Hintergrund

Wieso ich 800 Franken für eine Tastatur ausgegeben habe – und es wieder tun würde

Kevin Hofer
3.1.2022

Ich habe mal wieder eine neue mechanische Tastatur zusammengebaut. Eine verdammt teure. Über 800 Stutz kostet das gute Stück. Dennoch würde ich erneut so viel für ein Keyboard ausgeben.

Sich eingestehen, dass man süchtig ist, ist der erste Schritt zur Bekämpfung einer Sucht. Habe ich irgendwo, irgendwann gelesen. Ob das stimmt? Keine Ahnung.

Ich weiss jedenfalls, dass ich von aussen gesehen ein Problem habe – bin aber nicht gewillt, es zu ändern. Mein Problem, das in meinen Augen keines ist: mechanische Tastaturen. Ich liebe die Dinger. Und ich kann nicht genug von ihnen bekommen. Also nicht diese mehrheitlich schrecklichen Fertigtastaturen, die du hier im Shop kaufen kannst. Nein, ich spreche von Tastaturen der Marke Eigenbau. Ich habe mittlerweile elf Stück und soeben wurde mein neuester Wurf fertig.

Mehr, immer mehr

Angefangen hat alles Ende 2018. Da habe ich meine erste Tastatur zusammengebaut. Mit der war ich ziemlich lange glücklich. 2020, mit Beginn der Pandemie, hat mich das Bastelfieber wieder gepackt. Neue Tastaturen sind dazugekommen und ich habe dabei verdammt viel Geld ausgegeben.

Ein paar der Tastaturen meiner Sammlung.
Ein paar der Tastaturen meiner Sammlung.

Mein Hobby ist total etwas aus dem Ruder gelaufen. Das stelle ich fest, als ich nach meiner letzten Tastatur Kassensturz mache: Über 800 Franken habe ich für sie ausgegeben, also für die einzelnen Komponenten. Damit ist sie meine bisher teuerste Tastatur. Ganz ehrlich: Ich bereue keinen Rappen davon. Jedes Mal, wenn ich auf der Tastatur tippe, zaubert sie mir ein Lächeln auf die Lippen. Ein bisschen wie bei einem Süchtigen: Das nächste Tippen verschafft Linderung. Immerhin schade ich mit meiner Sucht niemandem – ausser meinem Portemonnaie.

Dass mein Portemonnaie dieses Mal so gelitten hat, liegt einerseits am Tastatur-Kit, das ich mir gekauft habe. Andererseits kosten auch die weiteren Komponenten eine ordentliche Stange Geld.

Das Problem: Die schier unendlichen Möglichkeiten

Das Tastatur-Kit, das dieses Mal mein Herz erobert hat, ist die SixtyFive von Mode Designs. Eigentlich kostet die Tastatur «nur» 299 Dollar. Fürs Barebones versteht sich – also da sind weder Taster noch Tastenkappen dabei. Die muss ich mir separat besorgen. Für einen Tastatur-Süchtigen Keyboard-Enthusiasten wie mich, ist die SixtyFive jedoch gefährlich: Sie lässt sich nämlich schier endlos personalisieren. Ich habe die Wahl zwischen verschiedenen Materialien und Farben für die Unter- sowie Oberseite der Tastatur. Dann gibt es da noch die magnetisch haftende Rückseite – auch die in verschiedenen Materialien und Farben. Selbstverständlich kostet das alles extra.

Die Kupferteile an der Rückseite und unten haben einen saftigen Aufpreis gekostet.
Die Kupferteile an der Rückseite und unten haben einen saftigen Aufpreis gekostet.

Ich bin ein totaler Kupfer-Fan. Ich fühle mich von dem Material magisch angezogen. Mein Pech, denn die Unter- sowie die Rückseite der SitxtyFive gibt’s in einer Kupferausführung. Für den bescheidenen Aufpreis von 200 Dollar. Dabei sehe ich die Unterseite nicht einmal. Kostenpunkt für das Tastatur-Kit insgesamt: rund 460 Franken. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Sinnlos, sinnloser, Frankenswitch

In der Mechanical Keyboard Community gibt es die sinnbefreite Disziplin des Frankenswitching. Vereinfacht gesagt, nimmst du verschiedene Switches auseinander und kombinierst die einzelne Teile zu einem neuen. Im Grunde genommen ist es Fusion.

So in etwa habe ich die Switches gemacht.
So in etwa habe ich die Switches gemacht.

