Was ist eigentlich 8-Bit-Sound?
Hintergrund

Was ist eigentlich 8-Bit-Sound?

David Lee
5.1.2023

Als technischer Begriff taugt die Bezeichnung 8-Bit-Sound nichts. Das tut der Faszination für die Retro-Klänge aber keinen Abbruch.

Ich liebe 8-Bit-Musik. Die fröhlichen Melodien und der einzigartige Sound von «Super Mario Bros.» und Co. haben sich in mein Langzeitgedächtnis eingebrannt. Die simplen Computerklänge und ihre Kindermelodien machen den Sound für mich zu perfekten Kindheitserinnerungen.

Auch heute noch wird 8-Bit-Musik gemacht. Ich behaupte sogar, mehr denn je. Beliebt sind zum Beispiel Remakes von alten Hits. Der Youtube-Kanal 8 Bit Universe hat von Michael Jackson über Queen bis zu den Gorillaz zahlreiche Perlen zu bieten.

8 Bit heisst 256 Werte

Aber was ist das überhaupt – 8-Bit-Musik? Das ist alles andere als eindeutig – obwohl 8 Bit an sich genau definiert sind. 8 Bit bedeutet, dass 2 hoch 8, also 256 verschiedene Werte möglich sind. Zum Beispiel hat eine 8-Bit-Grafik pro Farbkanal 256 Abstufungen.

Heisst das, dass bei 8-Bit-Musik 256 verschiedene Tonhöhen möglich sind? Nicht unbedingt. Je nach Gerät können es mehr oder weniger sein. Dasselbe gilt für die Tonlänge oder die Lautstärke. Anders als bei der Grafik gibt es beim Ton keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Bezeichnung 8 Bit und der Zahl 256.

Es gibt auch 1-Bit-Grafiken, 10-Bit-Monitore oder 16-Bit-Fotos. Immer geht es dabei um die Anzahl der gleichzeitig darstellbaren Farben. Bei der Musik hingegen gibt es nur 8 Bit. Oder hast du schon mal von 10-Bit-Musik gehört?

Das Einzige, was im Audio-Bereich 8 Bit sein kann, ist die Bittiefe, auch Samplingtiefe genannt. Die hat jedoch mit 8-Bit-Musik nichts zu tun. Bei der Musik alter Video-Games wird kein Sampling verwendet, sondern der Computerchip generiert die Töne selbst. Deshalb werden 8-Bit-Stücke auch als Chiptunes bezeichnet.

Worauf bezieht sich das «8 Bit»?

Der Begriff bezieht sich nicht auf eine Audio-Eigenschaft, sondern auf die Prozessorarchitektur. 8-Bit-Musik ist also Musik, die mit einem 8-Bit-Computer erzeugt wird. Oder zumindest auf ihm abgespielt werden kann.

Solche Prozessoren stecken zum Beispiel im Commodore 64 oder in der Nintendo-Spielkonsole NES. Der Nachfolger SNES arbeitet bereits mit 16 Bit, ebenso der Commodore Amiga oder die frühen DOS-Rechner.

Das Problem dabei: Die Prozessorarchitektur sagt wenig über die Audiofähigkeiten eines Gerätes aus. Viele 8-Bit-Rechner können nichts als ein simples Piep-Signal oder gar keinen Sound ausgeben. Am anderen Ende dieses Spektrums steht der Commodore 64, der einen eigenen, für damalige Verhältnisse leistungsfähigen Soundchip hat: Den MOS Technology SID.

Dieser bietet ähnliche Möglichkeiten wie ein polyphoner analoger Synthesizer. Er kann zwar nur drei Stimmen gleichzeitig abspielen, womit er hinter dem NES zurückliegt. Dafür lässt sich die Klangfarbe der drei Stimmen vielfältig gestalten. Beim NES gibt es fünf Kanäle, aber sie sind in ihrer Klangfarbe fix. Und nur drei davon können überhaupt Melodien abspielen. Weil beim C64 der Sound einer Stimme auch mitten im Stück geändert werden kann, lassen sich wesentlich mehr als drei Instrumente spielen, wenn auch nicht gleichzeitig.

Fake & True 8 Bit

8-Bit-Musik wird heute meist nicht auf einem 8-Bit-Rechner erzeugt. Viele dieser Stücke können auf einem 8-Bit-Rechner nicht abgespielt werden. Das trifft nur dann zu, wenn es der Musiker oder die Musikerin darauf anlegt. Ansonsten entstehen mit den heutigen Tools Musikstücke, die zu komplex für 8-Bit-Systeme sind. Zum Beispiel, wenn Akkorde zum Einsatz kommen. Dann wird die Zahl von drei Stimmen überschritten. Auch mit Soundeffekten wie Hall oder Echo wäre jedes 8-Bit-System überfordert.

Heute lässt sich 8-Bit-Sound in Kombination mit akustischen Instrumenten oder modernen Synthesizern verwenden. In diesem Zusammenhang ist 8 Bit eher ein Instrument als eine bestimmte Art von Musik.

Zur Unterscheidung von Musik wie im obigen Video ist gelegentlich auch von «true 8 bit», also von wahrem 8 Bit die Rede. Was das bedeutet, ist auch nicht ganz klar. Nach meinem Verständnis sind damit Chiptunes gemeint, die theoretisch von einem 8-Bit-System abgespielt werden könnten. Das schliesst zwar Mischformen und offensichtlich zu komplexe Stücke aus, bleibt aber schwammig. Denn wie gesagt, hat jedes 8-Bit-System seine Eigenheiten. Ausserdem bedeutet die Beschränkung auf drei Stimmen noch lange nicht, dass das Stück ein C64 spielen kann. Dazu muss es in ein für den Rechner verständliches Format gebracht werden.

Ein Musikstil mit typischen Merkmalen

Ist die Bezeichnung 8-Bit-Musik damit sinnlos? Nein. Denn trotz ihrer grossen Unterschiede haben die Sounds von 8-Bit-Geräten auch Gemeinsamkeiten. Die Wichtigste: Es werden keine gespeicherten Aufnahmen abgespielt wie bei späteren Computern, sondern Töne vom Prozessor generiert.

Der typische Sound der alten Videospiele kommt dadurch zustande, dass simple Schallwellen generiert werden. Wie bei einem alten Synthesizer. Jede Wellenform klingt etwas anders, üblich sind die Formen Dreieck, Sägezahn, Quadrat und Puls. Letzteres ist ein verkürztes Quadrat. Ebenso kann Rauschen abgespielt werden, dies ist für Schlagzeug-Effekte wichtig.

Charakteristisch für 8-Bit-Musik sind somit Sounds, die aus diesen simplen Wellenformen entstehen. In der puristischen Variante, also «true 8 bit», gibt es nur diese Sounds. Somit fehlen Gesang, realistische Klänge von Instrumenten und moderne Synthesizer-Effekte.

Das zweitwichtigste Stilmerkmal ist der häufige Einsatz von Arpeggios oder kurz Arps. Ein Arpeggio ist ein Akkord, dessen Töne nicht gleichzeitig, sondern nacheinander gespielt werden. Ein gutes Beispiel ist das Präludium von Johann Sebastian Bach in C-Dur, das praktisch nur aus Arpeggios besteht. Hier in einer 8-Bit-Version.

Selbst teure Synthesizer konnten in den 70er-Jahren nur einen Ton aufs Mal abspielen. Ursprünglich waren Arps in der elektronischen Musik ein Trick, um die Einschränkungen der Mehrstimmigkeit zu umgehen. Das schnelle Nacheinander von Einzeltönen entwickelte sich aber zu einem Stilmittel elektronischer Musik und wird auch eingesetzt, wenn es technisch nicht nötig wäre. Als Arp wird dabei oft auch das automatische Abspielen des gleichen Tons in unterschiedlichen Oktaven bezeichnet.

Für das aus alten Videospielen bekannte Gurgelgeräusch werden Arpeggios sehr schnell gespielt. Hier ein Beispiel aus der iPad-App Korg Gadget. Es handelt sich um Oktaven-Arpeggios.

8-Bit-Musik geht mit jeder Musikrichtung, aber bestimmte Genres bieten sich eher an als andere. Hip-Hop und sphärische Musik funktionieren prinzipiell nur im Mix mit chipfremden Sounds. Barocke Musik eignet sich sehr gut, wie das obige Beispiel mit Bach zeigt. Auch funkige Stücke passen gut, weil dort die Töne oft nicht gleichzeitig, sondern rhythmisch versetzt gespielt werden.

8 Bit ist ein Stil, kein technisches Merkmal

Der Begriff 8-Bit-Musik bezeichnet eher eine bestimmte Ästhetik als ein technisches Verfahren. Es ist eine Stilrichtung. Es geht darum, den typischen Sound einer bestimmten Zeit zu reproduzieren – und manchmal auch kreativ mit anderen Musikelementen zu mixen.

Dass die Sounds heute ganz anders produziert werden als in den 80er-Jahren, mag technisch interessant sein, für die Emotionen spielt es allerdings keine Rolle. Mich bewegen die modernen Mixes sogar noch mehr als die ursprünglichen Videospiel-Sounds.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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