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Streaming-Highlights: Das darfst du diesen Juni nicht verpassen
von Luca Fontana
Am Freitag startet die letzte Staffel von «The Expanse». Die Serie wird für die realistische Darstellung vom Leben im Weltall gepriesen. Zu Recht?
«The Expanse» nimmt es mit den physikalischen Gesetzen genauer als andere Sci-Fi-Serien. Die Phänomene treiben gar den Plot an. So werden Menschen, die in geringer Schwerkraft geboren wurden, mit hoher Schwerkraft gefoltert. Dieser Ansatz dürfte auch in der am Freitag startenden, finalen sechsten Staffel so sein. Bevor es aber losgeht, zeige ich dir, was gut umgesetzt ist.
Was ist «The Expanse»?
«The Expanse» spielt im 24. Jahrhundert. Die Menschheit hat sich auf das gesamte Sonnensystem ausgedehnt und in drei kulturell unterschiedlichen Populationen aufgespalten: Erde, Mars und im Weltall Geborene.
Auf der von Umweltkatastrophen gezeichneten Erde bilden die Vereinten Nationen die globale Regierung. Sie kämpfen gleichzeitig um die Versorgung ihrer Bevölkerung und um die Kontrolle über die reichen Ressourcen des Asteroidengürtels und der äusseren Planeten.
Die Marsianer:innen auf dem Mars, deren Oberfläche von Kuppelstädten überzogen ist, bilden eine unabhängige Militärmacht. Die Bevölkerung steht am Anfang eines Generationen umfassenden Terraforming-Prozesses.
Die Belter hingegen bilden eine Arbeiterklasse von im Weltraum geborenen, die die äusseren Planeten ihr Zuhause nennen. Ihre Körper haben sich wegen der geringen Schwerkraft über Generationen hinweg verändert. Sie verrichten Drecksarbeiten wie den Abbau von Eis und anderen wertvollen Materialien für die Konzerne der inneren Planeten Erde und Mars.
In dieser Konstellation starten die Abenteuer der Crew der «Rocinante», ein aus allen drei Populationen gewürfelter Haufen.
In «The Expanse» hat das Aufwachsen in geringer Schwerkraft zur Folge, dass sich die Körper der Belter anders entwickeln als jene der Menschen auf der Erde. Belter sind grösser und dünner als Erdenbürger:innen. Sie müssen Medikamente nehmen, damit ihre Körper nicht missgestaltet wachsen. Auch müssen sie ständig trainieren, um ihre Muskelmasse aufrechtzuerhalten. Einige Belter sind der Meinung, dass sie eine neue Unterart der Menschheit bilden.
Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS sind bei ihrer Rückkehr aus dem All tatsächlich grösser. Sie sind aber nur wenige Monate im All. Darüber, wie sich Schwerelosigkeit auf den Körper auswirkt, wenn Menschen im All geboren werden und aufwachsen, lässt sich nur spekulieren. Ob sie wirklich grösser würden, ist nicht klar. Aber dass sich die fehlende Schwerkraft auf die Körper auswirkt, steht ausser Frage. Die Körper könnten effektiv deformieren.
Kommunikation in Echtzeit über lange Distanzen ist unrealistisch. Dem trägt «The Expanse» Rechnung. Wenn in der Nähe des Jupiters eine Schlacht ausgetragen wird, erfahren die Menschen auf der Erde erst später davon. Denn: Nichts kann sich schneller bewegen als massenlose Partikel. Photonen zum Beispiel – Licht.
Die Geschwindigkeit von Funkwellen im Vakuum beträgt 299 792,5 Kilometer pro Sekunde. Das ist Lichtgeschwindigkeit. Um die 778 Millionen Kilometer zwischen Jupiter und Erde hinter sich zu bringen, benötigen die Funkwellen dementsprechend etwa 43 Minuten. Das ist auf der Erde übrigens nicht anders: Wenn dir jemand über die Strasse zuruft, sagen wir aus zehn Meter Entfernung, braucht der Zuruf etwa 0,036 Sekunden, bis er dich erreicht.
Im All herrscht Schwerelosigkeit. Die Schwerkraft muss also künstlich erzeugt werden. In vielen Serien wird nicht darauf eingegangen. Oder sie wird irgendwie erzeugt. Wie das funktioniert, wird aber meist nicht erklärt.
Das ist in «The Expanse» anders. Die Rocinante, das Raumschiff der Crew, ist so gebaut, dass die Decks in 90 Grad zur Fahrtrichtung liegen. Also so wie ein Hochhaus, das durchs All fliegt. So entsteht bei Schub Schwerkraft. Stell dir das wie auf der «Blue Fire» im Europa Park vor. Wenn die Achterbahn beim Start beschleunigt, wirst du in den Sitz gedrückt. Das ist künstliche Schwerkraft, die sogenannte g-Kraft.
Bei den Weltraumstationen in «The Expanse» hingegen wird Schwerkraft durch Drehen erzeugt, der sogenannten Zentrifugalkraft. Die Stationen drehen sich im Kreis. Dadurch werden Körper gegen aussen gedrückt. Im Vergleich zur Erde drehen sich die Raumstationen in einem relativ kleinen Radius. Das hat zur Folge, dass sich auf den Stationen eine zweite Kraft besser bemerkbar macht als auf der Erde: die sogenannte Corioliskraft. Die wirkt seitlich auf Körper ein. Das hat zur Folge, dass sich Dinge nicht so verhalten, wie wir uns das auf der Erde gewohnt sind. Beispielsweise das Einschenken eines Drinks. Die Flüssigkeit fällt nicht sofort nach unten, sondern macht einen Bogen, weil die Corioliskraft zusätzlich seitlich auf die Flüssigkeit einwirkt.
Ein bisschen so, als würdest du auf einem sich drehenden Karussell versuchen wollen, von innen nach aussen zu laufen: Du würdest nicht schnurgerade rauslaufen, sondern automatisch einen leichten Bogen machen. Das ist die Corioliskraft, die dich seitlich wegdrückt.
Beschleunigt ein Gefährt, wirkt die Beschleunigungskraft auf die Passagiere ein. Das ist auch bei Raumschiffen der Fall. In den meisten Sci-Fi-Serien oder -Filmen sorgen Trägheitsdämpfer dafür, dass sich die Lebewesen an Bord von Raumschiffen bei hohem Tempo normal bewegen können.
Das ist bei «The Expanse» nicht der Fall. Bei Manövern und starker Beschleunigung muss sich die Crew der Rocinante anschnallen. Auch Werkzeuge und ähnliches muss festgemacht werden, sonst fliegt es in der Gegend rum. Oder Menschen zerreisst es, wenn stark abgebremst wird.
Aufgrund der hohen Beschleunigungskraft steuern die Piloten ihre Raumschiffe mit den Fingern. Sie könnten sich gar nicht bewegen, um aufrecht sitzend mit den Armen zu steuern.
Vieles in «The Expanse» ist also wissenschaftlich akkurat. Kennst du weitere Beispiele, wo «The Expanse» besonders Wert auf wissenschaftliche Genauigkeit legt? Oder vielleicht genau das Gegenteil der Fall ist?
Die letzte Staffel von «The Expanse» startet am 10. Dezember auf Prime Video.Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.