Was dieses Team plant, lässt Tesla-Fahrer alt aussehen
Hintergrund

Was dieses Team plant, lässt Tesla-Fahrer alt aussehen

Wer ein Elektroauto fährt, ist längst nicht mehr automobile Avantgarde. Wahre Pioniere sind Leute wie die Studierenden der ETH Zürich, die ein komplett neues Solarauto bauen. Im Oktober soll es zu einer unglaublichen Fahrt aufbrechen.

In ein paar Monaten soll das allein von Solarenergie angetriebene Fahrzeug über 3000 Kilometer durch Australien rollen. Bei der Bridgestone World Solar Challenge geht es von Darwin im Norden des Kontinents bis ganz in den Süden nach Adelaide. Teams aus der ganzen Welt bauen für das Rennen derzeit an Fahrzeugen. Häufig kommen sie von Hochschulen, oft werden sie von Firmen unterstützt. So auch das Schweizer Team der ETH, das 2023 in der Challenger Class für das Rennen angemeldet ist. Hier sitzt nur eine Person im Auto, während in der Cruiser Class auch noch ein Passagier an Bord ist. Knapp 30 junge Männer und Frauen sind in dem Projekt engagiert. Die Studierenden der Ingenieurwissenschaften sind Teil eines Fokusprojekts, das auf zwei Semester angelegt ist.

In dieser Zeit sind sie häufiger in der Werkstatt im Technopark in Zürich-West als im Hörsaal oder in der Bibliothek anzutreffen. Derzeit, also Anfang Februar, existiert das Rennauto allerdings erst am Computer – in einem 3D-CAD-Modell. Lukas Hauser, der als Operational Lead im Team amtet, zeigt mir den aktuellen Stand des Projekts auf dem Screen eines Laptops. Der Rechner steht in der Mitte eines kargen Raums im Technopark. In einer Ecke stehen ein paar Getränke, in der anderen etwas Material. Um mir etwas Handfestes zeigen zu können, haben die Teammitglieder vor dem Treffen mit mir ein Modell des Rennautos aus dem 3D-Drucker gelassen. Es sieht in dieser frühen Studie aus wie ein lächelnder Delphin.

Zwei Modelle fürs spätere Rennauto: eines aus dem 3D-Drucker, eines als CAD-Entwurf.
Zwei Modelle fürs spätere Rennauto: eines aus dem 3D-Drucker, eines als CAD-Entwurf.
Quelle: Martin Jungfer

Strenge Regeln für die Teams

Aerodynamik ist ein wichtiger Trumpf beim Rennen im Oktober, erklärt mir Lukas. Das Team hat in Computersimulationen berechnet, dass das Auto eine Spitzengeschwindigkeit von über 100 km/h erreichen wird. Im Durchschnitt werden es 80 km/h sein. Und das allein durch die Kraft der Sonne. Denn Nachladen an einer Ladesäule wird nicht erlaubt sein. Die Regeln der World Solar Challenge sind streng. Alle Teams aus 24 Ländern müssen ihr Fahrzeug nach genauen Vorgaben bauen:

  • Es darf maximal fünf Meter lang sein, höchstens 2,20 Meter breit.
  • Höchstens vier Quadratmeter der Fläche dürfen mit Solarzellen bestückt werden.
  • Mindestens drei Räder muss das Fahrzeug haben.
  • Ein Fahrer oder eine Fahrerin soll es steuern.

Einen Fahrer hat das Team schon bestimmt. Jonas Rudin, der Mann in der Holzkiste auf dem Bild oben, wird einen grossen Teil der Strecke das Solarauto steuern. Er hat sein Studium zwar schon abgeschlossen und kümmert sich bei Digitec Galaxus als Portfolio Manager ums Sortiment im Shop. Doch ihn qualifizieren viele hunderttausend Kilometer Erfahrung am Steuer von Autos, die er bei Road Trips schon zurückgelegt hat. Freuen dürfte er sich darüber, dass die für die Konstruktion verantwortlichen Kollegen im Team eine Federung vorgesehen haben. «Die braucht’s auch, weil es in Australien auf den Strassen viele Kuhgitter gibt», erklärt er mir.

Ein komfortables Vergnügen dürften die 3000 Kilometer, bei denen er sich mit anderen Fahrern abwechseln wird, dennoch nicht werden. Das lässt ein Mock-Up des künftigen Rennfahrzeugs vermuten. Es steht im Nachbarraum, zusammengeschraubt aus ein paar OSB-Spanplatten. Hier sieht nichts nach Hightech aus, eher nach einer Seifenkiste. Damit testet das Team unter anderem, ob der Fahrer ins Chassis passt. Für die Sitzprobe hat Jonas ein «Lenkrad» aus Pappkarton in die Hand gedrückt bekommen. Viel Bewegungsspielraum hat er jetzt nicht, und im echten Fahrzeug wird es auch nicht mehr werden. Wichtig ist allein, dass er in der vorgeschriebenen Zeit von maximal 15 Sekunden aus dem Auto aussteigen kann. Das ist aus Sicherheitsgründen nötig, denn etwa die Hälfte der Teams wird es nicht ins Ziel schaffen. «Es gab früher schon Fälle, in denen das Auto einfach von einer Böe umgeworfen wurde», sagt Jonas. Batterien können Feuer fangen, Reifen Luft verlieren, die Elektronik aussteigen.

Hocheffiziente Solarzellen von Schweizer Firma

Solche Fragen treibt das Team um. Sie wollen ein effizientes, leichtes und damit schnelles Auto bauen – und ein sicheres. In kleineren Gruppen tüfteln sie derzeit am finalen Design und Material für die windschnittige Hülle, überlegen sich, wie sie die Fahrerkabine einigermassen kühl halten unter Australiens sengender Sonne. Und natürlich geht es um die Solarzellen, die die Energie für den Elektromotor im Auto liefern sollen. Die Studierenden stehen kurz vor dem Abschluss eines Sponsoren-Deals mit einem Lieferanten. Dieser würde die Solarzellen für das Rennauto als Spezialanfertigung bauen. Der Wirkungsgrad wird somit deutlich über dem einer Solaranlage auf dem Hausdach liegen. Natürlich wollen die Studierenden auch die maximal erlaubte Fläche von vier Quadratmetern nutzen, um so viel Energie wie möglich zu gewinnen. Diese geht dann direkt in den Antrieb, wenn das Auto in Bewegung ist. Oder in den Akku, damit das Auto am Morgen, nach den vorgeschriebenen Ruhepausen in der Nacht, direkt wieder auf die Strecke kann.

Lukas Hauser (links) bespricht mit Alexandr Ebnöther ein Detail am CAD-Modell.
Lukas Hauser (links) bespricht mit Alexandr Ebnöther ein Detail am CAD-Modell.
Quelle: Martin Jungfer

Das Prinzip des sich selbst versorgenden Fahrzeugs, das bei der seit 1987 alle zwei Jahre stattfindenden World Solar Challenge in Anwendung zu sehen ist, könnte demnächst sogar bei einem kommerziellen Autohersteller zum Einsatz kommen. Sono Motors heisst das bayerische Unternehmen, dessen Modell Sion allein durch das Herumstehen in der Sonne bis zu 305 Kilometer Reichweite haben soll. Auch in den Niederlanden gibt es ein Projekt mit einem etwas sportlicher designten Auto.

Was interessiert dich?

Über die Arbeit des ETH-Teams und die Entstehung des Rennautos wird es im Magazin weitere Berichte geben – bis hin zum hoffentlich krönenden Abschluss: der Zieldurchfahrt in Adelaide am 27. Oktober. Hast du Fragen zum Projekt? Interessiert dich ein Thema besonders? Lass es mich in den Kommentaren unten wissen und ich werde es erklären und beleuchten.

Titelfoto: Martin Jungfer

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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