Darf ich mein Kind auf den Mund küssen?
Der ehemalige englische Fussballstar David Beckham hat auf Instagram kürzlich ein Foto gepostet, auf dem er seine zehnjährige Tochter Harper auf den Mund küsst. In der Folge entbrannte eine hitzige Debatte, ob man dies darf oder nicht. Darf er das?
In Zeiten von Social Media posten prominente Persönlichkeiten immer wieder Fotos von sich mit ihren Liebsten. Jüngst auch der ehemalige englische Fussballstar David Beckham. Er stellte ein Foto auf Instragram, auf dem er seiner zehnjährigen Tochter Harper einen dicken Schmatzer auf den Mund gibt.
Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. Während die einen das Foto als Ausdruck väterlicher Zuneigung sahen, stellt der Kuss für andere ganz klar eine Grenzüberschreitung und Verletzung der körperlichen Integrität dar.
Ich selber küsse meine 7-jährige Tochter immer noch hin und wieder auf den Mund und habe mir dabei noch nie etwas gedacht – geschweige denn befürchtet, dass meine Zärtlichkeit als Übergriff wahrgenommen werden könnte. Zurecht? Ist es denn ok, seine Kinder auf den Mund zu küssen, oder ist dieser Akt der Zärtlichkeit Paaren vorenthalten? Ich frage die Psycho- und Sexualtherapeutin Dania Schiftan.
Frau Schiftan, Ex-Fussballstar David Beckham hat ein Bild veröffentlicht, auf dem er seine 10-jährige Tochter küsst. In der Folge entbrannte eine hitzige Debatte, ob man das darf oder nicht. Was sagen Sie als Fachperson dazu?
Dania Schiftan: Ich verfolge solche Diskussionen immer mit grossem Interesse. Man muss dabei immer die gesellschaftlichen Normen berücksichtigen, die zu einer gewissen Zeit und in einer bestimmten Kultur herrschen. Ein Beispiel: Mir ist einmal ein Babymassage-Buch aus den 70er-Jahren in die Hände gefallen. Darin waren auch – wohl angelehnt an die indische Massage-Tradition – Praktiken enthalten, die das Massieren von Geschlechtsteilen beinhalten.
Wirklich?! Das ist heute zum Glück aber nicht mehr salonfähig.
Nein. Auf der einen Seite ist es gut, dass in der Gesellschaft eine Sensibilisierung in Sachen Sexualität und körperlicher Integrität stattgefunden hat und dass Übergriffe heute auch schneller als solche erkannt werden.
Was ist die Kehrseite der Medaille?
Auf der anderen Seite hat teils fast schon eine Entfremdung vom Körperlichen und dem Geschlechtlichen stattgefunden. Nehmen wir das Beispiel vom auf den Mund küssen. Es gibt sicher Väter, die ihr Kind gerne auf den Mund küssen würden, dies aber nicht tun, weil sie das Gefühl haben, sie stünden unter dem Generalverdacht der Pädophilie. Ich bin ziemlich sicher, dass der Aufschrei nicht so gross gewesen wäre, wenn nicht Papa Beckham, sondern Mama Beckham ihrer Tochter ein Müntschi auf den Mund gegeben hätte.
Es gibt Eltern, für die der Mund ihres Kindes eine Tabuzone ist. Können Sie das nachvollziehen.
Natürlich! Entscheidend ist doch, dass man sich als Eltern wohlfühlt bei dem, was man tut. Wenn es sich für Eltern nicht richtig anfühlt, ihr Kind auf den Mund zu küssen, dann ist das absolut legitim. Probleme entstehen dann, wenn wir als Eltern unsicher sind und wenn wir etwas nur tun oder eben unterlassen, weil wir Angst haben oder einer Regel folgen. Ich bringe hier gerne den Vergleich mit dem Stillen. Man ist sich grundsätzlich einig, dass das Stillen wichtig und für das Kind förderlich ist. Und doch ist es 1000 Mal besser, eine Mutter stillt ihr Kind nicht, wenn sie sich dabei unwohl fühlt.
Weshalb?
Weil es dann erwiesenermassen zu einer grossen Stressausschüttung kommt und die Stresshormone über die Muttermilch vom Baby aufgenommen werden.
Grundsätzlich gilt die Regel, dass Kinder uns – verbal oder nonverbal – zu verstehen geben, wie viel Nähe für sie noch ok ist.
Ja. Und als Eltern sollten wir darauf hören und dies respektieren – auch wenn man sich dann zurückgestossen oder abgelehnt fühlt. Das muss man aushalten lernen.
Doch was, wenn meine Tochter mit mir knutschen will? Dann ist es doch an mir, hier eine Grenze zu ziehen?
Kinder möchten manchmal experimentieren. In einer solchen Situation kann man dem Kind einfach sagen, «dass das etwas ist, das ich nur mit dem Mami mache».
Was mich gleich zur nächsten Frage führt: Wir knuddeln, küssen und herzen unsere Kinder von morgens bis abends – insbesondere wenn sie klein sind. Sollten wir einen Teil dieser Zärtlichkeiten nicht besser für unsere Partner aufbewahren?
Nein, das finde ich grundsätzlich nicht. Erstens glaube ich, wir haben unendlich viel Liebe in uns – so viel, dass es für alle reicht. Fragen Sie mal Eltern vor der Geburt ihres zweiten Kindes, ob sie sich vorstellen können, dieses gleich intensiv zu lieben wie das Erstgeborene (lacht). Zweitens würde das Rationieren von Zärtlichkeiten ja bedeuten, dass Erregung und sexuelles Verlangen zwischen Eltern nur durch physische Nähe entstehen kann. Ziel sollte es aber sein, Sexualität auch auf andere Weise zu spüren.
Dania Schiftan arbeitet seit 14 Jahren als Sexologin und Psychotherapeutin in ihrer eigenen Praxis in Zürich. Zudem ist sie auch als Psychologin bei Parship tätig. Mehr über sie und ihren Job erfährst du in diesem Interview:
So also sieht es die Fachperson Dania Schiftan. Doch mich nimmt wunder, was du zu diesem Thema zu sagen hast. Ist es in Ordnung, sein Kind auf den Mund zu küssen? Verrate uns, wie du darüber denkst.
Zweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.