Das erste Mal Heilfasten: Tipps von der Expertin
Beim Fasten tust du dir und deinem Körper etwas Gutes – so viel steht fest. Aber worauf solltest du als Neuling achten?
Von der politischen Waffe zur Wellness-Bewegung: Schon Mahatma Ghandi wusste, wie man die vermeintlichen Grenzen des Körpers durch den Verzicht auf Nahrung überwindet. Er hat im Namen des Pazifismus gefastet. Heute, ein knappes Jahrhundert später, fastet man im Namen der Gesundheit: Übergewicht, Bluthochdruck, Fettleber – das alles soll durch den vorübergehenden Verzicht auf feste Nahrung reduziert werden können.
Leichter gesagt als getan, schließlich hungert niemand gerne. Und auf den Kräfteverlust, der dahinter vermutet wird, hat auch keiner Lust. Deshalb habe ich mit Dr. Eva Lischka von der Fastenklinik Buchinger Wilhelmi am Bodensee darüber gesprochen, wie dein Körper auf den Verzicht auf Nahrung reagiert und was es alles zu beachten gilt.
Heilfasten: Dein Körper kann das
Beim Wort «Verzicht» stellt es vielen bereits die Haare auf. Über einen längeren Zeitraum nichts Festes zu essen, egal ob beim Intervallfasten zuhause oder in einer Fastenklinik, klingt erstmal lebensfeindlich. Muss es aber überhaupt nicht sein, im Gegenteil.
Nach dem Gespräch mit der Heilfasten-Expertin bin ich beruhigt, denn sie sagt: Als gesunder Mensch kannst du grundsätzlich entspannt ans Fasten rangehen, selbst als Neuling. Der Mensch ist physiologisch durchaus fähig, längere Hungerphasen gut zu überstehen. Der Körper greift auf Reserven zurück und es stellen sich einige positive Effekte auf deine Gesundheit ein. Und auch evolutionär macht das Fasten Sinn: Der Körper bleibt leistungsfähig trotz Hungerzeit. Dr. Lischka erklärt: «Wir können auf genügend Reserven während des Fastens zurückgreifen – ein Mensch mit Körpergröße 1 Meter 70 und 70 Kilogramm Körpergewicht bis zu 40 Tage lang.»
Auch die Rückbildung von Muskeln während längerer Fastenzeiten musst du nicht befürchten. Wie Studien zeigen, führt etwa eine 10-tägige Fastenkur in Kombination mit körperlicher Aktivität zu keinem Verlust der Muskelfunktion. Expertin Lischka bestätigt: «Wir beobachten, dass die Leistungsfähigkeit während des Fastens sogar gesteigert wird.»
Gut für die Gesundheit: Was passiert beim Fasten?
Essenz der Fastenkur ist die Autophagie – sprich: die Zellerneuerung. Sind Nährstoffe begrenzt, geraten Zellen unter Stress und schadhafte Proteine oder Organquellen werden eingekapselt und abgebaut. Das erklären Forschende einer Veröffentlichung der Universität Wien.
Die Zellen fressen sich nach einer Zeit mit limitierten Nährstoffen sozusagen selbst. Dieser Prozess vollzieht sich bereits beim Intervallfasten, wenn du zwölf bis 16 Stunden am Stück nichts isst – eine Recyclingfunktion des Körpers, für deren Erforschung der japanische Zellbiologe Yoshinori Osumi 2016 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Außer der Zellerneuerung bringt das Fasten aber eine Reihe anderer Benefits für deine Gesundheit:
Eine Beobachtungsstudie mit 1422 Teilnehmenden zeigte: Periodisches Fasten zwischen vier und 21 Tagen kann Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie Übergewicht, Bauchumfang und Bluthochdruck deutlich reduzieren. Die Autorinnen und Autoren stellten außerdem fest: Während des Fastens wurde kein besonders starkes Hungergefühl beklagt. Im Gegenteil: Die Fastenzeit wurde von den Teilnehmenden als überwiegend angenehm empfunden.
Das liegt unter anderem am Serotonin, dem Glückshormon, das beim Fasten anhaltend stärker wirkt, sagt Dr. Lischka. «Fasten schafft Stressresistenz und eine Zufriedenheit, die man sonst durch nichts Vergleichbares erreicht.» Darüber erhöhe periodisches Fasten die Beweglichkeit, wirke entzündungshemmend und auch Gene könnten dadurch aktiviert werden: «Wenn man Zucker und Eiweiß reduziert, werden Reparatur-Gene eingeschalten. Diese reparieren Vorgänge im Körper, die wir Ärzte vielleicht noch gar nicht genau kennen», sagt Dr. Lischka. Und diese Funktion wiederum könne eine entscheidende Rolle in der Krebsvorsorge spielen.
Fastenarten: Welche Möglichkeiten gibt es?
Du musst nicht zum Genuss-Asket werden, um zu fasten. Im Grunde geht es um die Reduktion von Kalorien. In welcher Form du das machst, bleibt dir selbst überlassen. Das Buchinger-Fasten, wie es auch bei Dr. Lischka am Bodensee angeboten wird, ist wohl eine der bekanntesten Methoden. Die Ernährung besteht hier aus Tee, Gemüsebrühe, Obstsäften und Wasser.
Nicht nur die Kalorien sollen reduziert werden, das Fasten wird zum Anlass für eine Auszeit gegen chronischen Stress mit all seinen Nebeneffekten: «Die Menschen kommen mit erhöhtem Blutdruck, Diabetes, Gefäßveränderungen, Erschöpfung, Burn-Out oder Depression zu uns, viele leiden an entzündlichen Erkrankungen wie Migräne, Arthrose oder Rheuma.» Weil die Ausgangslagen zu Beginn der Fastenkur so unterschiedlich sind, wird der Prozess durch medizinische Tests und psychotherapeutische Angebote begleitet.
Wer nicht auf Teigwaren während des Fastens verzichten möchte, kann sich die Mayr-Methode – oder «Milchsemmerl-Kur» – zu Leibe führen. Sie beruht auf der Überzeugung, dass eine funktionierende Verdauung der Schlüssel zur Gesundheit ist. Hier sind besonders zubereitete Milchbrötchen neben Kräutertee und Wasser erlaubt. Diese sollen lange gekaut und so die Einspeichelung der Nahrung geübt werden. Ein Sättigungsgefühl tritt durch das lange Kauen schneller ein und die Milch liefert wertvolle Eiweiße. Weil dabei nicht gänzlich auf feste Nahrung verzichtet wird, kann die Mayr-Methode für den Fasten-Einstieg empfohlen werden, sagt Dr. Lischka. Hier findest du einen Überblick der Mayr-Kur-Angebote in der Schweiz.
Eine andere Methode für Fasten-Rookies ist das Scheinfasten. Dabei wird die Kalorienzufuhr über fünf Tage halbiert und so die Autophagie angeregt. Dabei solltest du besonders Lebensmittel zu dir nehmen, die Sirtuine aktivieren – körpereigene Enzyme, die der Max-Planck-Gesellschaft zufolge altersbedingten Erkrankungen entgegenwirken. Diese Lebensmittel sind unter anderem Brokkoli, Grünkohl, Äpfel, Heidelbeeren, Walnüsse, Olivenöl, Kaffee oder Kurkuma.
5 Tipps: So überstehst du dein erstes Mal Heilfasten
Dein Körper profitiert in vielerlei Hinsicht von der gelegentlichen Reduktion der Kalorienzufuhr. Die Ziele gehen aber weit über den Verzicht hinaus, sagt Dr. Lischka: «Beim Fasten geht es um die Säulen Ernährung, Bewegung und Stressreduktion.» Sie erklärt, wie du dich auf dein erstes Mal Fasten vorbereiten kannst undwie du die Zeit gut und gesund überstehst.
1. Bereite dich vor: Kaffee und Zucker reduzieren
Vorbereitung ist nicht essenziell, aber sie kann dir den Einstieg in das Fasten erleichtern. Dr. Lischka rät: «Man kann den Kaffee- und Zuckerkonsum in den Tagen vor dem Fasten reduzieren, sonst kommt es möglicherweise zu Entzugskopfschmerzen.» Außerdem rät die Expertin, sich in den Tagen davor eher pflanzlich-mediterran zu ernähren und auf Fleisch weitgehend zu verzichten. Außerdem kann es hilfreich sein, sich vorab über das Fasten und seine Wirkung auf den Körper zu informieren, sagt die Expertin. «Mit dem Wissen, dass der Körper auf Reserven zurückgreifen kann und du dir selbst etwas Gutes tust, kannst du beruhigt in die Fastenzeit starten.»
2. Heilfasten: Zeitpunkt und Dauer
Damit du dich auf die Fastenzeit einlassen und dich auf dich selbst konzentrieren kannst, solltest du den Rahmen gut wählen. Achte darauf, dass du in der Zeit keine wichtigen Prüfungen oder Arbeitstermine hast und schließe alle Termine vorher ab. «Beim Fasten solltest du dich um dich selbst kümmern können. Am besten legst du das Fasten in eine Zeit, in der es gut in den sozialen und beruflichen Kontext passt.» Niemand muss in der klassischen 40-Tages-Zeit vor Ostern fasten.
Dr. Lischka empfiehlt für Einsteigerinnen und Einsteiger, die das erste Mal zuhause fasten, eine überschaubare Fastendauer von wenigen Tagen. «Ohne ärztliche Begleitung sollte man nicht länger als eine Woche zuhause fasten. Denn beim Fasten kann es zu Mängeln kommen, zum Beispiel von Mineralien im Blut.» Auch bei einer Woche Fasten schadet es nicht, sich vorab bei Arzt oder Ärztin ein Blutbild erstellen zu lassen, damit es zu keinen Mangelerscheinungen kommt. Menschen mit Vorerkrankungen fragen ebenfalls besser nach, ob Fasten generell für sie infrage kommt.
3. In der Gruppe fasten
Mach’s dir selbst ein bisschen leichter und faste das erste Mal vielleicht in einer Gruppe statt alleine. Dr. Lischka weiß: «In der Gruppe tauscht man sich aus, man teilt dieselben Schwierigkeiten und hilft sich durch die psychischen Tiefs während des Fastens.» Zudem motiviert dich die Gruppe dazu, in der Fastenzeit aktiv zu bleiben, dich zu bewegen und Ausflüge zu machen. «Man sollte das Soziale beim Fasten nicht unterschätzen.»
Es gibt dafür organisierte Fastenwanderungen. In Gruppe und mit einer erfahrenen Leitung kannst du an Wandertouren teilnehmen und die Fastenzeit so im sozialen Austausch und mit Bewegung begleiten. Bei Fastenwandern.ch findest du einen Überblick über das Angebot in der Schweiz. Wer über die Grenzen hinweg fasten will, besucht die Fasten-Wander-Zentrale: Die Website listet hunderte Fastenwander-Angebote auf, europa- und weltweit.
Auch in Klöstern gibt es die Gelegenheit zum Fasten, meist in der klassischen Fastenzeit. Kloster-Fasten-Angebote findest du zum Beispiel hier. Angeregte Gespräche und sozialen Austausch findest du im Kloster allerdings nicht. Hier geht es um Stille, Einkehr und darum, zu dir zu finden. Letztlich ist es also auch eine Typ-Frage, wie du dein erstes Mal Fasten am besten angehst.
4. Stecke dir beim Fasten realistische Ziele
Du solltest dir für den Anfang keine zu hohen Ziele stecken. Wenn du unbegleitet mit einer strengen Saftkur über einen Zeitraum von 40 Tagen einsteigen willst, läufst du Gefahr, dich selbst zu enttäuschen und dir eventuell zu schaden. «Überleg dir zu Beginn: Wo in meinem Lebensstil sehe ich Probleme? Ist es die falsche Ernährung, zu wenig Bewegung oder zu viel Stress? Dann solltest du dir in allen drei Bereichen Ziele stecken, die sich umsetzen lassen» sagt die Expertin. Denn: «Man braucht kleine Erfolgserlebnisse.» Auf jeden Fall startet jeder Mensch mit einer anderen Ausganglage. Deshalb kann jeder die Fastenzeit sehr individuell nutzen: «Die Fastenziele sehen für jeden anders aus.»
5. Fastenbrechen: Schonend zurück in den Alltag finden
Das Ende des Fastens solltest du schonend zelebrieren. Wie schon in der Vorbereitungszeit solltest du die Tage danach weiterhin auf Fleisch verzichten und stattdessen viel Gemüse essen. «Wir empfehlen eine mediterrane Kost mit vielen guten Ölen und nicht zu viel Obst und Zucker.» Kartoffelsuppe, Apfelkompott, Spinat und andere Gemüsemahlzeiten werden beim Buchinger-Fasten als Gericht zum Fastenbrechen serviert.
Titelfoto: shutterstockIch liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party.