Dem Profi bei der Reparatur über die Schulter geschaut
Geht deine Kamera kaputt, kommt sie ins Servicezentrum zur Reparatur. Hier wird sie auseinandergenommen und wenn möglich geflickt. Im Rahmen unserer Themenwoche «Teardown» habe ich das Servicezentrum von Sertronics besucht.
Mit einem kleinen Schraubenzieher öffnet Techniker Marco bedachtsam die Kamera auf seinem Tisch. Immer mehr Mini-Schräubchen der Canon EOS-1D legt er mit ruhigen Händen in einer Reihe auf die Unterlage. Ich komme kaum nach mit Gucken, schon ist die Rückseite der Kamera offen. Schwupps, schon hat er noch schnell die Flexkabel abgezogen. Nach drei Minuten hält mir Marco das Innenleben der Canon-Kamera hin.
Früher, erklärt mir Marco, waren die Kameras verlötet und schwerer zu öffnen. Heute sind die meisten Kameras gesteckt. Deshalb kann er die Kamera mit einem speziellen, kleinen Kreuzschlitz-Schraubenzieher einfach öffnen.
Marco arbeitet bei der Firma Sertronics und ist für die Reparatur führender Kamerahersteller zuständig. Seit 2008 arbeitet er in der grossen Halle des Servicecenters in Birmenstorf. Techniker ist er seit zwanzig Jahren. In dieser ganzen Zeit hat er noch nie eine Kamera kaputt gemacht – «zumindest beim Reparieren», fügt er lachend hinzu.
Reparaturen und mehr
Die Firma Sertronics bietet verschiedene Servicedienstleistungen an. Darunter gehören nebst Reparaturen von fast allem, was kaputt gehen kann, auch Heimservices, Workshops, verschiedene technische Dienstleistungen und Refurbishments. Die Firma arbeitet für Garantiefälle auch mit digitec zusammen.
In der weitläufigen Halle von Sertronics fallen mir vor allem die vielen Fernseher auf, die in Kartons verpackt in Reihen dastehen. Damiano Randazzo, Sales und Marketing Director von Sertronics, erklärt mir, dass sie mehr Kameras als Fernseher reparieren. «Die Fernseher sind heute einfach so gross, deshalb sieht’s nach so vielen aus.»
Die Tierfotografie-Kamera mit Wasserschaden
Die Kamera, die bei Marco auf dem Tisch liegt, gehört einem professionellen Tierfotografen. Der französische Fotograf sei mitsamt der Kamera und seinem riesigen Objektiv – das etwa 10 000 Franken kostet – in einen Teich gefallen, erzählt mir Marco. Ihn erstaunt diese Geschichte nicht: Er hat in seiner Laufbahn schon viel Spezielleres gehört. Nach dem nassen Malheur hat der Fotograf, der im Elsass lebt, gleich all seine Kameras persönlich vorbeigebracht. Vier weitere Kameras und verschiedene Objektive sind im Kamerarucksack, der aussieht, als würde er einem Fallschirmspringer gehören.
Auf Marcos’ Auftragszettel steht «Check and clean». Trotz unfreiwilligem Bad funktioniert die Kamera noch. Verständlicherweise möchte der Fotograf aber, dass die Kamera auf Schäden überprüft wird. Von aussen sieht man der Kamera bei genauem Hinsehen den Sturz an: An der unteren Ecke hat sie einige Kratzspuren. Marco löst noch weitere Schräubchen, das gesamte Gehäuse muss ab: Zuerst die Abdeckung ums Display und den unteren Teil der Kamera, dann der obere Teil und die Abdeckung um den Sucher. Zum Schluss kommt die Vorderseite um den Sensor dran. Dann hält er nur noch das Innere der Kamera in den Händen.
Was macht eine Hauptplatine?
Mit der ganzen Kameraelektronik in der Hand, erklärt mir Marco kurz, was wozu gehört.
Den grössten Teil der Kamerarückseite nimmt die Hauptplatine ein. Sie steuert alles. Wird auf den Auslöseknopf gedrückt, geht der Spiegel der Kamera hoch und die Lamellen auf. Der Sensor, hier ist es ein C-Mos, wandelt das Licht via Leiterbahnen in ein Bild um. Die Daten werden auf der Hauptplatine zu einem Jpeg, oder Raw, je nachdem was gerade eingestellt ist, umgewandelt.
