Meinung
Netflix: Account Sharing gegen Aufpreis? Ein sinnloses Unterfangen
von Luca Fontana
Bei Netflix sinken die Zuschauerzahlen. Der Aktienmarkt reagiert schockiert. Der Streaming-Gigant denkt darum über werbefinanziertes Streaming nach und kündigt Account Sharing den Kampf an.
Erstmals seit mehr als zehn Jahren rennen Netflix weltweit Zuschauerinnen und Zuschauer davon. Das verkündete das amerikanische Streaming-Unternehmen bei der Präsentation der aktuellen Quartalszahlen. Unter dem Strich: In den drei Monaten bis Ende März 2022 verlor Netflix rund 200 000 Abonnentinnen und Abonnenten. Damit sank die weltweite Abonnentenzahl auf 221,6 Millionen.
Grund dafür soll der steigende Konkurrenzdruck und Russlands Krieg in der Ukraine sein, wo Netflix als Reaktion allen 700 000 Russinnen und Russen die Abos gekündigt hat. Dabei hatte das Management ursprünglich mit 2,5 Millionen zusätzlichen Kundinnen und Kunden gerechnet. Mittlerweile prognostiziert es, dass sich der Abo-Schwund sogar auf zwei Millionen beschleunigen wird.
Der Schock sitzt tief, auch bei Anlegerinnen und Anlegern. Über 25 Prozent hat die Netflix-Aktie zeitweise nachbörslich verloren. Entsprechend prompt reagiert ausgerechnet Netflix-Gründer und Co-CEO Reed Hastings darauf: Zum ersten Mal überhaupt redet er offen über werbefinanziertes Streaming und Sport, nachdem er sich jahrelang dagegen ausgesprochen hatte. Und: Hastings will Account Sharing deutlich entschlossener bekämpfen als je zuvor.
Wie ernst Hastings es mit kommenden Änderungen meint, drückte er im Video zu den Quartalszahlen so aus:
Wie das dereinst konkret aussehen könnte, zeigen die aktuell laufenden Tests in Chile, Costa Rica und Peru. Dort will Netflix herausfinden, wieviel die Menschen bereit wären, für legales Account Sharing zu zahlen. Zum Projektstart kostet die Account-Sharing-Funktion zusätzliche 2,99 US-Dollar pro Monat. Eine weltweite Lösung sei aber noch etwa ein Jahr von ihrer Realisierung entfernt. Das bestätigt Greg Peters, Chief Operating Officer und Chief Product Officer von Netflix gegenüber Online-Branchenmagazin The Verge.
Eine andere Strategie, dem Abo- und Umsatzschwund entgegenzuhalten, sei werbefinanziertes Streaming, wie Hastings im Video oben sagt. Netflix könne das Umsatzwachstum nicht ewig mit dem ständigen Erhöhen von Abo-Preisen erzwingen – zuletzt vergangenen März –, so der CEO. Darum würde er sogar diesen Tabubruch in Kauf nehmen:
Tatsächlich wäre der Streaming-Gigant nicht der einzige, der ein werbefinanziertes Angebot hätte. US-Konkurrenten wie Hulu, Peacock und HBO Max bieten bereits heute Abo-Modelle an, bei denen Zuschauende weniger oder gar nichts zahlen, wenn sie dafür gelegentliche Werbe-Unterbrüche in Kauf nehmen. Dazu hat auch Disney erst kürzlich angekündigt, Disney+ bis Ende des Jahres eine werbefinanzierte Abo-Option hinzuzufügen.
Eine dritte, neue Einnahmequelle könnte zum ersten Mal in der Geschichte Netflix’ ein Live-Sport-Angebot sein, wie Netflix-Co-CEO Ted Sarandos gegenüber Online-Branchenmagazin Deadline mitteilte. Co-CEO Reed Hastings hätte zwar nach dem Erfolg der Netflix-Formel-1-Serie «Drive to Survive» sogar schon über den Kauf der F1-Rechte nachgedacht. Sarandos hingegen hält sich in puncto Live-Sport eher zurück:
Titelbild: Shutterstock.Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»