Twitter: Trump entsperrt, Ex-Belegschaft klagt und der Bienenstock wächst
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Twitter: Trump entsperrt, Ex-Belegschaft klagt und der Bienenstock wächst

Donald Trump darf wieder twittern. Musk beendet die Entlassungswelle und andere Kurznachrichtendienste geniessen Aufwind. Hier sind aktuelle Twitter-News im Überblick.

Fast ein Monat ist es her, seit Elon Musk das Zepter bei Twitter übernommen hat. Noch immer schlagen die Entscheidungen des Neubesitzers grosse Wellen. Das sind die wichtigsten Ereignisse der vergangenen zwei Wochen.

Donald Trump entsperrt – und weitere folgen

Die Vermutungen wurden zur Tatsache: Am 20. November entsperrte Elon Musk den amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump. Das, nachdem Musk zuvor seine Followerinnen und Follower via Twitter darüber abstimmen liess.

Trump wurde Anfang 2021 auf Twitter gesperrt, nachdem gewisse Anhänger und Anhängerinnen das Kapitol in Washington gestürmt hatten. Nach seiner Twitter-Sperre gründete Trump Anfang 2022 kurzerhand sein eigenes Soziales Netzwerk «Truth Social». Gemäss früheren Aussagen im April will der Immobilienmagnat dieser Plattform vorerst treu bleiben. Ob und wie lange er Musks werbenden Botschaften und den 87 Millionen Followerinnen und Followern seines Accounts fern bleibt, wird sich zeigen.

Nebst Trump entsperrte Musk auch Rapper Kanye West, den Psychologen und Autor Jordan Peterson und das rechtskonservative Magazin «The Babylon Bee». Zudem erkundigte sich Musk am 23. November in einer Twitter-Umfrage, ob Twitter «Amnestie für gesperrte Konten anbieten» soll. Vorausgesetzt, sie hätten nicht gegen das Gesetz verstossen oder Spam betrieben. Über drei Millionen beantworteten die Umfrage auf Twitter und stimmten mit über 70 Prozent dafür. Deshalb soll die Generalamnestie nächste Woche beginnen, sagt Musk in einem Tweet.

Mehr Geduld für Twitter Blue

Etwas gelegt hat sich die Hektik um das Bezahlabo «Twitter Blue». Kurz nach Musks Übernahme konnten Userinnen und User während zwei Tagen die blauen Häkchen – die zuvor die Echtheit eines Accounts anzeigten – via Twitter Blue erwerben. Das führte zu mehreren Kontroversen mit Accounts, die sich fälschlicherweise für bestimmte Unternehmen oder Personen ausgaben. Deshalb will Musk den Relaunch langsamer angehen und erst sicherstellen, dass Nachahmungen nicht mehr möglich sind.

Zurzeit können Userinnen und User Twitter Blue abonnieren. So haben sie Zugriff auf Premiumfunktionen wie zum Beispiel Tweets rückgängig zu machen – bekommen aber kein blaues Häkchen. Gewisse offizielle Accounts von Behörden und Institutionen markiert Twitter zurzeit mit grauen Häkchen. Vor dem Wochenende kündigte Musk zudem an, dass Unternehmen künftig mit goldenen Häkchen versehen werden. Der Relaunch des Bezahlabos mit den neuen Häkchen-Farben soll nächste Woche kommen.

Zurzeit haben gewisse Medien und Institutionen zusätzlich zum blauen Häkchen auch ein graues. Der Schriftzug «Offiziell» markiert den Account zusätzlich.
Zurzeit haben gewisse Medien und Institutionen zusätzlich zum blauen Häkchen auch ein graues. Der Schriftzug «Offiziell» markiert den Account zusätzlich.
Quelle: Coya Vallejo Hägi

Musk will verschlüsselte Direktnachrichten

Nebst Twitter Blue hat auch die Verschlüsselung von Direktnachrichten auf Twitter höchste Priorität. Das teilte Musk seinen Angestellten in einem Meeting am 22. November mit. Nutzerinnen und Nutzer sollen sich keine Sorgen über ihre Privatsphäre oder mögliche Datenpannen machen müssen.

Um die Verschlüsselung von Text-, Sprach- und Videonachrichten auf Twitter voranzutreiben, hat sich Musk an den Gründer der verschlüsselten Chat-App «Signal», Moxie Marlinspike, gewandt. Der Unternehmer und Kryptograf war früher bereits als IT-Sicherheitschef bei Twitter angestellt. Marlinspike sei «potenziell bereit, zu helfen». Konkretere Angaben zum geplanten Verschlüsselungsdienst auf Twitter sind nicht bekannt.

Gesucht: Neue Köpfe für Twitter 2.0

Nach der Entlassungswelle in den ersten beiden Wochen nach der Übernahme stellte Musk den verbliebenen 4000 Angestellten ein Ultimatum. Die Optionen: Bei «Twitter 2.0» und seiner Hardcore-Arbeitskultur zu bleiben oder sofort mit einer Abfindung von drei Monatslöhnen zu gehen.

Die von Musk selbst so benannte «Hardcore-Arbeitskultur» beinhaltet die grossflächige Abschaffung des Homeoffice, weniger freie Tage, längere Arbeitszeiten und strikte Performance Reviews. Bis am 17. November entschied sich die Hälfte der verbliebenen Mitarbeitenden gegen diese Hardcore-Option und sprang ab.

Nach diesem Ultimatum sei die Entlassungswelle nun am Ende, sagte Musk in einem internen Meeting
am 21. November. Ausgeschriebene Stellen gibt es zurzeit zwar nicht, doch die Personalvermittlung versuche gerade geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für «Twitter 2.0» zu begeistern.

Einer, der von alleine auf den neuen Twitter-Zug aufsprang, ist George Hotz. Er ist Entwickler, Unternehmer und erlangte Bekanntheit als erste Person, die ein iPhone gehackt hat. Er identifiziert sich so sehr mit Musks Hardcore-Kultur, dass er sich via Tweet für ein zwölfwöchiges Praktikum beim Neubesitzer anbot. Musk willigte ein und beauftragte Hotz damit, die Suchfunktion zu verbessern und das Popup zu entfernen, das Userinnen und User daran hindert, Twitter ohne Anmeldung zu nutzen.

Ehemalige Mitarbeitende wollen klagen

Auch wenn die Entlassungswelle nun am Ende ist, dürfte sie doch noch ein Nachspiel haben. Bereits Anfang November reichten gekündigte Mitarbeitende eine Sammelklage gegen Twitter ein. Das Unternehmen habe gegen Bundes- und Landesgesetze verstossen, die eine 60-tägige Kündigungsfrist für Massenentlassungen vorschreiben. Laut der Arbeitsrechtsanwältin Shannon Liss-Riordan, die bereits gegen Tesla geklagt hat, stellen gekündigte Twitter-Mitarbeitende aber weiterhin massenhaft Anfragen. Man sei dabei, eine Reihe von weiteren Rechtsansprüchen zu verfolgen.

Auch in Deutschland wehren sich gekündigte Twitter-Angestellte. Mithilfe der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft «Verdi» wollen sie gegen ihre abrupte Kündigung klagen und einen Betriebsrat gründen. Ein betroffener Mitarbeiter aus Deutschland erklärte vor Kurzem gegenüber NDR, wie die unerwartete Kündigung vonstatten ging.

Entlassene Mitarbeiter der afrikanischen Twitter-Zentrale in Ghana beschuldigen Twitter sogar, «absichtlich und rücksichtslos die Gesetze Ghanas zu missachten» und sie nach ihrer Entlassung «zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern». Das gekündigte Team aus Accra hat deshalb einen Anwalt eingeschaltet und sich zudem an den Leiter der ghanaischen Arbeitsverwaltung gewandt.

Werbeeinnahmen fehlen

Nicht nur Mitarbeitende laufen Twitter davon, sondern auch werbende Unternehmen. Mehr als ein Drittel der 100 grössten Werbetreibenden auf Twitter haben in den vergangenen zwei Wochen keine Werbung auf der Plattform geschaltet. Das zeigt eine Analyse der «Washington Post».

Für Twitter ist das ein Problem. Im vergangenen Jahr stammten fast 90 Prozent der Einnahmen aus der verkauften Werbung. Deshalb dürfte Musk vor zwei Wochen von der Möglichkeit eines Bankrotts gesprochen haben. Das «Wall Street Journal» analysiert in diesem Video, wie es um die finanzielle Gesundheit Twitters steht.

Das Zögern der werbetreibenden Unternehmen könnte mit der schwächeren Kontrolle von heiklen Inhalten zusammenhängen. Musk entliess viele Angestellte, die dafür verantwortlich waren, Twitter davon freizuhalten. Nun befürchtet die Werbekundschaft wohl, dass ihre Botschaften mit negativen Inhalten in Verbindung gebracht werden könnten.

Zudem versprach Musk nach der Übernahme, dass er ein heterogenes Panel für die Moderation von Inhalten schaffen wird. Diesem Versprechen ist er bisher nicht nachgekommen. Am 23. November erklärte er in einem Tweet, dass er die Bildung des Panels nur unter der Bedingung versprochen habe, dass Aktivisten aufhören, Werbekunden zum Boykott seiner Plattform zu drängen. Diese «Koalition politischer/sozialer Aktivistengruppen» habe die Vereinbarung gebrochen.

Einige Aktivisten, die an dem Treffen teilgenommen haben, widersprechen dem Neubesitzer. Sie hätten weder einen solchen Deal gemacht, noch würden sie jemals darauf eingehen.

Twitter-Alternativen im Aufwind

Am Horizont tauchen derweil immer mehr Alternativen zur Plattform mit dem blauen Vogel auf. Sie stammen aus verschiedenen Ecken der Welt. In den vergangenen zwei Wochen genoss das Netzwerk «Hive» – der Bienenstock – die Aufmerksamkeit vieler Nutzerinnen und Nutzer. Die Twitter-Alternative wurde von der in Kalifornien lebenden Studentin Raluca Pop ins Leben gerufen. Seit der Twitter-Übernahme verzeichnet der Dienst einen stetigen Zuwachs an Userinnen und Usern. Am 21. November erreichte die Plattform ihre erste Million.

Der Elefant steht für die Twitter-Alternative Mastodon. Auch die Kurznachrichtendienste Hive und Koo geniessen gerade Aufwind.
Der Elefant steht für die Twitter-Alternative Mastodon. Auch die Kurznachrichtendienste Hive und Koo geniessen gerade Aufwind.
Quelle: Shutterstock, Tada Images

Nicht neu, aber immer bekannter ist der Mikrobloggingdienst «Mastodon». Beim dezentralen Kurzmitteilungsdings tummeln sich bereits über sieben Millionen Userinnen und User. Wie Mastodon genau funktioniert, hat Kollege Jan Johannsen in einem Artikel aufgeschrieben.

Auch die indische Konkurrenz «Koo» gibt im Westen immer mehr zu reden. Die Unternehmer Aprameya Radhakrishna und Mayank Bidawatka gründeten den Kurznachrichtendienst im Jahr 2020. Mittlerweile haben ihn über 50 Millionen Menschen heruntergeladen. Nach der nächsten Finanzierungsrunde wird das indische Unternehmen seinen Wert auf 250 bis 300 Millionen US-Dollar verdoppeln, schreibt die «Economic Times» aus Indien. Koo wächst zurzeit auch in Brasilien – über eine Million Brasilianerinnen und Brasilianer haben sich die App in den vergangenen Tagen heruntergeladen. Das soll nicht zuletzt auch damit zusammenhängen, dass der Name der App sich wie ein Wort ausspricht, das auf Portugiesisch Hinterteil bedeutet.

Titelbild: Shutterstock, Tada Images

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«Ich will alles! Die erschütternden Tiefs, die berauschenden Hochs und das Sahnige dazwischen» – diese Worte einer amerikanischen Kult-Figur aus dem TV sprechen mir aus der Seele. Deshalb praktiziere ich diese Lebensphilosophie auch in meinem Arbeitsalltag. Das heisst für mich: Grosse, kleine, spannende und alltägliche Geschichten haben alle ihren Reiz – besonders wenn sie in bunter Reihenfolge daherkommen. 


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