Ausprobiert: 10 000 Schritte am Tag mit unerwarteten Schwierigkeiten
Hintergrund

Ausprobiert: 10 000 Schritte am Tag mit unerwarteten Schwierigkeiten

Anna Sandner
13.9.2024

Die Idee war einfach: Ich will 10 000 Schritte am Tag zurücklegen. Die Umsetzung brachte unerwartete Schwierigkeiten mit sich – und die erste fast gescheiterte Ausprobiert-Woche. Warum, liest du hier.

Obwohl ich einen klassischen Job im Dauersitzen habe, ging ich bislang davon aus, mich ausreichend zu bewegen. Als Mama und Katzenfutter-Dosenöffnerin sitze ich gefühlt nie länger als drei Minuten unbehelligt irgendwo herum. Durch meine Leidenschaft fürs Gärtnern, meine Fahrradliebe und den Drang, viel im Freien zu sein, halte ich mich durchaus für zumindest durchschnittlich aktiv. Nun will ich herausfinden, ob meine Vermutungen tatsächlich stimmen, oder ob ich meine Selbstbewertung unbewusst geschönt habe.

Eine Woche (mindestens) will ich akribisch überprüfen, ob ich die aus gesundheitlicher Sicht empfohlenen 10 000 Schritte am Tag tatsächlich ableiste. Und gegebenenfalls meinem Schrittziel hinterherlaufen.

Müssen es wirklich 10 000 Schritte sein?

Ein kleiner Einschub an dieser Stelle: 10 000 Schritte haben wohl die meisten als Richtwert im Kopf, wenn es darum geht, wie viel Bewegung gesund ist. Dass sich diese Zahl nicht wissenschaftlich belegen lässt und warum sie auf einen Marketing-Gag zurück geht, liest du hier:

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    Der 10 000-Schritte-Schwindel

    von Vanessa Kim

Ein paar (tausend) Schritte hin oder her, mir geht es ums Prinzip: Mehr Bewegung tut gut und davon will ich profitieren.

Wie viele Schritte gehe ich überhaupt im Durchschnitt?

Bevor ich mit der Challenge loslege, will ich mich nicht auf meine bisherige Vermutung á la «Bestimmt, vermutlich, so ungefähr ausreichend viele Schritte am Tag mache ich schon irgendwie» verlassen. Ich brauche meinen tatsächlichen, durchschnittlichen Schritt-Status-Quo. Und das stellt sich als größere Schwierigkeit heraus, als vermutet. Mein Handy als Tracker fällt als verlässliche Quelle raus. Dafür habe ich es im Laufe des Tages zu selten dabei, wenn ich mich bewege. Auch der Versuch, es bewusst durchgehend mitzunehmen, war erfolglos. Ich vergesse es schlicht zu oft.

Die zweite Wahl sollte ein Schrittzähler sein, den ich letztes Jahr bei der Weihnachtslotterie gewonnen habe und der seither einsam in einer Schublade verstaubt. Doch auch hier kapituliere ich schnell: Ich müsste dafür eine passende App auf mein Smartphone laden, die jede Menge Gesundheitsdaten sammelt und an das zugehörige chinesische Unternehmen weiterleitet. Nope, das ist mir nicht geheuer.

Ein Schrittzähler, der nicht richtig zählen kann

So wird es Option Nummer drei: ein simpler, günstiger Schrittzähler ohne weiteren Schnickschnack, Apps und Datenübermittlung. In meiner fünftägigen Testphase vor der Ausprobiert-Woche muss ich allerdings auch diesen Schrittzähler erst mal auf die Realität kalibrieren. Sprich: Ich brauche einen Umrechnungsfaktor von den gezählten auf die wirklich gemachten Schritte. Das gute Ding unterschlägt nämlich so manchen meiner getanen Schritte. Es scheint zum Beispiel erst nach einer bestimmten Anzahl Schritte überhaupt mal aufzuwachen, dafür bringt dann aber Fahrradfahren Unmengen an nicht getanen Schritten auf die Anzeige.

Mit diesem Ungenauigkeitsproblem bin ich übrigens nicht allein. Wenn dich das Thema genauer interessiert, kannst du dich hier schlau machen:

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    Wann ist ein Schritt ein Schritt? Ein Review untersucht, was Activity-Tracker taugen

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So steht bereits vor Beginn meiner Versuchswoche fest: Es geht mehr um Annäherung als um konkrete Zahlen. Bewege ich mich eher im 2000- bis 3000-Schritt-Bereich oder spiele ich in der fünfstelligen Schritt-Kategorie mit? Und sehe ich eine Steigerung nach oben im Laufe meiner Ausprobiert-Woche? Oder bleibt meine Schrittzahl etwa gleich?

Tag 1: der erste Schritt von vielen weiteren

Meine Auswertung vor der Versuchswoche ergab schon die erste nüchterne Erkenntnis: Ich bewege mich weniger als vermutet. Nun war es Ferienzeit, gefüllt mit einigen gemütlichen Rumhänge-Tagen und frei vom üblichen Alltags-Gerenne. Trotzdem: Durchschnittlich liege ich in dieser Zeit bei etwa 5000 bis 6000 Schritten am Tag. Da geht doch sicher mehr!

Am ersten Tag meiner Challenge spielt mir das Glück in die Hände, besser gesagt in die Füße: Die Ferien neigen sich dem Ende entgegen, sodass ich die Zeit mit meinem Sohn nochmal nutzen möchte. Wir gehen ins Schwimmbad und zwar in ein riesiges mit unzähligen Wasserrutschen. Dementsprechend viele Treppenstufen warten auf mich und meinen Schrittzähler. Zusammen mit dem, was ich am restlichen Tag noch hinter mich bringe, schaffe ich das 10 000-Schritte-Ziel heute problemlos.

Der Blick auf den Schrittzähler ist diese Woche allgegenwärtig.
Der Blick auf den Schrittzähler ist diese Woche allgegenwärtig.
Quelle: Anna Sandner

Tag 2: Vom Sitzen wird der Zähler nicht voll

Am zweiten Tag sitze ich wieder vor meinem Bildschirm und arbeite. So wird das schwierig mit den vielen Schritten. Und so kommt es auch: Am frühen Nachmittag zeigt mein Zähler nicht einmal 3000 Schritte an. Ein schrittreicher Plan für den Feierabend muss her, also geht es mit meinem Sohn direkt nach der Arbeit auf den Bolzplatz. Das läuft – im wahrsten Sinne des Wortes: über 4000 Schritte plus. Für das Tagesziel fehlt allerdings noch ein bisschen was. Zu Hause räume ich völlig uneffizient jedes Teil einzeln an seinen Ort, dadurch lege ich innerhalb der Wohnung einiges an Schritten zurück. Und erreiche schließlich auch heute mein Schrittziel.

Tag 3, 4 und 5: Allgegenwärtige Schritt-Zählerei, ist das sinnvoll?

Im Laufe der nächsten Tage merke ich, dass mich das Schrittezählen den ganzen Tag verfolgt. Ich fange an, völlig unsinnige Wege zurückzulegen und wie ein eingesperrtes Tier im Kreis zu rennen. Das liegt an dem Schrittzähler an meinem Handgelenk. Ich trage dort normalerweise eine Uhr, deswegen schaue ich immer wieder auf den Zähler in der unbewussten Erwartung der Uhrzeit. Dieser Blick animiert mich dann, nochmal ein paar Schritte drauf zu legen. So wandere ich von der Küche ins Bad, über das Wohnzimmer ins Arbeitszimmer und wieder zurück. Jetzt komme ich zwar in Bewegung und dem Schrittziel näher, albern fühlt es sich trotzdem an. Und es lenkt mich von allem anderen ab, was ich eigentlich zu tun hätte. Zumal mein eigenwilliger Schrittzähler ohnehin nach eigenem Ermessen mitzuzählen scheint, oder eben auch nicht.

Pi-mal-Daumen schaffe ich am dritten, vierten und fünften Tag ebenfalls das gesetzte Ziel, freue mich aber schon auf das Ende der Woche, wenn ich nicht mehr ständig auf jeden Schritt achten muss.

Tag 6 und 7: Rasenmähen hilft, Kanufahren erstaunlicherweise auch

Am sechsten und siebten Tag stehen (glücklicherweise) einige Erledigungen an, die ich ausschließlich zu Fuß bestreite. Zugegeben: Für den ein oder anderen Weg davon hätte ich andernfalls das Rad oder Moped genommen. Das Schrittezählen hat mir damit vermutlich mehr Bewegung eingebracht, als ich ohne die lästige Dauererinnerung am Handgelenk zurückgelegt hätte.

Trotzdem stelle ich am Nachmittag des sechsten Tages fest, dass es knapp werden könnte. Also entscheide ich mich, doch noch den Rasen zu mähen, das ist ohnehin dringend nötig. Ich drehe meine Runden und erreiche mit den zusätzlichen Schritten schließlich auch heute mein Ziel.

Doppelt effektiv: Beim Rasenmähen hüpft mein Schrittzähler vor Freude und ich schiebe den Teil der Gartenarbeit nicht weiter vor mir her.
Doppelt effektiv: Beim Rasenmähen hüpft mein Schrittzähler vor Freude und ich schiebe den Teil der Gartenarbeit nicht weiter vor mir her.
Quelle: Anna Sandner

Einen noch besseren Effekt auf den Schrittzähler hat am folgenden Tag etwas Unerwartetes: eine Kanufahrt. Ob es am Paddeln (also der Armbewegung kombiniert mit dem räumlichen Vorankommen) lag oder mein zählender Begleiter einfach Mitleid bekommen hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall verschafft mir eine Stunde sitzend im Kanu knapp 3000 Schritte mehr auf dem Zähler. Ohne die hätte ich mein heutiges Tagesziel verpasst. Oder anders gesagt: Heute habe ich die 10 000 Schritte lediglich auf dem Zähler erreicht. Bewegung hatte ich trotzdem ausreichend und das bringt mich auch schon langsam zum Fazit dieser Ausprobiert-Woche.

Fazit: (Fast) Scheitern mit Mehrwert

Wenn ich ganz ehrlich Fazit ziehe, muss ich wohl zugeben: Ich bin erstmals bei einer Ausprobiert-Woche gescheitert. Nach Kaffee-Entzug, Pilates-Challenge, veganer Ernährung und Co. hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich vor simplem Schrittezählen kapituliere. Und mit einem zugedrückten Auge könnte ich behaupten, es ja schon durchgezogen zu haben. Aber so sehr ich mich bemüht habe, die vom Schrittzähler gezählten Schritte in die tatsächlich gemachten Schritte umzurechnen, am Ende bleibt es doch eher eine Schätzung.

Von der genauen Anzahl der Schritte aber mal abgesehen, hat mir aber auch diese Woche Erkenntnisse mitgegeben: Ich bewege mich im Alltag weniger, als ich dachte. Dafür bringen kleine Gänge (etwa zum Bäcker oder beim Aufräumen zuhause) mehr Schritte, als erwartet. Der Schrittzähler weckt meinen Kampfgeist und animiert zu mehr Bewegung.

Was bleibt? Der Vorsatz für einen Teil 2 dieser Geschichte: Nach all dem Ärger über nicht oder zu viel gezählte Schritte und der Zeit, die ich mit Testen und Zählen verschwendet habe, will ich’s jetzt wissen und einen verlässlichen Schrittzähler auftun. Bin ich fündig geworden, werde ich die Woche wiederholen.

Hast du eine Empfehlung? Dann schreibe es gerne in die Kommentare.

Und wenn du wissen willst, wie ich mich in den anderen Ausprobiert-Wochen geschlagen habe, kannst du hier mehr lesen:

  • Hintergrund

    Ausprobiert: Gesunde Gewohnheiten im Selbstversuch

    von Anna Sandner

Titelbild: Anna Sandner

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Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.


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