Oben auf der ganzen Elektronik ist ein Teil des Prismas zu sehen. Das verspiegelte Prisma ist dazu da, das seitenrichtige und aufrecht stehende Bild im Sucher der Kamera anzuzeigen. Durch diese Technik ist das Bild im Sucher dasselbe, wie das auf dem Bildsensor. «Wenn du nur durchs Objektiv gucken würdest, wäre alles auf dem Kopf.»
Nachdem Marco mir die Kamera so schnell erklärt hat, dass mir der Kopf raucht, erklärt er mir das weitere Vorgehen.
Die Spurensuche beginnt
Jetzt, wo die Kamera offen ist, kann Marco nach Wasserspuren suchen. Das ist viel einfacher, als ich es mir mit der ganzen Elektronik vorgestellt habe. Marco sucht nach weisslichen Ablagerungen im Inneren der Kamera. Die Ablagerungen sind ein Zeichen, dass an dieser Stelle etwas defekt sein könnte.
Der Techniker dreht die Kamera ein paar Mal um und nimmt sich eine Lupe zur Hilfe. Ein paar Augenblicke später findet Marco die gesuchten Ablagerungen: Sie sind ganz am Rande der Kamera. Das ist ein Indiz, dass die Elektronik der Kamera nicht beschädigt ist. Andere Wasserspuren findet Marco nicht.
«Bei einem Sturz wird das Auflagemass zur Kontrolle gemessen», erklärt mir Marco weiter. Das Auflagemass ist der Abstand zwischen Bayonett und Sensor. Ist das Bayonett eingedrückt oder herausgezogen, also das Auflagemass verschoben, wäre das Bild nicht mehr richtig scharf. Der Techniker zeigt mir, wie er mit einem Laser, der auf den Mikrometer genau den Abstand bestimmt, die Auflage vermisst. Auch hier hat der Tierfotograf Glück gehabt; das Auflagemass ist in Ordnung.
Von ehrlichen und unehrlichen Kunden
Marco erzählt mir, dass er nicht nur Kameras repariert, sondern auch einen Teil der Korrespondenz mit den Besitzern der Kameras führt. Sie legen die Fehlerbeschriebe der Kameras bei, und Marco hakt nach, falls etwas fehlt. Er ist es auch, der den Kunden erklärt, wie’s mit ihrem Gerät weitergeht.
«Wenn eine Kamera einen Sturz hinter sich hat, steht das meistens nicht im Fehlerbeschrieb. Da sind die Kunden manchmal nicht ganz ehrlich», meint Marco. Ein verschobenes Auflagemass ist für den Techniker ein Indiz, dass eine Kamera einen Absturz hatte. Dann kann er die Kamera weiter nach Sturzschäden untersuchen.
Wird die Kamera nicht richtig gehalten, entsteht durch das schwere Objektiv eine Hebelwirkung. Auch dadurch kann sich das Auflagemass verschieben. «Einmal hat ein Kunde abgestritten, dass ihm dies passiert sei. Der Kunde war dann vor Ort und ich konnte beobachten, wie er Objektiv und Kamera falsch angehoben hat».
Ende gut, alles gut
Zum Schluss schaut sich Marco noch das Kamerastatus-Protokoll an. «Bei Profi-Kameras werden die meisten Fehler schon dort angezeigt. Ansonsten können wir Fehlercodes auch am PC auslesen.» Damit kann Marco die Fehlersuche beschleunigen. Pro Kamera hat er ja nach Problem eine Richtzeit für die Bearbeitung.
Das Fehlerprotokoll der EOS-Kamera ist leer. Die Kamera funktioniert einwandfrei. Nun putzt Marco die Kamera noch. Mit einem speziellen Stempel fährt er über den Sensor. Danach reinigt er das Innere der Kamera mit etwas Reinigungsalkohol.
Dann setzt der Techniker die Kamera wieder zusammen. Das geht zwar nicht ganz so schnell wie das Auseinandernehmen. Trotzdem bin ich von Marcos’ Fingerfertigkeit beeindruckt. Bevor er den Auftrag abschliesst, macht er noch einige Testfotos.
Und für mich ist’s Zeit, den Techniker wieder arbeiten zu lassen.
Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival.