Alter Hund, was nun? Wie du mit einem tauben Hund kommunizierst
Hintergrund

Alter Hund, was nun? Wie du mit einem tauben Hund kommunizierst

Mareike Steger
12.10.2023

Bei Hunde-Senioren lassen oft die Ohren und Augen nach. Kommunizieren muss man mit ihnen trotzdem. Wie geht man mit einem tauben Hund Gassi, ohne in Sorge zu sein, ihn zu verlieren? Sind Tracking-Apps und vibrierende Halsbänder die Lösung? Jein, sagen zwei Fachleute.

Bis dass der Tod euch scheidet: Wer sich ein Haustier wie einen Hund zulegt, übernimmt dafür die Verantwortung – bis zum Ende. Wann dieses Ende eintritt, hängt von der Rasse und Größe ab: In der Regel sterben große Hunde früher, weil sie schneller altern, wie Cornelia Kraus von der Universität Göttingen herausgefunden hat. Ihre Studie mit Daten von mehr als 50 000 Hunden und 74 verschiedenen Rassen ist 2013 im «The American Naturalist» erschienen. Im Schnitt erreichen Hunde ein Alter zwischen 8 und 14 Jahren.

Manchmal ist der lange Weg hin zum Abschied vom Haustier durchaus herausfordernd: Was tust du beispielsweise, wenn dein Hund taub wird? Auf Kommandos hört er nicht mehr und mit immer trüberen Augen sieht er deine Sichtzeichen auch nicht mehr gut. Wie also kommunizierst du mit einem tauben und womöglich blinden Hund?

Dein Hund wird alt: Darauf musst du dich einstellen

Zum Glück gibt es Wege und Mittel. Ich habe bei zwei Menschen nachgefragt, die es wissen müssen: André Vogt, Hundetrainer und Inhaber der Hundeschule Vogt, sowie Karin Führer, Hundetrainerin bei Conny Sporrer - Martin Rütter Dogs Wien. Beide trainieren Hunde vom Welpen- bis Seniorenalter und haben zudem eigene Hunde beim Altwerden begleitet.

1. Welche Anzeichen gibt es für Herrli und Frauli, dass sich bei ihrem alternden Hund etwas ändert?

«Das passiert schleichend und nicht von heute auf morgen. Somit ändert man auch seine Kommunikation mit dem Hund nicht sofort», sagt Karin Führer. «Anfangs ist man sich nicht sicher. Bei einer meiner Hündinnen, sie ist 15, habe ich eine selektive Taubheit wahrgenommen: Schuhe anziehen hat sie nicht mehr gehört, das Öffnen der Kühlschranktür aber sehr wohl. Man muss es austesten, etwa beim Spaziergang in einer abwechslungsarmen Situation. Ruf deinen Hund immer wieder, um herauszufinden, ob er dich ignoriert oder wirklich nicht mehr hört. Wenn Hund erblinden, werden sie zum Beispiel im Dunkeln unsicherer oder laufen gegen Mülltonnen, die sonst nicht auf dem gewohnten Weg stehen. Es wird Hundehaltenden nach und nach auffallen, dass sich etwas verändert.»

2. Wie reagieren, wenn man bemerkt: Mein Hund hört nicht mehr so gut?

Die wichtigste Reaktion liege bei dir – und nicht bei deinem Hund, spricht André Vogt aus eigener Erfahrung: «Wenn du deinen Hund über viele Jahre lang hast und euer Alltag gut eingestellt war, musst du dich als erstes selbst an die Umstellung gewöhnen. Dann wird sich deine Beschäftigung mit dem Tier ändern müssen: Die Spaziergänge werden kürzer, Sport mit deinem Hund geht nicht mehr, und wahrscheinlich brauchst du häufiger die Leine.»

Trotzdem gilt: Auch einen tauben oder erblindenden Hund kann man noch über seine Nase und sein Gehirn beschäftigen – das haben alte Hunde auch verdient. Du kannst deinen Hund auf einen Geruchsstoff wie etwa Kokosseife konditionieren, ihn daran gewöhnen, dass Seife interessant ist – und sie dann auf Spaziergängen verstecken. «So kann der Hund den Geruchsstoff auf bestimmten Abschnitten beim Gassigehen erschnüffeln und ist so mental beschäftigt.»

3. Wie ersetzen Hundehalterinnen und -halter die Ohren des Hundes?

Wer mitbekommen hat, dass die Ohren des Hundes nachlassen, sollte rechtzeitig zur klassischen Hundepfeife greifen, rät Trainerin Karin Führer. Denn auch einen alternden Hund musst du verlässlich zurückrufen können: «Solange der Hund noch ein wenig hört und Spaß hat am Lernen, kannst du die Acme-Hundepfeife nutzen. Die ist für das Tier viel lauter als deine Stimme, der Hund hört sie gegen den Wind und auf Distanz. Damit kannst du eine gewisse Spanne des Taubwerdens überbrücken.»

Irgendwann läuft jedoch nichts mehr über Geräusche. «Deshalb sollte der Hund schon in früheren Jahren gelernt haben, sich über Sichtzeichen am Menschen zu orientieren. Sich also immer wieder umdrehen nach Herrchen oder Frauchen», sagt Hundetrainer André Vogt. «Sichtzeichen sind ohnehin immer deutlicher als verbale Zeichen.» Du kannst ein recht großes Sichtzeichen etablieren, wie etwa die Arme weit abzustrecken. Das sehen auch trübe Hundeaugen noch. Trainerin Führer ergänzt: «Unabhängig von seinem Alter sollte für den Hund sowieso gelten: Ich bin die Spannende auf Spaziergängen. Ich verstecke Sachen, Kekse, Duftstoffe.» Das zwingt den Hund von alleine, auf seine Bezugsperson zu achten und regelmäßig nach ihr zu sehen.

4. Wie sehen die Gefahrensituationen mit einem alternden Tier aus?

«Sehr schnell gefährlich werden kann es, wenn außer den Ohren auch die Augen schlechter werden», sagt André Vogt. «Der Hund hat dann keine Orientierung und gerät womöglich in Panik, wenn der Besitzer schon weitergegangen ist. Vielleicht läuft er weg, oder in die verkehrte Richtung. Und weil er nichts hört, lässt er sich nicht zurückrufen. Daher rate ich, im Zweifel besser die Leine zu verwenden – keine kurze, sondern eine Trainings- oder Schleppleine. Die Leine ist für den Hund nichts Schlimmes.»

Sicherheit geht vor, bestätigt Karin Führer und plädiert ebenfalls für die lange Leine. «Mit einem alten Hund muss ich viel vorausschauender agieren als mit einem jungen. Sehe ich zum Beispiel beim Spaziergang, dass ein anderer Hund angelaufen kommt und mein Hund mit nachlassender Seh- oder Hörleistung bemerkt das nicht, stelle ich mich schützend vor ihn, quasi als Bodyguard. Ich bin der Kevin Costner für meinen Hund – noch mehr, als ich es sonst schon sein sollte.»

Gleiches gilt übrigens, wenn ältere Hunde eine kognitive Dysfunktion entwickeln, sie also dement werden und die Orientierung verlieren. «Meist fängt das mit kleinen Dingen an», sagt Führer: «Sie wollen in ein falsches Auto einsteigen, stehen vor der falschen Wohnungstür, finden ihren Futternapf nicht mehr. Dann ist viel Geduld von Herrchen oder Frauchen gefragt.»

5. Gibt es Hilfsmittel für den tauben Hund?

Ohne Sichtzeichen, Acme-Pfeife und Schleppleine geht es also nicht bei einem alternden Hund. «Eine Idee kann zudem sein, zwei Hunde zu halten», sagt André Vogt. «Der jüngere Hund kann für den älteren eine starke Orientierungshilfe sein. Und sogar angelernt werden, den tauben Hund über eine kurze Leine selbst zu holen und zum Besitzer zurückzuführen.»

Manche Hundefans entscheiden sich schon beim jungen Tier für einen GPS-Tracker wie zum Beispiel von Tractive: Am Geschirr angebracht, kannst du deinen Hund damit über eine App orten. «Grundsätzlich sind GPS-Tracker eine tolle Sache», sagt Hundetrainerin Karin Führer. Allerdings schränkt sie ein: «Das gilt natürlich nur, solange das Geschirr noch drauf ist. Manchmal rutschen die Hunde in Panik aus ihm raus. Und auch ein Tracker hindert keinen Hund daran, wegzulaufen. Da nützt es dir nichts zu wissen, dass er gerade an einer gefährlichen Kreuzung steht – sichern kannst du ihn aus der Ferne damit nicht.»

Ähnlich sieht es Trainer André Vogt: «Der Tracker gibt dem Besitzer ein sehr gutes Gefühl. Im Zweifelsfall hilft dir die App dabei, den Hund schnell zu orten. Sie pauschal empfehlen und mich allein darauf verlassen würde ich aber nicht. Besser ist es, sich wie erklärt auf den neuen Alltag mit dem alten Hund einzustellen.»

6. Sind Vibrationshalsbänder eine gute Idee?

Eine weitere Technologie für taube Hunde ist das Vibrationshalsband. Damit löst du via Fernsteuerung am Halsband eine Vibration aus, auf die der Hund anstelle eines sichtbaren oder verbalen Zeichens reagieren soll. Konditioniert wird der Hund auf das Halsband mit Futter, um so den Rückruf aufzubauen.

Bei taub geborenen oder im jungen Alter taub gewordenen Hunden kann das Hilfsmittel eine gute Ergänzung sein. Und beim alten Hund? Auch hierzu gibt es keine pauschale Empfehlung der Fachleute. «Ob sich jeder Hund an das Vibrationshalsband gewöhnt? Das kommt ganz stark auf die Gewöhnung an», sagt Vogt. «Grundsätzlich ist jeder Hund lernfähig bis zu seinem Ende. Wahrscheinlich haben die meisten Hunde kein Problem mit dem Vibrationshalsband. Du darfst es natürlich nicht einfach anlegen und plötzlich vibrieren lassen. Das erschreckt den Hund.»

Kleinschrittiges Gewöhnen ist das Motto: Erst einmal das Halsband in der Hand halten und am Fell vibrieren lassen, den Hund daran schnüffeln lassen und ihn belohnen. Wer sich das nicht zutraut, trainiert die Gewöhnung besser in der Hundeschule.

«Ich bin bei älteren Hunden kein Fan von Vibrationshalsbändern», sagt Führer. «Manche nehmen es ganz leicht hin, andere verunsichert es – und dann wird es schwierig, das Halsband aufzubauen. Es ist auf jeden Fall charakterabhängig. Wenn man es einsetzt, muss aber auch das Vibrationshalsband darauf abzielen, den Hund aufs Anschauen zu konditionieren: An jeder Ecke – klick – bleibst du stehen und schaust mich an. Immer, wenn ein Hund auf dich zukommt – klick – schaust du mich an.» Das Vibrationshalsband ist somit nur optimal zu verwenden, solange der Hund noch genug sieht.

Titelfoto: shutterstock

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Mareike Steger
Autorin von customize mediahouse
oliver.fischer@digitecgalaxus.ch

Ich hätte auch Lehrerin werden können, doch weil ich lieber lerne als lehre, bringe ich mir mit jedem neuem Artikel eben selbst etwas bei. Besonders gern aus den Themengebieten Gesundheit und Psychologie.


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