Das habe ich bisher noch nie gemacht. Also probiere ich das aus. Ich mache die sogenannten «Holy Bobas». Dabei werden Boba U4T von Gazzew mit Halo Switches von Drop zu einem neuen, taktilen Taster kombiniert. Taktile Taster sind jene, die ein haptisches Feedback beim Auslösen des Drucksignals geben. Die Holy Bobas sollen stark taktil sein.

Im Grunde genommen verpflanze ich den Stengel des Drop-Switches – das ist jenes Teil des Switches, das sich auf und ab bewegt – in das Gehäuse des Gazzew-Switches. Da «Halo» auf Englisch «Heiligenschein» heisst, wird aus dem Boba U4T der Holy Boba, also der heilige Boba.

Das Ganze ist jedoch sinnlos: So ein Frankenswitch ist schweineteuer und es gibt bereits Switches mit ähnlichen Eigenschaften für weit weniger Geld. Es ist ein reines Sucht- Hobby-Ding. Kostenpunkt für 110 Frankenswitches: umgerechnet 145 Franken. Für meine Tastatur brauche ich nur 67. Aber ich habe trotzdem 110 Stück gemacht. Man weiss ja nie. Selbstverständlich schmiere ich die Switches für ein besseres Gefühl und besseren Klang beim Tippen.

Die richtigen Keycaps

Eine Tastatur ist nur so gut wie ihre Keycaps. Nach wie vor gelten die Keycaps von GMK qualitativ als die besten. Und ich will selbstverständlich nur das Beste. Meine Wahl fällt auf GMK White-on-Black Katakana. Dies, weil sie kurzfristig verfügbar sind und die japanische Silbenschrift Katakana auf den Tastenkappen der Tastatur das gewisse Etwas verleiht. Kostenpunkt: 135 Franken.

Tastenkappen mit nur japanischen Schriftzeichen hatte ich bisher noch keine.
Tastenkappen mit nur japanischen Schriftzeichen hatte ich bisher noch keine.

Apropos das gewisse Etwas: Folgenden kleinen Kerl gönne ich mir für die Fn-Taste.

Das Drachenskelett überwacht mich immer beim Tippen.
Das Drachenskelett überwacht mich immer beim Tippen.

Kostenpunkt: 20 Franken.

Zu den bereits genannten Komponenten gesellen sich noch Stabilisatoren für die langen Tasten, ein Kabel für den Style und diverse Modding-Utensilien. Kostenpunkt: 100 Franken. Nicht mit eingerechnet sind der Versand und allfällige Importkosten. Ich weiss schlicht nicht mehr, wie viel das ausgemacht hat. Alle Komponenten sind über einen längeren Zeitraum bei mir eingetroffen.

Sieht doch schick aus.
Sieht doch schick aus.

Viel Geld für eine Tastatur

Ich rechne vor:

KomponentenPreis
DIY-Tastatur-Kit460 CHF
Frankenswitches145 CHF
Keycaps135 CHF
Drachenskelett20 CHF
Weitere Utensilien100 CHF
Total860 CHF

Ist es das Wert? Für einen wie mich auf jeden Fall. Ich liebe die neue Tastatur. Ich kann nicht genug vom Tippen auf ihr bekommen. Sie sieht einfach geil aus. Ich habe bisher noch keine Tastet gedrückt, die taktiler sind als die Holy-Boba-Frankenswitches. Und zuletzt bietet die Tastatur ein flexibles Tippgefühl. Kein Vergleich zur 0815-Fertigtastatur. Kommt dazu: Die Tastatur ist mein tägliches Arbeitsgerät. Das muss einfach passen.

Ich weiss aber schon jetzt: Irgendwann kommt die nächste Tastatur. Schliesslich habe ich einige in Vorbestellung. Dann wird sie ihren Platz an meiner immer grösser werdenden Tastaturwand finden. Dort verstaubt sie aber nicht einfach so: Ich verwende alle meine Tastaturen in Rotation. So komme ich immer wieder in den Genuss von etwas Anderem und es wird mir nicht langweilig – zumindest bis ich die nächste geile Tastatur sehe.

Bin ich jetzt süchtig? Viele würden mich wohl als Suchti bezeichnen. Aber ich nenne es Hobby. Ein verdammt teures, klar, aber es gibt Dümmeres. Andere versaufen im Ausgang 100 Stutz pro Abend, ich kaufe dafür Switches.

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.

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