muss. Wenn du gute Augen hast, ist das 300 Franken teure Upgrade weniger zwingend.
Akkulaufzeit: Kauf dir lieber drei
In meinen Testflügen hält der Akku ungefähr das, was er verspricht. Bei meinem Mix aus Fliegen, Filmen und Fotografieren sinkt er nach rund 15 Minuten in den roten Bereich. Das ist ordentlich, wenn man die Flugleistung bedenkt. Laufzeiten von fast 30 Minuten, wie ich es von meiner privaten Mavic Air 2 kenne, darfst du nicht erwarten.
Gute Kompatibilität mit der alten FPV
Gute Nachrichten gibt es für alle, die schon eine DJI FPV haben und die Avata als Zweitdrohne möchten. Sowohl Controller als auch Goggles sind kompatibel, was den Anschaffungspreis senkt. Das funktioniert übrigens auch andersrum – die neuen Goggles 2 sind ebenfalls mit beiden Drohnen kompatibel. Dass DJI diese Kompatibilität in beide Richtungen ermöglicht, finde ich lobenswert.
Fazit: Nicht perfekt, aber ein guter Kompromiss
Meine Bilanz nach 24 Stunden mit der DJI Avata: Sie macht enorm Spass, ist einfach zu fliegen und die Videoqualität kann sich sehen lassen. Sie ist für mich die erste wirklich massentaugliche FPV-Drohne auf dem Markt, weil sie zusammen mit den neuen Goggles tatsächlich gut in einen Rucksack passt. Zusatzpunkte ernten die geschützten Propeller, die mich beruhigter riskante Manöver probieren lassen.
Das Fliegen mit den Goggles ist nach wie vor gewöhnungsbedürftig und die Touch-Bedienung der Brille finde ich nicht optimal. Der grösste Schwachpunkt ist für mich aber die geringe Übertragungsreichweite. Dazu kommt der gesalzene Preis – insbesondere, weil du realistisch gesehen mindestens zwei Zusatzakkus brauchst. Trotzdem: Die DJI Avata ist die bisher beste FPV-Kombination aus Bildqualität, gutem Fluggefühl und Kompaktheit.
Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.