Dampfen statt Rauchen – vom Regen in die Traufe?
«Ich bin Nichtraucher», diese Worte kommen mir noch schwer über die Lippen. Und doch: Nach mehreren Jahrzehnten bin ich von der Zigarette weggekommen. Süchtig bin ich freilich nach wie vor, weshalb ich mittlerweile an E-Zigaretten nuckle.
«Hhh, s’Mami chunt», mit dem Einatmen zu Beginn dieses Spruchs machten zu meiner Zeit ganz viele Jugendliche ihren ersten Lungenzug. Ich auch … um mir danach die Seele aus dem Leib zu husten. Es war ekelhaft. Und gleichzeitig offensichtlich nicht grässlich genug, um mich vom Rauchen abzuhalten. Ja, ich bin süchtig. Auch heute noch, 30 Jahre später. Mittlerweile habe ich wenigstens die herkömmlichen Zigaretten durch eine elektronische ersetzt. Wobei, macht das irgendetwas besser? Klare Antwort: «Ja klar, äh nein, ich mein jein!»
Zumindest mal tabakfrei
Dass du mit Hilfe von E-Zigaretten vom Rauchen wegkommen kannst, zeigen die Ergebnisse einer jüngst veröffentlichten Studie unter Leitung der Universität Bern, der weltweit bislang grössten zum Thema. E-Dampfer seien eine wirksame Hilfe, um mit dem Rauchen von Tabakzigaretten aufzuhören, heisst es darin. Was sie hingegen nicht täten: die Nikotinsucht verringern.
Damit komme ich klar. Ich halte es schon für einen ziemlichen Fortschritt, nach 30 Jahren nicht mehr konstant nach abgestandenem Zigi-Rauch zu stinken. Abgesehen davon fülle ich meine Lunge nun nicht mehr täglich mit einem Giftcocktail. Zu den schädlichen Stoffen in Zigaretten gehören neben dem Nervengift Nikotin auch Arsen (Gift), Radon (radioaktives Gas), Polonium (radioaktiver Abfall) und viele mehr. Von den über 7000 chemischen Stoffen im Tabakrauch sind laut Lungenliga mindestens 250 gesundheitsschädlich, 70 können Krebs erregen. Wenn ich das heute selbst so lese, frage ich mich ernsthaft, warum zum Teufel ich jemals mit so einem hirnverbrannten Blödsinn angefangen habe.
Keine Angst, ich bin nicht so naiv zu glauben, dass ich meinem Körper mit dem Dampfen nun etwas Gutes tue, ich habe lediglich meine Sucht verlagert. Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Folgen des Konsums von E-Zigaretten gibt es bislang nicht. Klar ist, dass sie ebenfalls schädliche Substanzen freisetzen, auch wenn es laut Fachleuten deutlich weniger sein dürften als bei der Tabakzigarette. Trotzdem: Die Weltgesundheitsorganisation warnt davor, Australien kämpft mit Einfuhrverboten gegen die Verbreitung der Verdampfer im eigenen Land und Grossbritannien will zum Schutz von Minderjährigen zumindest die Einweg-Vapes verbieten.
Todesengel Tabak
Zurück zum Rauchen: Dass das ungesund ist, um nicht zu sagen potenziell tödlich, wissen heute alle, und zwar nicht erst seit dem Film «Thank you for Smoking». Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit deklariert den Tabakkonsum als eines der grössten Probleme der öffentlichen Gesundheit. Tabak gilt als wichtigster Risikofaktor für chronisch nicht übertragbare Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Jedes Jahr sterben in der Schweiz etwa 9500 Menschen vorzeitig an den Folgen des Tabakkonsums, das sind 26 pro Tag. Weltweit sind es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation mehr als acht Millionen Menschen pro Jahr – damit ist Tabak für rund ein Siebtel aller Todesfälle verantwortlich.
Der lange Weg weg vom Tabak
Den Wechsel von Rauch zu Dampf habe ich nicht von heute auf morgen vollzogen. Im Gegenteil, dieser Prozess dauerte mehrere Jahre. Den Gedanken, vom blauen Dunst wegzukommen, trug ich hingegen schon viel länger mit mir rum. Bloss wie? Nikotinpflaster und -kaugummis, Hypnose oder kalter Entzug, all diese Entwöhnungsmassnahmen erschienen mir entweder nicht praktikabel oder traute ich mir nicht zu.
