«The Stone of Madness» hätte mich beinahe in den Wahnsinn getrieben
Kritik

«The Stone of Madness» hätte mich beinahe in den Wahnsinn getrieben

Kevin Hofer
28.1.2025

«The Stone of Madness» paart Echtzeitstrategie mit Schleich-Adventure. Das neue Spiel der «Blasphemous»-Entwickler ist die Antithese zum Actiontitel und führt mir einmal mehr vor Augen, dass ich für dieses Genre kein Faible habe.

Mit schweissnassen Händen steuere ich die feurige Leonora zwischen den Wachen eines spanischen Klosters hindurch. An eine will ich mich heranschleichen, um sie mit meinem Messer auszuschalten. Als ich vermeintlich nahe genug bin, wirft Leonora ihre Hände vors Gesicht – ich bin zu nahe an einer Feuerstelle. Feuer triggert ihre Traumata und sie kann nicht zuschlagen. Die Wache dreht sich um, packt sie und verfrachtet sie für den Rest des Tages in die Zelle.

Mist, dabei hätte ich sie an diesem Tag neben den anderen spielbaren Charakteren doch unbedingt noch gebraucht, um die Wache auszuschalten. Danach hätte ich mit Alfredos Laterne Spuren am Boden untersuchen können, die einen geheimen Schalter zu Tage gefördert hätten. Dieser wiederum hätte einen Geheimgang zugänglich gemacht, durch den sich Amelia hätte quetschen können. Denn dieser führt in einen abgeschlossenen Raum, der die Liebesbriefe eines Mönchs für eine Nonne beherbergt, mit denen ich den Verfasser hätte erpressen können. Jetzt muss ich es am nächsten Tag wieder versuchen.

Du siehst: Bei «The Stone of Madness» muss ich strategisch vorgehen, um meine Ziele zu erreichen. Das Spielprinzip macht Spass, die Charaktere sind schräg, das Leveldesign spannend und die Präsentation cool. Die umständliche Steuerung und Bugs trüben jedoch den Spielspass.

Ausbruch aus dem Irrenhaus

«The Stone of Madness» ist von Echtzeit-Taktikklassikern wie «Commandos» und «Desperados» inspiriert, mischt deren Spielmechaniken aber mit psychologischen Survival-Elementen. Im Spiel muss ich fünf Charakteren helfen, aus einem heruntergekommenen Kloster zu entkommen, welches als Irrenhaus fungiert. Das Ganze ist im Spanien des 18. Jahrhunderts angesiedelt.

Neben den eingangs erwähnten Charakteren Leonora, Alfredo und Amelia steuere ich die Hexe Agnes und den stummen Hünen Eduardo. Alfredo ist gleichzeitig der Erzähler der Geschichte. Er wurde ins Irrenhaus gesteckt, weil er dunkle Machenschaften hinter dem Klostergemäuer aufdecken wollte. Eduardo, Agnes und Leonora sitzen im Kloster fest, weil ihre Verhaltensweisen nicht der damaligen Norm entsprechen. Die kleine Amalia wiederum hat ihre Eltern verloren und wird deshalb von den Nonnen grossgezogen. Sie alle wollen nur eins: ausbrechen.

Das zum Irrenhaus umfunktionierte Kloster bietet auch einen Garten, der eigentlich den Nonnen vorbehalten ist.
Das zum Irrenhaus umfunktionierte Kloster bietet auch einen Garten, der eigentlich den Nonnen vorbehalten ist.
Quelle: The Game Kitchen

Im Zuge ihres Ausbruchs decke ich die Geheimnisse des Klosters und des titelgebenden Steins auf. Dabei muss ich mich für eine von zwei Kampagnen entscheiden, was den Wiederspielwert steigert. Die Story ist nicht sonderlich einfallsreich, erfüllt aber ihren Zweck. Sowieso lebt das Spiel von seinen durchgeknallten, aber dennoch sympathischen Hauptcharakteren. Damit sie in die Freiheit gelangen, muss ich die unterschiedlichen Stärken von Alfredo und Co. nutzen und ihre Schwächen berücksichtigen.

Schier unendliche Möglichkeiten, um ans Ziel zu gelangen

Jeder Charakter hat unterschiedliche Fähigkeiten, die am Tag oder in der Nacht zum Einsatz kommen. «The Stone of Madness» hat nämlich einen Tag-und-Nacht-Zyklus. Während des Tages vergeht die Zeit, wodurch sich die Wege von NPCs wie etwa den Wachen verändern. Mönche wiederum verschwinden am Abend in ihren Zimmern. Dafür tauchen Animas – übernatürliche Wesen – auf, die mich wie die Wachen verfolgen und bewusstlos schlagen, wenn sie mich entdecken. So muss ich meine Aktionen auch der Tageszeit anpassen.

