«Unsere Ferien beginnen dann, wenn ihr wieder in die Schule geht»
Drei Wochen Familienferien in Dänemark liegen hinter uns. Waren sie erholsam? Zumindest ein bisschen? Ein Erfahrungsbericht.
Leise läuft das Radio im Auto, draussen ist es noch dunkel. Meine Frau und ich geniessen die Ruhe im vollgepackten Auto. Es geht nach Dänemark. Eines kann ich schon verraten. Auch wenn es mit der Ruhe schnell vorbei war, schön waren sie trotzdem unsere Sommerferien in Dänemark, die leider einmal mehr viel zu schnell vorbei gingen.
Doch wie meine Kollegin Katja vor knapp einem Monat in ihrem Ratgeber richtig geschrieben hat, sind Ferien OHNE Kinder nicht gleich Ferien MIT Kindern. Böse Zungen würde sogar behaupten, Letzteres verdiene diese Bezeichnung gar nicht, da Urlaub mit Kindern per se nicht dem Erholungszweck dienen kann. Als Vater einer bald achtjährigen Tochter und eines neunjährigen Sohnes kann ich bestätigen: Ja, der Begriff Ferien muss mit einem oder mehreren Kindern komplett neu definiert werden. Gerade mit kleinen Kindern kann es sein, dass du nach den Ferien noch weniger erholt bist als vorher. Die gute Nachricht: Mit fortschreitendem Alter der Kinder nimmt auch der Erholungsfaktor wieder zu – dachte ich immer. Trifft das auch auf die Sommerferien dieses Jahr in Dänemark zu? Hier mein Fazit:
1. Vor der Abreise
Wie du dein Auto möglichst entspannt und stressfrei reisebereit machst, habe ich in diesem Artikel beschrieben.
Doch bekanntlich sind Theorie und Praxis zwei paar Schuhe. So verlief das Autopacken bei mir auch dieses Jahr nicht ganz stressfrei. Das lag wohl auch daran, dass ich besonders effizient und schlau packen wollte, da wir dieses Jahr auf die Dachbox verzichtet haben – der Grund waren die hohen Spritpreise. Wobei schlau ein weiter Begriff ist. So kommen etwa unsere Schuhe immer samt und sonders in eine grosse Ikea-Tasche, obwohl man die Schuhe auch sehr gut einzeln in Zwischenräume im Auto verstauen könnte.
Und obwohl ich dem Velohelmtragen bekanntlich nicht sehr zugetan bin, fanden heuer sogar vier Velohelme den Weg in den Kofferraum, die sogar meistens zum Einsatz kamen.
2. Die Hinreise
Eine 15-stündige Reise im Auto ist weiss Gott kein Klacks. Was also tun, wenn die Kinder erst einmal wach sind? Früher war das Unterhaltungsprogramm so dürftig, dass wir uns diese Frage gar nicht stellten. Ich erinnere mich noch gut, wie ich als Kind die rund 15-stündige Autofahrt nach Dänemark ohne DVD oder Gamen überstanden habe. Ok, immerhin Kasperlikassetten gab es schon. Ansonsten blieb nur stundenlanges Rausschauen und nach Möglichkeit nach einer Beschäftigung suchen. So erstellte ich etwa Statistiken, wie viele PKWs aus welchen Ländern unterwegs und welche Automarken am meisten anzutreffen waren. Ganz nebenbei bekam ich auch noch mit, wie sich die Landschaft langsam veränderte und so zum Beispiel die Laubbäume immer mehr von Nadelbäumen abgelöst wurden. Diese Veränderungen erleben meine Kinder leider nur noch sehr am Rande. Zwar versuchen meine Frau und ich, das DVD-Schauen so lange wie möglich hinauszuzögern. Doch ist die erste (von gefühlt 30 in der Stadtbibliothek ausgeliehenen) Scheiben erst mal im Player, gibts kein Zurück mehr.
Dies ist auch einer guten Portion Eigennützigkeit geschuldet. Denn während die Kinder gebannt und dank Kopfhörern von der Aussenwelt abgeschottet in den Bildschirm starren, können wir Eltern vorne im Cockpit unserer Musik, unseren Podcasts oder unseren Hörbüchern lauschen.
Um schneller ans Ziel zu kommen (und auch um das Portemonnaie zu schonen, das noch früh genug bluten wird), gibt’s für unterwegs am Abend zuvor zubereitete Sandwiches und Snacks. Dumm nur, dass wir die Kindersitze irgendwann mal noch auf Ricardo verticken wollten. Für mehr als einen Franken werden wir die Dinger nach einer 15-stündigen Fahrt mit Chips, Süssigkeiten und Coca Cola wohl nicht mehr los.
3. Der Aufenthalt
Gerade Familien fahren an den immer gleichen Ort in die Ferien, so auch wir, die schon regelmässig in den Hohen Norden gereist sind. Der Grund ist einfach: Nicht nur für uns Erwachsene ist es entspannend, zu wissen, was einen erwartet und sich am Ankunftsort nicht zuerst komplett neu orientieren zu müssen. Vor allem für Kinder ist es wunderbar, wenn sich am Urlaubsort eine Art «Zuhause»-Gefühl einstellt.
Wie meine Kollegin in ihrem Ratgeber richtig sagt: «happy kids, happy parents». Deshalb empfiehlt es sich tatsächlich, das Ferienprogramm den Bedürfnissen der Kinder anzupassen. Gerade Jungeltern machen am Anfang den Fehler und meinen, trotz Kind würden sich die Ferien wie anno dazumal gestalten lassen. Doch die meisten Eltern – auch wir – sehen schnell ein, dass es sinn- und zwecklos ist, so zu tun, als hätte sich ausser der Anzahl der Familienmitglieder nichts verändert. Das Programm den Bedürfnissen der Kinder anzupassen, bedeutet dabei nicht automatisch, dass dies den Interessen der Eltern zuwiderlaufen muss. Wie oft ist es in den vergangen Jahren bei uns schon vorgekommen, dass die Kinder eine Sandburg bauen wollten. Wenn die Kinder dann längst schon wieder am Planschen waren, hat meine Wenigkeit mit nicht zu knappem Ehrgeiz und Eifer die Burg zu Ende gebracht. Hauptsache sie war grösser und cooler als diejenige des anderen Familienvaters – Penisvergleich in Sand quasi. Dieses Jahr besuchten wir einen grossen Vergnügungspark in Kopenhagen. Was eigentlich vor allem als Kinderbespassung gedacht war, entpuppte sich bald als das beste Action-Programm für mich.
Natürlich sind drei Wochen eine lange Zeit, vor allem für Kinder. Wenn zwei Geschwister über eine so lange Zeit nur mit sich auskommen müssen, geben sie sich gerne mal Saures und mit Fortdauer der Ferien immer öfters auf die Rübe. Die Lösung? Mit einer anderen Familie in die Ferien reisen. Der Vorteil: Die Kinder bespassen sich dann gegenseitig, während sich die Eltern ihren bevorzugten Tätigkeiten (abgesehen von Apérölen) widmen können. Der ganz grosse Nachteil, weshalb ich diese Option (sorry an all meine Freunde) auch auschliesse: Es ist schon Challenge genug, die Ferien so zu gestalten, dass alle innerhalb der Kernfamilie auf ihre Kosten kommen. Sich dann noch an den Rhythmus, die Eigenheiten und Macken einer anderen Familie anpassen – no way! Auch aus diesem Grund haben wir Ausflüge wie etwa in den Vergnügungspark eher gegen Ende des Urlaubs verlegt. Ablenkung und Action sind manchmal die beste Medizin gegen aufkommenden Urlaubskoller unter Geschwistern.
Es gilt aber nicht nur «happy kids, happy parents», sondern eben auch «happy parents, happy kids». Ich kann den Tipp meiner Kollegin nur jedem zur Nachahmung empfehlen, dass sich jeder Elternteil – vorausgesetzt es ist überhaupt ein Bedürfnis – pro Tag eine Stunde für sich rausnimmt, zum Beispiel für Sport, Entspannen, Fischen oder Lesen. Weil sich dieser Vorsatz aber in der Praxis nicht immer und in letzter Konsequenz umsetzen lässt, ist es auch diese Sommerferien so rausgekommen wie so oft. Die extra vor den Ferien gekauften zwei Schinken habe ich nahezu ungelesen wieder nach Hause gebracht. Nur das Buch «Sex» des Schriftstellers und Philosophen Alain de Botton habe ich mir zu Gemüte geführt. In der Theorie hat das Thema «Sex» also stattgefunden, wobei auch in der Praxis… Lassen wir das, das Thema «Sex in den Ferien» würde den Rahmen hier sprengen und hätte einen eigenen Artikel verdient.
4. Die Heimreise
Analog der Anreise empfiehlt sich auch hier bei einer langen Autofahrt, die Reise in der Nacht zu starten. Haben wir nicht. Schlimmer: Auf dem Weg in die Schweiz hatte ich noch einen Termin bei einem Tätowierer, der mir mein erstes Tattoo stach.
Ursprünglich planten wir, in zwei Etappen in die Schweiz zurück zu reisen. Doch es kam wie so oft: Um 22 Uhr kurz vor Frankfurt: «Schatz, es sind jetzt noch etwas mehr als vier Stunden bis nach Hause. Wollen wir jetzt wirklich noch ein Hotel suchen oder nicht doch lieber einfach durchfahren?» Meine Frau kennt meine rhetorischen Fragen, natürlich fuhren wir, respektive ich, durch. Mit viel Red Bull intus und gehöriger Portion elektronischer Musik auf dem Ohr gings – auf einer nahezu verkehrsfreien Autobahn – mit 160 Sachen gen Schweiz. Bald schon war die Tochter eingeschlafen, nicht so der Sohnemann geschweige denn meine Frau im Nebensitz, die nach dem Motto «vier Augen sehen mehr als zwei» Stellung hielt. Kurz nach 3 Uhr waren wir dann endlich zu Hause. Während sich Frau und Sohn schlafen legten, packte ich – aufgekratzt wie ich war – das Auto aus und machte gleich eine erste Wäsche.
Dumm nur, dass wir alle am nächsten Morgen bei einer Aussentemperatur von bereits über 20 Grad kurz nach 8 Uhr früh aufwachten. Wir hatten dann noch einige Tage an einer Art Jetlag zu kauen, war die Heimfahrt an einem Stück doch nicht ganz ohne. Schön und erholsam waren die Ferien im nicht ganz so heissen Norden trotz oder gerade wegen der Kinder. Denn gerade ich tendiere dazu, immer viel zu viel in einen Tag packen zu wollen. Die Kinder zwingen einen quasi, einen Gang runterzuschalten. Am Erholungseffekt ändert auch nichts, dass meine Frau und ich unseren Kindern mehr als einmal sagten: «Wisst ihr was? Unsere Ferien beginnen eigentlich erst dann, wenn ihr wieder in die Schule geht.»
Zweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.