Zum ersten Mal ernsthaft interessiert war ich, als ein damaliger Arbeitskollege von seiner E-Zigarette schwärmte und erzählte, wie er damit von einem Tag auf den anderen den Tabakzigaretten abgeschworen hatte. Was der kann, kann ich schon lange, dachte ich mir. Rückblickend war das falsch: Es folgte eine längere Zeit, in der ich zweigleisig fuhr, rauchend und vapend. Ich habe die E-Zigi nämlich lange nur als komplementäres Mittel zur Suchtbefriedigung genutzt und gar nicht als vollständigen Rauchersatz betrachtet.
Langsam aber sicher wurden die Dampfwolken dann doch immer mehr – und die Rauchschwaden umso weniger. Inzwischen habe ich den Turnaround vollzogen und dampfe nur noch. Auch eine potenzielle Rückfallgefahr habe ich seither erfolgreich gemeistert: Am Geburtstagsfest einer Freundin habe ich trotz des Konsums des einen oder anderen alkoholischen Getränks brav gedampft, während die anderen Zigis rauchten. Ich bin ein bisschen stolz auf mich.
Die Sucht im Kopf
Warum hat das bei mir so lange gedauert? Nun, ganz offensichtlich bin ich nicht so willensstark wie der besagte Arbeitskollege, der den Wechsel von Rauch zu Dampf Knall auf Fall vollziehen konnte. Körperlich spüre ich ehrlich gesagt bislang gar nichts von diesem Wechsel, ich lasse mich schliesslich weiterhin mit Nikotin vergiften.
Viel schlimmer und langwieriger war es, die Psyche darauf einzustellen. Mein Kopf war nicht bereit, jahrelange Rauchgewohnheiten wie die erste Zigarette am Morgen oder die nach dem Essen so einfach aufzugeben. Auch dass ich zum Dampfen vor die Tür soll, wollte mir lange nicht in den Kopf. «Wenn es nicht Rauchen ist, warum wird es dann so behandelt?!», haderte mein Kopf jeweils. Das alles brauchte Zeit, jedenfalls bei mir.
Meine unheilige Dreifaltigkeit des Dampfens
Ich trage immer noch jeden Tag eine angefangene Schachtel Zigaretten mit mir rum, just in case. Ein ganzes Päckli aus meiner Tasche habe ich meinem Chef vermacht, während ich diese Zeilen schrieb. Fairerweise muss ich an dieser Stelle sagen, dass ich erst seit rund zwei Wochen komplett tabakfrei bin. Keine Ahnung, ob und wie lange das gut geht, Stand heute bin ich zuversichtlich.
Beim Dampfen fahre ich aktuell noch dreigleisig, weil ich verschiedene Systeme ausprobiert habe. Die E-Zigarette befülle ich selbst mit E-Liquids, die mit Nikotin versetzt sind. Ich finde, sie sieht ein bisschen aus wie der Griff eines Lichtschwerts, deshalb habe ich beim Gebrauch immer leichte Jedi-Vibes. Der kleinere Verdampfer mit Kartuschen-System wiederum mutet an wie ein zu gross geratener USB-Stick mit Mundstück. Ihn brauche ich inzwischen nur noch selten, auch wenn er eigentlich um einiges handlicher wäre als das «Lichtschwert».
Zu meiner Schande muss ich eingestehen, dass ich auch noch ein paar Wegwerf-Vapes zuhause habe. Sind die erst mal weggedampft, kaufe ich sicher keine mehr. Was meine Probleme mit diesen Produkten sind, fragst du dich? Das erkläre ich dir in einem meiner nächsten Beiträge gerne ausführlich. Es liegt jedenfalls nicht nur daran, dass ich es moralisch verwerflich finde, derart schamlos Minderjährige als Zielpublikum anzuvisieren. Dass wir haufenweise Wegwerf-Vapes im Sortiment haben, ist mir dabei durchaus bewusst, ja.
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Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen.