Andi be free: Über Retouren, Bewertungen und Plagiate
Wir verkaufen die Kopfhörer, Powerbanks und Charger der Schweizer Marke «Andi be free» bei uns im Shop. Dabei sorgen sie in der digitec-Community für einige Unstimmigkeiten. Ich habe den Geschäftsführer des Start-Ups damit konfrontiert.
Als ich über den ersten Kopfhörer des Schweizer Start-Ups Andi be free berichtet hatte, kam aus der Digitec-Community viel Kritik. «Wieder ein China-Schrott, der vermutlich klingt, wie wenn man einen Lautsprecher in einem Ochsner-Kübel rattern lässt», war noch einer der netteren Kommentare unter dem Artikel. Es stimmt: Der Kopfhörer wird – wie die meisten Elektronikgeräte heutzutage – in China produziert. Entwickelt wurde er jedoch, sagt der Hersteller, in Siebnen, Kanton Schwyz.
Seit meinem Review gab’s nun einige Vorfälle mit der Marke Andi be free – dabei wird die von mir herausgehobene Ehrlichkeit des Unternehmens stark in Frage gestellt. Denn die Kopfhörer erhalten nicht nur viel Kritik aus der Community, sondern sie werden auch häufig zurückgeschickt. Auch gab es Vorwürfe aus der Community, Mitarbeitende und Bekannte von Andi be free würden bei uns Fake-Bewertungen aufschalten. Zudem gibt’s bei den Wireless Chargern der Marke einige Unstimmigkeiten: Bei diesen kam der Verdacht auf, dass dieselben Produkte auf AliExpress zu finden sind. Also würde bei uns ein No-Name Produkt unter der Marke Andi be free teuer verkauft. Ich will wissen, was an den Vorwürfen konkret dran ist.
Punkt 1: die Retouren
In meinem Beitrag empfahl ich den Concert 1-Kopfhörer nur bedingt – wobei ich den Kopfhörer selbst nur kurz getestet hatte. Nun zeigt sich: Vom Concert 1 erhalten wir sehr viele Retouren – die Quote liegt bei fast 25 Prozent. Die Retouren- und Garantiefallquote zeigen wir seit Anfang dieses Jahres bei allen Produkten.
Diese 25 Prozent sind sehr hoch. Und ist übrigens bisher nur eine interne und vorläufige Zahl. Erst wenn wir eine grössere Menge an Verkaufsdaten haben, wird diese auf der Produktseite angezeigt. Bei den Kopfhörern hat bei uns nur Nokia mit 28,8 Prozent eine noch höhere Retourenquote.
Ich frage Jonas Wohler, Co-CEO von Andi be free, wie er sich diese hohe Quote erklären kann. «Eine Erklärung dafür habe ich nicht, da wir bei uns eine Retourenquote beim Concert 1 von rund acht Prozent haben, was ebenfalls über unserem Schnitt liegt, aber deutlich tiefer ist als jene bei euch.» Mit «bei uns» meint Wohler den eigenen Andi be free-Onlineshop. Der Concert 1 wird auch dort verkauft. Weiter schreibt mir Wohler: «Es scheint mir, dass die Erwartungen eurer Kundschaft nicht erfüllt werden. Was der genaue Grund dafür ist, würde auch uns interessieren.»
Wichtig bei dem Ganzen: Die Retourenquote ist nicht dasselbe wie die Garantiequote. Das heisst, der Concert 1 ist bei den meisten Kundinnen und Kunden nicht kaputt gegangen, sondern gefiel nicht und wurde daher zurückgesendet. Die Garantiefallquote – also Kopfhörer, die einen Defekt vorweisen, beträgt beim Concert 1 lediglich zwei Prozent. Damit ist er im Vergleich zu anderen Kopfhörern im soliden Mittelfeld.
Die retournierten Geräte sind übrigens auf unserer Wiederverkaufsplattform gelandet. Dies zu sehr unterschiedlichen Preisen, da der Concert 1 zunächst teurer verkauft wurde.
Punkt 2: die Bewertungen
Dass der Concert 1 in unserem Shop auf eher wenig Anklang stösst, zeigt sich bei den Bewertungen. Spannend ist hier zunächst die Verteilung: Zwischen einem oder fünf Sternen gibt’s nicht viel.
Schaut man sich die Bewertungen zum Concert 1 direkt im Andi be free-Onlineshop an, erhält der Kopfhörer durchgehend Fünf-Sterne-Bewertungen. Auf diese frappante Diskrepanz zu den Digitec-Bewertungen angesprochen, erklärt Wohler: «Die Bewertungen vom Concert 1 auf unserem Webshop andibefree.ch und andibefree.de stammen von unseren Kundinnen und Kunden. Wir verwenden die App review.io, damit ist ein Management der Bewertungen nicht möglich, sprich es können keine schlechten Bewertungen ausgesteuert werden.»
Der Grund, dass die Bewertungen auf Digitec hingegen weitaus schlechter ausfallen, vermutet Wohler in der «negativen Dynamik», die in den Kommentaren meines Hintergrund-Beitrags zum Concert 1 entstanden sei.
In einigen der schlecht ausfallenden Bewertungen auf Digitec werden – zusätzlich zu den Kritikpunkten am Kopfhörer – die Vorwürfe nach Fake-Bewertungen von Mitarbeitenden oder Bekannten von Andi be free laut. User Sebas schreibt: «Auch ich habe mich von den tollen Bewertungen damals verleiten lassen, welche nachweislich nur Andi be free Produkte bewertet hatten. Kann ja durchaus sein, dass es die vier grössten Andi be free Fans waren und sich nur deshalb bei Galaxus registriert haben. Bei mir kommt aber der Verdacht auf, dass das Produkt bewusst gepusht wurde.»
Auch User c.andy bläst ins selbe Horn: «Auch fast auf die anfänglich noch sehr guten Produktbewertungen reingefallen…aber dann plötzlich misstrauisch geworden: Sämtliche dieser Bewertungen wurden vor rund 2 Monaten verfasst 🤔Dann mal aufs Geratewohl nach einem dieser Rezensenten, nämlich ‘Remostaubli’ gegoogelt:
- Ehemaliger Fussballprofi… Cool!
- Absolvent der HSG… Respekt!
- Investor Tecflower AG… Et voilà! »
Wenn man heute die Bewertung von «Remostaubli» finden will, sucht man vergeblich. Unser Community-Team hat sie bereits vor einiger Zeit gelöscht. Da die Bewertung von einem Investor des Unternehmens abgegeben wurde, ist sie klar befangen – und damit unlauter.
Ich konfrontiere Jonas Wohler mit den obigen Punkten. Er schreibt mir: «Es gibt einige Andi be free Fans unter unseren rund 20’000 Kundinnen und Kunden, und ich schliesse nicht aus, dass ein paar wenige davon eine Bewertung abgegeben haben. Wir haben jedoch im Eigeninteresse niemanden dazu angehalten, positive Bewertungen abzugeben. Ich denke für euch ist es einfacher als für uns zu evaluieren, wer hinter den einzelnen Bewertungen steht.»
Das stimmt, wir bei Digitec sehen natürlich, wer hinter einer Bewertung steht. Schauen wir uns also die Profile der verbleibenden, guten Bewertungen zum Concert 1 an. Es sind am 12. Mai noch acht, welche den Kopfhörer mit mehr als vier Sternen bewertet haben. Zunächst: User frederic. Mit dem vollen Namen hinter dem Profil kann ich ihn nicht dem Umfeld von Andi be free oder Tecflower zuordnen. Auch die Bewertung von peter.piana2010 lässt sich nicht zuordnen. Dasselbe gilt für User mNeumi08 und TONIS386. Alle diese Profile haben zudem auch andere Produkte aus unserem Sortiment bewertet.
Das kann hingegen vom Profil von YaraS779 nicht behauptet werden. Dieses hat nur Produkte von Andi be free bewertet – und diese alle als sehr gut befunden. Mit dem vollen Namen hinter dem Profil kann ich es aber nicht klar zu Andi be free oder Tecflower zuordnen. Dasselbe Spiel beim Profil von schillingjoelle: Es gibt nur eine Bewertung zum Andi-be-free-Kopfhörer. Aber einen sonstigen Bezug zum Unternehmensumfeld finde ich nicht.
Dann bleiben noch zwei Profile: SmaAP und DamRaphael. Sie beide haben den Concert 1 mit fünf Sternen bewertet. Und sie beide bringe ich mit dem vollen Namen hinter den User-Namen sehr klar mit Andi be free und Tecflower in Verbindung. Eine der Personen arbeitet in der Geschäftsleitung, die andere im Marketing von je einer der beiden Teilfirmen.
Die beiden klar zu Andi be free zuordnungsbaren Bewertungen haben wir demnach entfernt. Wie die Bewertung von «Remostaubli» sind auch diese klar befangen und nicht aus einem neutralen Standpunkt verfasst.
Das sagt der Anwalt zu Fake-Bewertungen
Ich frage bei Martin Steiger, Anwalt und Unternehmer für Recht im digitalen Raum nach, wie die rechtliche Situation bezüglich Unternehmen, die wie Andi be free ihre eigenen Produkte bewerten, aussieht. Er schreibt mir: «Ich gehe davon aus, dass nicht deklarierte positive Bewertungen in eigener Sache unlauteren Wettbewerb darstellen können.»
Dazu zitiert Steiger Art. 3 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb:
Im Einzelfall müsse jedoch mit einem Strafantrag oder einer Zivilklage geklärt werden, ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliege, so Steiger. Und weiter führt er aus: «Die Spielregeln von Digitec Galaxus schliessen übrigens Bewertungen in eigener Sache nicht ausdrücklich aus.» Guter Hinweis. Deshalb prüfen wir intern derzeit, diesen Punkt noch explizit in unsere Richtlinien aufzunehmen – obwohl Widerrechtliches nicht explizit erwähnt werden müsste, ist es schliesslich effizienter, fehlbare Unternehmen auf die Spielregeln unserer Plattform zu verweisen, statt die allgemeine Rechtslage zitieren zu müssen.
Punkt 3: die Plagiate
Es kam – ebenfalls in den Produkt-Bewertungen – der Verdacht auf, dass die Wireless-Charger von Andi be free identisch auf AliExpress zu finden sind und somit einfach No-Name Produkte teuer unter der Schweizer Marke verkauft würden. Dieses Vorgehen nennt sich auch «White Labelling».
Auch diesen Punkt habe ich Jonas Wohler von Andi be free vorgelegt. Er schreibt mir:
«Ich kann dir versichern, dass wir keine White-Label-Produkte von Alibaba verkaufen. Unsere Produkte werden von uns entworfen und entwickelt in der Schweiz, und wir arbeiten eng mit unseren Lieferanten zusammen, um sicherzustellen, dass die von uns angebotenen Produkte unseren hohen Qualitätsstandards entsprechen.»
Dazu verlinkt mir Wohler das Patent der Andi be free-Charging-Station. Dieses schützt und zertifiziert das Produkt bei der WIPO, der Weltorganisation für geistiges Eigentum. «Wir haben den Designschutz sowie ein Patent auf die Entwicklung.» Dennoch würden ihre Wireless-Charger kopiert und auf den üblichen Plattformen angeboten, so Wohler.
Dazu holt Wohler zum Gegenschlag aus: «Für uns als Entwickler und Verkäufer sind falsche Behauptungen in den Kommentaren ein Problem» – er bezieht sich auf oben gezeigten Kommentar – «Das Produkt wurde komplett von uns entwickelt, designt und von Apple zertifiziert. Wie du dir vorstellen kannst, ist der Zertifizierung-Prozess von Apple sehr aufwändig und die Kriterien sind hart, damit ein Produkt überhaupt zertifiziert wird.» Dass bei uns Kundinnen und Kunden Produkte bewerten können, die sie nicht gekauft haben, bezeichnet Wohler als Problem. Wir haben diese Möglichkeit bei den Bewertungen jedoch bewusst belassen, schliesslich könnte jemand ein Produkt auch bewerten, wenn er oder sie es woanders gekauft hat. Unterhalb der Bewertungen ist jedoch immer ersichtlich, ob das Produkt vom Bewertenden bei uns erworben wurde oder nicht.
Bei der Recherche zu diesem Artikel ist mir auch aufgefallen, dass die MagPowerbank von Andi be free in sehr ähnlicher Ausführung unter anderem auf AliExpress zu finden ist.
Wohler erklärt mir dazu: «Bei den von dir erwähnten Produkten entspricht keines der MagPowerbank von Andi be free, ausser sie wird dort illegal verkauft. Unsere MagPowerbank wurde mit unserem Hersteller weiterentwickelt und es gibt somit keine gleiche magnetische Powerbank auf dem Schweizer Markt. Dies sind vertragliche Vereinbarungen mit unserem Hersteller.»
Schaut man sich das gesamte Sortiment dieser Powerbanks – zum Beispiel auch jene von Anker genauer an, zeigt sich: Sie sind wohl alle in Anlehnung zur Powerbank von Apple gestaltet – was teilweise in der Natur der Sache liegt, da die Magnete zum Laden in dieser Ringform auch in den iPhones verbaut sind.
Wohler sagt abschliessend: «Es gibt weltweit verschiedene ähnliche Powerbanks, die sich jedoch von unseren unterscheiden, nicht jedoch von jenen, welche etwa Anker anbietet. Alle unsere Produkte sind streng zertifiziert. Ich bezweifle stark, dass die von dir erwähnten Powerbanks diese Zertifikate vorweisen können.»
Fazit: Wir bleiben wachsam
Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Teilweise hat sich die Firma Andi be free mit den Fake-Bewertungen, die die Community aufgedeckt hat, keinen Gefallen getan. Gleichzeitig wurden auch seitens der Communtiy Anschuldigungen erhoben, die sich nicht erhärten liessen. Mit dem Patent zeigt Wohler, dass sie zumindest die Charging-Produkte nicht kopiert haben und dort kein White-Labeling mit billigen Produkten anderer Hersteller betrieben haben.
Die Fake-Bewertungen sind für uns als Onlineshop jedoch ein Ärgernis. Kann es wieder passieren, dass Hersteller, die klar befangen sind, bei uns Bewertungen abgeben? Ja. Leider. Wir arbeiten stets daran, die Lieferanten und Bewertungen auf den Shop-Plattformen zu prüfen. Gerade kürzlich hat ein Hersteller versucht, Fake-Bewertungen auf unserer Plattform abzugeben – woraufhin das Community-Team über 60 Bewertungen entfernen musste. Mit dem wachsenden Sortiment kommen immer mehr Produkte und damit auch mehr Möglichkeiten für unlauteres Verhalten – was dann in einem Katz-und-Maus-Spiel mit den Fake-Bewertungen resultieren kann.
Unser Community-Manger Fabian Zaugg erklärt mir dazu: «Wir sehen jeweils, wenn dieselben Konten ähnliche Bewertungen in einer unnatürlichen Menge posten. Dem gehen wir nach und entfernen diese. Und auch unsere Einkäuferinnen und Einkäufer werden über fehlbare Hersteller informiert.»
Und zum Schluss noch, für Kennerinnen und Kenner des Digitec-Galaxus-Umfelds: Ein ähnliches Problem mit einem Schweizer Unternehmen hatten wir bereits vor einiger Zeit drüben auf Galaxus. Damals ist ein Beautyprodukte-Vertrieb mit Fake-Bewertungen und sonstigen ominösen Geschäftspraktiken aufgefallen. Auch dort konnten wir mithilfe der Community für mehr Transparenz sorgen und Fake-Bewertungen aus dem Shop entfernen. Darum sage ich Danke – und bleibt weiterhin eine so tolle sowie aufmerksame Community!
Update 16. Mai: Unterdessen hat eine Onlinezeitung über diesen Artikel berichtet. Co-CEO Jonas Wohler gibt darin an, nichts von diesem Beitrag gewusst zu haben und überrumpelt worden zu sein. In meiner Rolle als Editor hatte ich ihn konkret um Statements sowie einer Stellungnahme zu den vorliegenden Ungereimtheiten gebeten – dass diese in einem Artikel benutzt werden, ist selbstredend. Ich hatte stets nur in meiner Rolle als Editor mit Wohler Kontakt. Die von ihm hier abgegeben Zitate habe ich teils kürzen müssen, aber keineswegs aus dem Zusammenhang gerissen. Wohler gibt im Nachhinein an, dass die Aussage, keine White-Label-Produkte zu verkaufen, lediglich im Kontext der Ladegeräte gelte. Gleichzeitig schreibt er, sie würden alle ihre Produkte grundsätzlich selbst entwickeln.
Titelfoto: Livia GamperExperimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival.