Hintergrund

Von «Pong» zu «Cyberpunk 2077»: die Evolution von Game-Grafik

Zwischen dem schwarzweissen Tennis-Spiel «Pong» und dem neonfarben Sci-Fi-Blockbuster «Cyberpunk 2077» liegt ein halbes Jahrhundert. Zahlreiche Meilensteine haben in dieser Zeit die Game-Grafik massgeblich geprägt.

«Pong» ist streng genommen nicht das erste Videospiel. Diese Ehre gebührt «Tennis for Two». US-Physiker William Higinbotham, der die Atombombe mitentwickelt hat, wandelte 1958 ein Oszilloskop in ein interaktives Spiel um. «Pong» erschien erst 14 Jahre später, legte jedoch den Grundstein für eine rasant wachsende Spieleindustrie.

«Pong» bringt den Ball ins Rollen

1972 kreiert Elektronikingenieur Allan Alcorn für Atari den «Pong»-Spielautomaten. Auf dem braun-gelben Monstrum können zwei Personen mit einer Auflösung von 858 × 525 Pixeln digitales Tennis gegeneinander spielen. Software oder Code hat beim Erzeugen des Bildes und des Sounds noch keinen Einfluss – genauso wenig wie eine CPU oder RAM. Stattdessen sind Elektronik-Kenntnisse gefragt, um die Schaltkreise zu entwickeln, die «Pong» zum Leben erwecken. Die Grafik, wenn man sie überhaupt so nennen kann, haut niemanden aus den Socken. Ausser den beiden Paddeln, dem Ball und der Spielstandanzeige gibt es nichts zu sehen. Auch gibt es bereits Farbfernseher, die den schwarzweissen Kathodenstrahlröhrenbildschirm im «Pong»-Automaten überflügeln. «Pong» erobert dennoch die ganze Welt. Das Spiel ist so simpel wie genial und markiert den Startschuss einer rasant wachsenden Industrie.

«Pong» ist rudimentär und doch packend.
«Pong» ist rudimentär und doch packend.
Quelle: Atari

«Solaris»: Im Weltraum mit Atari

Der «Pong»-Automat steht für die Gründung von Atari, aber erst die Heimkonsole macht das Unternehmen unsterblich. 1977 lanciert die von Nolan Bushnell und Ted Dabey gegründete Firma einen schwarzbraunen Kasten namens Atari VCS. Die Abkürzung steht für Video Computer System. Später wird die 8-bit-Konsole in Atari 2600 umbenannt. Spiele kommen auf Kassetten und können so einfach ausgetauscht werden. Das wohl berümteste heisst «Space Invaders». Dass die Spielhallen-Sensation plötzlich zuhause gespielt werden kann, macht den Atari 2600 zum heissesten Spielzeug auf dem Markt. Während «Space Invaders» durch das süchtig machende Gameplay zum Klassiker mutiert, gibt es in der Atari-Bibliothek visuell beeindruckendere Titel.

«Solaris» bringt den Atari ans Limit.
«Solaris» bringt den Atari ans Limit.
Quelle: Atari

Neben «Defender» (1982) und «Battlezone (1983) zählt «Solaris» aus dem Jahre 1986 zu den grafisch imposantesten Spielen der Generation. Konsolen wie der Atari 2600 setzen auf Mikrochips anstelle fest verdrahteter Schaltkreise. Eine Prozessorleistung von 1,19 MHz und 128 Bytes RAM klingen nach nichts. Zum Vergleich: Eine PS5 wird 34 Jahre später 3000 Mal schneller takten und 125 Millionen Mal mehr RAM besitzen. Die Leistung reicht den Entwicklerinnnen und Entwicklern aber längst, um ihre Visionen zu verwirklichen. Eine solche hat Doug Neubauer. Er macht sich einen Namen als Chip-Designer und mit dem Spieleklassiker «Star Raiders». Mit «Solaris» bringt er den Atari 2600 endgültig ans Limit.

Passen die ersten Spiele auf gerade Mal 2 KB grosse Speichermodule (ROM), benötigt «Solaris» exorbitante 16 KB Platz. Dafür kannst du mit deinem Raumschiff 16 verschiedene Quadranten erkunden, die alle anders aussehen. In einer Zeit, in der die meisten Spiele aus einem Bildschirm bestehen, ist das nichts weniger als mindblowing. Planeten, die an dir vorbeirauschen und Raumschiffe, die in tausend Pixel (ca. 30) explodieren, wenn sie dein Laser trifft, geben dir das Gefühl, den echten Weltraum zu erkunden.

«Batman: Return of the Joker»: Nintendo übernimmt das Zepter

Nachdem die amerikanische Game-Branche 1983 durch die Flut mittelmässiger Spiele und einer Marktübersättigung in sich zusammenfällt, steigt Nintendo aus der Asche empor. Mit dem Nintendo Entertainment System, kurz NES, lanciert das japanische Unternehmen 1985 eine Spielkonsole, die alles bisher Dagewesene wegfegt. Besonders das vom japanischen Studio Sunsoft entwickelte «Batman: Return of the Joker» sticht im NES-Lineup heraus. Das Spiel glänzt durch detailreiche Hintergründe und einer trotz Hardware-Limitation breiten Farbpalette, die eine herrlich düstere Stimmung erzeugt.

«Batman: Return of the Joker» glänzt mit detaillierter Pixelgrafik.
«Batman: Return of the Joker» glänzt mit detaillierter Pixelgrafik.
Quelle: Sunsoft

Super Nintendo vs. Sega Mega Drive: Fette Beute dank Konsolenkrieg

Den nächsten grossen Grafik-Sprung ermöglichen die 16-Bit-Konsolen Super Nintendo und Sega Mega Drive. Die beiden japanischen Unternehmen liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Vorherrschaft im Konsolenmarkt. Das schlägt sich in vielen bemerkenswerten Spielen nieder.

«F-ZERO» ist ein Paradebeispiel für die Super-Nintendo-Architektur.
«F-ZERO» ist ein Paradebeispiel für die Super-Nintendo-Architektur.
Quelle: Nintendo

Beim Super Nintendo zählt «F-ZERO» zu den grafischen Höhepunkten. Das Race-Game bietet 1990 ein nie dagewesenes, schnelles Rennerlebnis. Anders als «Super Mario Kart» läuft das Spiel zudem im Vollbildmodus und nicht im Splitscreen. Dank der Mode-7-Konsolen-Funktion, kreiert Nintendos Software-Division unter der Leitung von Shigeru Miyamoto täuschend echte 3D-Umgebungen.

«Aladdin» glänzt mit geschmeidigen Animationen und handgezeichnetem Design.
«Aladdin» glänzt mit geschmeidigen Animationen und handgezeichnetem Design.
Quelle: Virgin Interactive

Auch der Mega Drive glänzt mit einer umfassenden Spielebibliothek. Allen voran «Aladdin». In meiner einwöchigen Retro-Diät lobte ich bereist das zeitlose Design der Disney-Filmadaption. Von den Animationen zu den tollen Hintergründen bis zum Sound passt einfach alles. Virgin Interactive scannt dafür handgezeichnete Designs, um so den Look der Filmvorlage zu reproduzieren. Um diese kompatibel mit der Mega-Drive-Hardware zu machen, müssen die Entwickler die hochauflösenden Bilder anschliessend umwandeln und die dabei entstehenden Artefakte manuell ausbessern. Der Aufwand zahlt sich aus. «Aladdin» mausert sich zum drittmeist verkauften Mega-Drive-Spiel.

«Doom» ballert sich in den Spieleolymp

In einer Zeit der Point-and-Click-Adventures und Jump’n’Run-Spiele erscheint ein Game, das alles andere in den Schatten stellt. «Doom» ist schnell, düster und blutig. Aus der Ich-Perspektive rennst du als Space Marine durch dunkle Korridore voll höllischer Kreaturen, die du mit deiner Schrotflinte zu Brei verwandelst. Untermalt wird das Ganze von einem wuchtigen Metal-Soundtrack.

«Doom» von id Software schlägt 1993 ein wie eine Bombe. Zwar hat das Studio mit «Wolfenstein 3D» ein Jahr zuvor bereits einen 3D-Shooter veröffentlicht. Die Levels dort sind jedoch ausschliesslich auf einer horizontalen Ebene. In «Doom» sind sie auch vertikal. Dämonen schleudern Feuerbälle von Balkonen auf dich. Mit Aufzügen gelangst du in höher oder tiefer gelegene Bereiche. Die Gegnervielfalt reicht vom besessenen Zombieman über die schwebenden, einäugigen Cacodemons bis hin zur Roboterspinne Spider Mastermind.

Kein Spiel ist damals schneller und imposanter als «Doom».
Kein Spiel ist damals schneller und imposanter als «Doom».
Quelle: id Games

Die Bewegungen in «Doom» sind geschmeidiger und vor allem schneller als in allen vergleichbaren Spielen. Zu verdanken ist es der von John Carmack entwickelten Engine – schlicht «Doom Engine» genannt. Dafür setzt das Team auf spezielle Highend-Workstations, die mit Steve Jobs’ NeXT-Betriebssystem laufen. Schon als das Studio noch an der Jump’n’Run-Serie «Commander Keen» arbeitete, gelangen Carmack immer wieder technische Wunder. Damals sorgte er mit flüssigem Bildschirm-Scrollen für offene Münder. Etwas, das sonst nur der NES mit 2D-Spielen wie «Super Mario Bros.» beherrscht.

Für die unheimliche Stimmung in «Doom» sorgt besonders die Beleuchtung. Das Spiel berechnet den Lichtlevel eines Bereichs mithilfe eines vordefinierten Helligkeitswerts. Daraus entsteht eine Farbpalette, die gewisse Abschnitte dunkler und heller wirken lässt. Auch nah und weit entfernte Oberflächen erhalten so unterschiedliche Helligkeiten.

«Doom» markiert einen Wendepunkt im Bereich der PC-Spiele. Egoshooter sind fortan das dominierende Genre. Und id software zementiert seinen Ruf als Studio, das Spiele mit herausragender Grafik produziert.

«Wipeout»: Highspeed, «Prodigy» und Playstation

Die Playstation, wie wir sie kennen, entsteht massgeblich, weil Nintendo Sony vor den Kopf stösst. Die Landsgenossen arbeiten ursprünglich gemeinsam an einer CD-Version des Super Nintendos sowie der sogenannten Play Station. Letztere soll ebenfalls Nintendo-Titel abspielen. Kurz vor Release wechselt Nintendo die Meinung und setzt auf die Partnerschaft mit dem holländischen Philips-Konzern. Sony reagiert mit dem vielleicht wegweisendsten Entscheid der Firmengeschichte. Die Play Station heisst fortan Playstation und wird zur eigenständigen Plattform.

«Wipeout» ist das Aushängeschild der ersten Playstation.
«Wipeout» ist das Aushängeschild der ersten Playstation.
Quelle: Psygnosis

Die Playstation erobert den Markt im Sturm. Ein entscheidender Faktor ist das CD-ROM-Laufwerk. Bis dahin setzten die führenden Konsolenhersteller Sega und Nintendo auf das Modul-Format. Die Playstation beherrscht Polygon-Rendertechnik sowie moderne 3D-Geometrie und Beleuchtung. Ausserdem besitzt die CD deutlich mehr Speicherplatz. Das erlaubt das Speichern komplexer Soundtracks, die dank des SPU-Audio-Prozessors besser klingen als je zuvor. Vorbei ist die Zeit von piepsenden Chiptunes. Das ist besonders beim neuen Spiel «Wipeout» des britischen Studios Psygnosis essenziell.

In diesem futuristischen Rennspiel rast du zu Tracks wie Prodigys «No God» über die Rennstrecke. Das Highlight ist jedoch «Firestarter», ebenfalls von The Prodigy. Zu hören ist er im Nachfolger «Wipeout 2097». Kein Track hat jemals besser zu einem Spiel gepasst.

Auch visuell hebt sich «Wipeout» aus der Masse empor. Es beginnt bei den ikonischen Raumschiffen mit verheissungsvollen Namen wie «Piranha». Inspiriert hat sich das Studio bei «Matrix Marauders», einem Titel für Amiga und Atari ST.

Mit dem Nachfolger «Wipeout 2097» erlangt die Serie endgültig Kultstatus.
Mit dem Nachfolger «Wipeout 2097» erlangt die Serie endgültig Kultstatus.
Quelle: Psygnosis

Im Cockpit der futuristischen Gleiter zieht die dreidimensionale Welt in rasantem Tempo an dir vorbei. Aber es wird nicht nur gerast, sondern auch mit Raketen und Minen gekämpft. Dagegen wirkt «Super Mario Kart» träge und kindlich. Ursprünglich peilt Psygnosis 60 Hz an. Am Ende sind die technischen Hürden zu hoch und man beschränkt sich auf 30 Hz. Das verlangsamt das Spielgefühl, aber selbst damit sorgt der Geschwindigkeitsrausch fast für Schwindelanfälle.

Marios Sprung in die dritte Dimension: «Super Mario 64»

Mit der 64-Bit-Konsole Nintendo 64 liefert Nintendo die nächste Revolution und stellt die Gaming-Welt mit «Super Mario 64» auf den Kopf. Es ist nicht nur das erste dreidimensionale «Super Mario»-Spiel, es ist auch das erste Game, das es schafft, einen Plattformer erfolgreich in die dritte Dimension zu transportieren. Ein vermeintlich unmögliches Unterfangen, weil die Kamerasteuerung und die Tiefenwahrnehmung in 3D deutlich schwieriger als in 2D sind.

Als grosse Herausforderung stellen sich auch die Animationen von Mario heraus. Da es nichts Vergleichbares gibt, ist das Nintendo-Team auf sich alleine gestellt. Es meistert die Herausforderung mit Bravour. Die 3D-Polygon-Welt – Pixel sind passé – besticht durch farbenfrohe Vielfalt, wie man sie noch nicht erlebt hat. Du kannst dich frei in alle Richtungen bewegen. Mario kann Gegner von jeder Seite angreifen, verschneite Hänge herunterrutschen oder mit Nessie, dem Seemonster tauchen. «Super Mario 64» ist nicht nur ein technisches Wunderwerk, sondern auch spielerisch eine Wucht und damit wird das Spiel unvergesslich.

Mario meistert den Sprung in die dritte Dimension mit Bravour.
Mario meistert den Sprung in die dritte Dimension mit Bravour.
Quelle: Nintendo

In Zeitlupe auf den Action-Thron: «Max Payne»

Wer glaubt, «The Matrix» sei die Vorlage für «Max Payne», täuscht sich. Die Action-Sensation der Wachowski-Geschwister aus dem Jahre 1998 ist geprägt von atemberaubenden Zeitlupen-Effekten. Auch im Film-Noir-Shooter «Max Payne» hechtest du geschmeidig durch die Luft, während die Gegner praktisch stillstehen. Laut dem Story-Verantwortlichen Sam Lake, der sich später zum Game Director des finnischen Studios Remedy mausern sollte, sind die Parallelen bloss ein glücklicher Zufall. Die ikonische Zeitlupen-Action namens Bullet Time war bereits Teil des Spiels, als «The Matrix» den Hype für das Hong-Kong-Action-Kino lostritt. Von dort liess sich Remedy inspirieren – genau wie die Wachowskis.

«Max Payne» holt das «Matrix»-Actionerlebnis auf den PC.
«Max Payne» holt das «Matrix»-Actionerlebnis auf den PC.
Quelle: Remedy

Die Bullet-Time-Effekte in «Max Payne» sind etwas, das die Spielwelt 2001 noch nie gesehen hat. Wie die Kamera Patronen folgt, während sie langsam aber tödlich auf ihr Ziel zusteuern, ist schlichtweg bahnbrechend.

Die düstere Story wird auf ungewöhnliche Weise mit vertonten Comic-Panels erzählt. Sie verstärken den Film-Noir-Stil zusätzlich. Und genau wie das einzigartige Gameplay brennt sich auch Max Paynes Visage für immer ins kollektive Gedächtnis ein. Weil das Studio kein Budget für einen professionellen Schauspieler hat, leiht kurzerhand Sam Lake dem Helden sein Gesicht. Da die Technik keine Animationen zulässt, besteht das Gesicht lediglich aus drei austauschbaren Ausdrücken: neutral, grinsend und das Schiess-Gesicht, das ein bisschen so aussieht, als hätte Max Payne Verstopfungen.

Mit der Brechstange zum Legendenstatus: «Half-Life 2»

Weder der verpasste, gross angekündigte Release-Termin am 30. September 2003 noch der gestohlene Sourcecode durch einen deutschen Hacker können den Erfolg von «Half-Life 2» bremsen. Gordon Freemans Kampf gegen die unheimlichen Combine-Aliens glänzt durch packende Action, intelligentes Gegnerdesign und eine Engine mit sehr alten Wurzeln.

Das Leveldesign ist zeitlos.
Das Leveldesign ist zeitlos.
Quelle: Valve

«Half-Life 2» basiert auf der Source-Engine, die eine Weiterentwicklung der GoldSCR Engine ist, welche wiederum eine stark veränderte Version der Quake Engine ist. Diese antiquarisch wirkende Grundlage behindert das Spiel in keinster Weise, im Gegenteil. Sie ermöglicht den Einsatz von über 3500 Modellen und fast 10 000 Materialien im Vergleich zu den 300 Modellen und 4000 Materialien im ersten «Half-Life». Damit schaffen Valves Designer ikonische Level, wie die orwellschen City 17, die kriegsgebeutelten Vororte oder das Nova-Prospekt-Gefängnis. In letzterem stechen aus technischer Sicht die dicken Riffel-Glaswände hervor, hinter denen die Umrisse patroulierender Combine-Soldaten auszumachen sind.

Mindestens so beeindruckend wie das Leveldesign sind die detaillierten Gesichtsanimationen, die den Charakteren noch mehr Ausdrucksfähigkeit ermöglichen. Ohne sie würde sich Alyx nie zu einer der populärsten Nebenfiguren entwickeln. Das Wasserdesign, das besonders bei den Rennbot-Passagen zum Tragen kommt, wirkt durch Umgebungsreflexionen und die Bewegungen äusserst realistisch. Das Meiste sind nur Täuschungen, die nichts mit moderner Echtzeitbeleuchtung wie Raytracing zu tun haben. Dennoch haben Menschen, Monster und Roboterhunde nie überzeugender ausgesehen.

Apropos Realismus: Die Physik spielt eine noch wichtigere Rolle als im ersten Teil. Fässer katapultierst du mit der Gravity Gun auf Gegner oder du funktionierst Sägeblätter zu tödlichen Wurfgeschossen um. Ebenso oft kommt die Physik bei Rätseln zum Einsatz. Etwa, wenn sie einer Rampe im Wasser Auftrieb verleihen muss, damit Gordon mit seinem Boot ein Hindernis überwinden kann. In einer Zeit, in der die meisten Objekte in Spielen statisch sind, ist das ein Game-Changer.

«But can it run Crysis?»

Der Hardwarehunger von Cryteks Egoshooter ist so legendär, dass er zum Meme verkommt. «Crysis» bietet eine Grafikpracht, wie man sie nur vom Sprung auf eine neue Konsole kennt. Als Supersoldat mit einem Spezialanzug, der dich unsichtbar macht oder dich auf Häuser springen lässt, landest du auf einer tropischen Insel. Dort untersuchst du merkwürdige Vorkommnisse, die sich als Alieninvasion herausstellen.

«Crysis» wird noch Jahre später der Benchmark für Spielegrafik sein.
«Crysis» wird noch Jahre später der Benchmark für Spielegrafik sein.
Quelle: Crytek

«Crysis» spielt sich wie ein packender Actionfilm. In der Hauptrolle: die Grafik. Das fängt bei den Kameraden an, deren Gesichter das allererste sind, das du zu sehen bekommst. Und zwar so richtig nah. Und meine Güte, sehen die fantastisch aus. Zu verdanken sind sie dem geschickten Einsatz von Shadern und einer Heatmap für das Gesicht, die bestimmt, wo das Licht hinfällt. Sogar Poren und feine Grübchen sind zu erkennen. «Crysis» ist der Konkurrenz Jahre voraus.

Die Gesichtsanimationen sind unvergleichlich.
Die Gesichtsanimationen sind unvergleichlich.
Quelle: Crytek

Das Staunen geht nach dem Absprung aus dem Flugzeug weiter. Du fliegst durch flauschige Wolken und landest anschliessend im Meer, auf welchem sich das Mondlicht spiegelt. Beim Erkunden des dichtbewaldeten Dschungels musst du aufpassen, dass du vor lauter Staunen über die plastischen Palmenblätter und das hohe Gras nicht in einen Gegner stolperst.

Die Cryengine liefert hochaufgelöste Texturen, die sogar Fahrzeugspuren im Boden detailliert darstellen kann. Es gibt steinige Böden, die plastisch sind und nicht einfach zweidimensionale Texturen. Und natürlich gibt es spektakuläre Explosionen, wenn Fässer in die Luft fliegen oder du mit dem Panzer in den Kampf ziehst.

Ein Grund, warum auch Jahre später PCs mit «Crysis» zu kämpfen haben: Crytek spekuliert bei der Entwicklung darauf, dass der CPU-Takt weiterhin riesige Sprünge macht. 8-GHz-Pentiums bleiben aber Wunschdenken. Stattdessen geht die Entwicklung in Richtung mehr Kerne und mehr Threads. Nur die nützen der zugrunde liegenden Cryengine wenig. Und so wird das Meme «But can it run Crysis?» lange nach Ablaufdatum noch die Runde machen.

Ein Spiel wie ein Film: «Uncharted 2»

Auch Konsolen wissen zu protzen und niemand macht das 2009 besser als «Uncharted 2». Kniehoher Schnee, der detaillierte Spuren hinterlässt, Höhlen, die von magischem blauen Fackellicht erleuchtet werden oder malerische Bergdörfer vor den Kulissen des Himalayas.

«Uncharted 2» brilliert durch gescriptete Action, die visuell perfekt inszeniert ist.
«Uncharted 2» brilliert durch gescriptete Action, die visuell perfekt inszeniert ist.
Quelle: Naughty Dog

Schon die ersten Minuten in «Uncharted 2» sind schweisstreibend und atemberaubend zugleich. Du steuerst den Held der Geschichte, Nathan Drake, wie er aus einem entgleisten Zug klettert, der senkrecht über einem Abgrund baumelt. Mit spektakulären Manövern angelst du dich in- und ausserhalb des Wagons dem Zug entlang. Haltestangen reissen ab, Sitzbänke stürzen in die Tiefe und langsam fängt der ganze Zug an, die Klippe hinunter zu rutschen. Alles während du panisch einen Weg nach oben suchst. Mehr als 60 Kameraeinstellungen kommen zum Einsatz, um die Szene so dramatisch wie möglich zu inszenieren.

Die Zugszene ist nur der Auftakt zu einer visuell fantastischen Reise rund um den Globus, in einer Pracht und Detailvielfalt, wie du sie noch nicht erlebt hast.

Das Synonym für Openworld: «The Witcher 3»

Wer an «The Witcher 3» denkt, denkt an Openworld. Auch Jahre später wird die Heimat des Hexers die Genre-Referenz sein. So weit das Auge reicht, erstreckt sich eine lebendig wirkende Fantasy-Welt mit ungeahnten spielerischen Freiheiten. Von der dicht besiedelten Stadt Novigrad, über die Militärcamps des Nilfgardischen Königreichs bis hin zu den verschneiten Gipfeln in Skellige. Der Reveal-Trailer zeigt Gerald bei der Jagd eines Greifen. Die Fans sind bei der Enthüllung hin und weg von der visuellen Pracht. Auch wenn sich einige beschweren, dass das finale Spiel nicht exakt so aussieht wie im Trailer, ist der Konsens, dass «The Witcher 3» eines der schönsten Spiele überhaupt ist.

Die Spielwelt von «The Witcher 3» ist lebendiger, als alles bisher dagewesene.
Die Spielwelt von «The Witcher 3» ist lebendiger, als alles bisher dagewesene.
Quelle: CD Projekt RED

Das polnische Studio CD Projekt RED setzt dabei auf die hauseigene REDengine 3. Damit erschaffen die Entwickler eine massive Welt, die du praktisch ohne Ladezeiten erkunden kannst. Ein Grund, warum sie eine so magische Anziehung besitzt, liegt daran, dass sich das Team an echten Landschaften orientiert. Für die zerklüftete Insel Skellige beispielsweise reist CD Projekt RED nach Schottland. Verschiedene Felsformationen oder Fjorde sind direkte Nachbildungen von Schottlands Naturerbe.

Ein weiterer Grund, warum die Welt so authentisch wirkt: Bei der Topographie wird darauf geachtet, dass sie auch in der echten Welt Sinn ergeben würde. Flüsse sind in der Regel dort, wo sie auch in der Natur ihren Weg gefunden hätten. Dörfer oder Häuser werden nicht einfach nach visuellen Kritierien platziert, sondern so, wie es zu damaligen Zeiten üblich war. Inklusive der Inneneinrichtung, die im Falle von Skellige bei den Vikinger abgeschaut wurde. Dort war die Feuerstelle meist das Zentrum eines Gebäudes.

Die Engine ermöglicht zudem ein dynamisches Kamerasystem, das herauszoomt, um epische Kämpfe in ihrer ganzen Pracht zu zeigen oder mit Nahaufnahmen Dialoge persönlicher macht.

Apropos Dialoge: Die Gesichts- und Körperanimationen sowie das Haardesign kosten alleine fast 30 Prozent Leistung. Dafür stehen sie ausser Konkurrenz zu anderen Openworld-Spielen. Die Schauspieler und Schauspielerinnen, die dafür Pate stehen, können sich richtig reinknien und das nicht nur bei akrobatischen Liebesszenen auf ausgestopften Einhörnern.

Schottland diente als Vorlage für das verschneite Skellige.
Schottland diente als Vorlage für das verschneite Skellige.
Quelle: CD Projekt RED

Der aktuelle Benchmark: «Cyberpunk 2077»

Im gleichen Jahr wie Naughty Dog mit «The Last of Us Part 2» aufs Neue beweist, dass ihnen beim Detailgrad und Gesichtsanimationen kaum jemand das Wasser reichen kann, doppelt auch CD Projekt RED mit einem neuen Meisterwerk nach. Diesen Titel verdient es sich endgültig mit dem 2.0-Update und der Erweiterung «Phantom Liberty». Die Vertikalität, die imense Dichte an Umgebungsdetails und die physikalische Lichtsimulation durch Raytracing beeindrucken aber bereits zum Launch – sofern keiner der unzähligen Bugs das Erlebnis trübt.

Das Zusammenspiel aus Lichteffeken und dem hohen Detailgrad machen «Cyberpunk 2077» zu einem visuellen Meisterwerk.
Das Zusammenspiel aus Lichteffeken und dem hohen Detailgrad machen «Cyberpunk 2077» zu einem visuellen Meisterwerk.
Quelle: CD Projekt RED

Mit dem 2.0-Update fliessen neben spielerischen Verbesserungen, zahlreiche visuelle Änderungen ein. Voraussetzung für die Grafikpracht ist ein Highend-PC. Damit kommt man unter anderem in den Genuss von Path Tracing, welches das komplette Lichtdesign umkrempelt. Das lässt die neonfarbene Metropole Night City noch beeindruckender aussehen. Die Stadt bietet durch das Blade-Runner-Setting den perfekten Spielplatz für Designerinnen, sich visuell auszutoben. Am besten zur Geltung kommt das in Dogtown, dem neuen Stadtkreis der Erweiterung. An jeder Strassenecke thront ein sonderbares Bauwerk mit knalliger LED-Beleuchtung, die sich in Pfützen und Fenstern spiegelt.

Die jüngsten Updates machen das Spiel durch neue Beleuchtungstechniken noch imposanter.
Die jüngsten Updates machen das Spiel durch neue Beleuchtungstechniken noch imposanter.
Quelle: CD Projekt RED

Das dialoglastige Spiel glänzt auch bei den Gesichtsanimationen. Dabei arbeiten verschiedene Techniken in perfekter Symbiose miteinander. Sub Surface Scattering simuliert Licht bei halbtransparenten Oberflächen wie Bärten. Realistische Hautbeleuchtung und Gesichtsmimik sorgen dafür, dass Emotionen klar lesbar sind. Und die detaillierte Kleidung setzt dem ganzen den Hut auf.

Genau wie bei «The Witcher 3» ist die Kamera in Unterhaltungen dynamisch und verleiht den Emotionen der Figuren zusätzlich Ausdruck. Der Detailreichtum der Welt von den staubigen Badlands mit rostigen Solarfeldern, über das schrille Japan Town bis hin zum Sperrgebiet Dogtown ist kaum zu überbieten. Damit stellt das futuristische Openworld-Spektakel die aktuelle Referenz, wie gut Spiele aussehen können.

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