Hintergrund

«Trends im Design sind unser absoluter Feind» – David Pompa über gute Gestaltung

Pia Seidel
5.2.2024
Bilder: Pia Seidel

Mehr als Lampen: Das in Mexiko ansässige Studio David Pompa stellt Lichtskulpturen aus Vulkanstein her. Dabei taucht es tief in die Materie ein. Mit dem Ziel, langlebige Produkte zu entwerfen.

Minimalistische Form und Farbe der Lampen des Designstudios David Pompa strahlen eine eigentümliche Ruhe aus. Und das, obwohl die Steinfragmente Zeugen vergangener Vulkanexplosionen sind. Auch Teammitglied und Namensgeber David Pompa wirkt gelassen. Der Mexikaner mit österreichischer Mutter ist in unserem Gespräch über sein Designleitmotiv äusserst bedacht in seiner Wortwahl. Das Wort «ich» nimmt er nur ungern in den Mund, weil er kein Freund von Alleingängen, sondern erklärter Teamplayer ist.

Nach seinem Produktdesign-Studium in London gründete er sein eigenes Produkt- und Grafikdesignbüro, das zunächst Aufträge für andere Marken ausführte. Vor etwa 13 Jahren wollte der 37-Jährige jedoch eigene Projekte angehen. Durch Zufall entdeckte er auf einer seiner jährlichen Mexikoreisen den «Barro Negro» in Oaxaca. Dieser schwarze Ton wurde bis zu jenem Zeitpunkt nur für folkloristische Objekte verwendet. Das wollten er und sein Team ändern und das zunächst plump aussehende Material in etwas Elegantes verwandeln. Dabei sollte auch das Handgemachte betont und in einen zeitgemässen Stil übersetzt werden.

Warum wolltest du nie alleine arbeiten?
David Pompa: Als ich meine Firma mit 20 gründete und die ersten Mitarbeitenden einstellte, waren diese etwa im gleichen Alter wie ich. Ich fand es damals seltsam, hierarchische Strukturen etablieren zu wollen und war auch regelmässig auf längeren Reisen. Das wäre unmöglich gewesen, ohne Verantwortung abzugeben. Ausserdem glaube ich bis heute, dass das Team der relevanteste Teil unserer Firma ist. Der Name «David Pompa» ergab sich damals nur, weil in dieser Zeit viele kreative Köpfe den Studios ihren eigenen Namen gaben – zum Beispiel Tom Dixon. Heute würde ich das nicht mehr machen. Aber den Namen jetzt zu ändern, ist schwer, weil er sich bereits etabliert hat.

Was gestaltet euer Studio heute?
Wir machen Lichtskulpturen, die es in dieser Form kein zweites Mal gibt. Anders als gewöhnliche Hersteller arbeiten wir die Essenz eines Materials heraus, das kulturell und geografisch in Mexiko verankert ist. Wir starten stets mit einer ausführlichen Recherche und arbeiten unter anderem mit der Abteilung für Geologie der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) zusammen. Dann suchen wir die besten lokalen Werkstätten, um Objekte gemeinsam umzusetzen und das volle Potenzial eines Materials auszuschöpfen.

Das Designstudio David Pompa arbeitet viel mit einem typisch mexikanischen Stein. Es schafft mit seinen Produkten Bezüge zu traditionellen Materialien und Handwerkskunst aus Mexiko.
Das Designstudio David Pompa arbeitet viel mit einem typisch mexikanischen Stein. Es schafft mit seinen Produkten Bezüge zu traditionellen Materialien und Handwerkskunst aus Mexiko.
Quelle: Pia Seidel

Was ist dein persönliches Leitmotiv beim Entwerfen?
Mein Ansatz unterscheidet sich stark vom klassischen Industriedesign-Verständnis, bei dem ein Genie-Designer etwas alleine zeichnet und umsetzt. Ich arbeite lieber mit unserem internationalen Team und unseren ausgewählten Kunsthandwerkstätten zusammen. Dieses kollaborative und organische Arbeiten ist auch sehr charakteristisch für Mexiko. Wenn ich es pointiert darstellen würde, ist Mexiko im Unterschied zu Europa ein Melting Pot unterschiedlicher Kulturen und Personen, die zusammen aus dem Chaos heraus etwas kreieren. Die mexikanische Küche funktioniert ähnlich.

Die Serie «Ambra» kombiniert antike Steine mit Aluminium.
Die Serie «Ambra» kombiniert antike Steine mit Aluminium.
Quelle: Pia Seidel

Wie sammelst du deine Inspiration?
Es ist eine grosse Herausforderung für kreative Leute, Eindrücke so zu ordnen, dass du sie findest, wenn du sie brauchst. Technologie hilft da natürlich, aber ich nutze mehrere Geräte. Zum Beispiel sammle ich Ideen sowohl auf meinem iPad als auch meinem Laptop und sende mir täglich circa 20 E-Mails mit Fotos und Notizen. Ich bin davon überzeugt, dass der Designprozess nicht erst mit einem neuen Auftrag beginnt. Er startet mit dem, was du die Monate oder Jahre zuvor beobachtet hast.

Wer sind deine Heldinnen und Helden im Design?
Während meiner Studienzeit waren es Grössen wie Philippe Starck, Marc Newson oder Jasper Morrison, auf die wir alle geschaut haben. Heute ist es jemand wie Achille Castigilioni. Er entwarf vor etwa 60 Jahren Dinge wie die Tischleuchte «Taccia», die heute noch gut angekommen. Das ist ein Ziel, das Gestalterinnen und Gestalter haben sollten: Zeitlose Stücke zu entwerfen.

Das wichtigste Element der Lichtskulpturen ist der mexikanische Stein «Toba volcánica», der aus Mineralien, Glas und Vulkanschutt besteht und vor einer Million Jahren bei schweren Eruptionen entstanden ist.
Das wichtigste Element der Lichtskulpturen ist der mexikanische Stein «Toba volcánica», der aus Mineralien, Glas und Vulkanschutt besteht und vor einer Million Jahren bei schweren Eruptionen entstanden ist.
Quelle: Pia Seidel

Welcher zeitgenössische Trend gefällt dir? Und welcher gefällt dir so gar nicht?
Trends im Design sind unser absoluter Feind. Wenn wir einen Entwurf ansehen und ein Teammitglied darüber sagt, er sei ziemlich trendig, wird er gekillt. Wir haben schon einige erfolgversprechende Entwürfe nicht auf den Markt gebracht. Es gibt für uns nichts Schlimmeres als Lichtskulpturen von Mexiko in die Schweiz zu schicken, die nach fünf Jahren out sind und wieder weggenommen werden müssen. Gerade hängen unsere Leuchten zum Beispiel im Zürcher Gin Lab Turicum.

Im Turicum Gin Lab in Zürich hängt die Pendelleuchten-Serie namens «Meta».
Im Turicum Gin Lab in Zürich hängt die Pendelleuchten-Serie namens «Meta».
Quelle: Valentina Verdesca

Ausserdem wollen wir der Bewegung folgen, die zunehmend Wege verkürzt. Bisher ging ein Produkt von den Gestaltenden zuerst zur Herstellungsfirma, zur Marke, zum Distributor und dann vielleicht noch zum Architekturbüro. Diese Spanne zwischen der ersten Idee und dem Endkunden halten wir für zu lang.

Beende den Satz: «Design braucht mehr …»

Zeit. Heutzutage nehmen wir uns zu wenig davon. Instagram befeuert die Instant Gratification auf einen Post. Renderings oder Virtual Reality ermöglichen, dass eine Idee sofort visualisiert werden kann. Für gewisse Medien ist das spannend. Im Produktdesign halte ich das allerdings für übereilt. Eine Lichtskulptur-Serie entwickeln wir im Schnitt über vier Jahre. Wir glauben, dass ein gutes Produkt eine gründliche Entwicklungsphase benötigt und nur dann nachhaltig werden kann – im Sinn von umweltfreundlichen Materialien und jahrelanger Relevanz. Zum Glück ist mein Papa als Ingenieur in unserer Firma. Er kümmert sich darum, dass genug Zeit in die Produktentwicklung fliesst, selbst wenn ich mal etwas ungeduldig werde.

In den Leuchten-Serien von David Pompa stecken bis zu vier Jahre Arbeit
In den Leuchten-Serien von David Pompa stecken bis zu vier Jahre Arbeit
Quelle: Pia Seidel

Falls du zufälligerweise in Mexiko City bist – vom 5. bis 17. Februar findet die Ausstellung «Sociedad Volcánica» anlässlich der Mexico City Art Week statt. Sie konzentriert sich auf die Entstehung antiker Steine und die Forschung, die unter anderem in Vorträgen einen Diskurs um die geologischen Themen anregen soll.

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 

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