Animas trachten mir in der Nacht nach dem Leben.
Animas trachten mir in der Nacht nach dem Leben.
Quelle: The Game Kitchen

Tagsüber erkunde ich das Kloster, sammle Ressourcen sowie Gegenstände aus Kisten und so weiter. Dabei muss ich immer meine aktuellen Ziele im Blick behalten. So muss ich früh im Spiel zu einer Figur vorstossen, die meint, eine Henne zu sein und sich auch so kleidet. Damit ich zu ihr gelange, muss ich einen Loch im Boden überbrücken. Glücklicherweise kann der starke Eduardo Bretter tragen und aus diesen Brücken bauen. Leider ist der Weg dorthin aber dunkel und der Hüne hat Angst vor Dunkelheit. Deshalb greife ich auf die Hexe Agnes zurück, die in einem gewissen Radius Feuer entweder entfachen oder auslöschen kann und schon habe ich meine Behelfsbrücke gebaut.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um ans Ziel zu kommen, was mir einen erneuten Spieldurchgang ebenfalls schmackhaft macht. So hätte ich, statt mit Agnes das Feuer zu entfachen, auch Alfredos Laterne nutzen oder mit Amelia einen Umweg über ihre Geheimgänge nehmen können.

Neben den Fähigkeiten muss ich auch die Schwächen der Charaktere im Auge behalten. Amelia etwa hat Angst vor Steinfiguren. Befinde ich mich in deren Nähe, bewegt sie sich langsamer und ihre geistige Gesundheit nimmt ab. Die wird auf einer Anzeige von null bis 100 dargestellt. Erreicht der Wert null, gesellen sich zu den bestehenden Ängsten neue. Bei mir hat beispielsweise Alfredo zusätzlich Angst vor lauten Geräuschen bekommen.

In der Nacht können die Charaktere in ihrer Zelle diverse Aktionen ausführen.
In der Nacht können die Charaktere in ihrer Zelle diverse Aktionen ausführen.
Quelle: The Game Kitchen

Glücklicherweise lassen sich der Wert der geistigen Gesundheit oder die Lebenspunkte, die es ebenfalls gibt, in der Nacht wieder auffüllen. Während dieser steuere ich die Charaktere nicht in Echtzeit, sondern gebe ihnen Befehle über Menüs. Mit etwas Verbandsmaterial heilt Alfredo die Wunden aller Charaktere und wenn Amelia mit jemandem spielt, stellt das einen Teil ihrer geistigen Gesundheit wieder her. Eduardo wiederum kann aus Ressourcen nützliche Gegenstände wie Dietriche für Leonora herstellen. Aber Vorsicht: Die Ressourcen sind nicht unendlich vorhanden. In einmal durchsuchten Kisten und Co. tauchen keine neuen Gegenstände mehr auf.

Sollte mir etwas fehlen, kann ich auf den zweiten Insassen-NPC Panecillo zählen. Der Mann mit einem Baguette als Mütze, mit dem er gerne Dialoge führt, betreibt den Schwarzmarkt im Kloster. Geld finde ich bei meinen Erkundungstouren nämlich auch. Sollte ich mal knapp bei Kasse sein, kann Leonora in der Nacht Gegenstände an die Wachen verkaufen. Neben materiellen Dingen hilft mir ein voller Geldbeutel dabei, dass mich die Wachen eher in Ruhe lassen: Leonora kann sie nämlich bestechen und so den Verdächtigungswert senken. Je höher dieser ist, desto schneller werden die Wachen auf die Charaktere aufmerksam.

Jup, Panecillo trägt ein verschimmeltes Brot als Mütze.
Jup, Panecillo trägt ein verschimmeltes Brot als Mütze.
Quelle: The Game Kitchen

Zu guter Letzt sammle ich noch Weisheitspunkte aus Gesprächen, dem Verlauf der Story oder aus Büchern, die Alfredo in der Nacht liest. Mit diesen lernt Alfredo und Co. neue Fähigkeiten, die mir Vorteile beim Erreichen meiner Ziele verschaffen.

Kurz: «The Stone of Madness» bietet viel Abwechslung und zahlreiche Features.

Die Steuerung ist der Schwachpunkt des Spiels

So toll die Möglichkeiten auch klingen: Wenn sie schlecht umgesetzt sind, leidet das Gameplay. Das ist hier leider der Fall. Die Steuerung wirkt unausgegoren. Der Übergang von einer Aktion zur nächsten ist nicht so reibungslos, wie ich es gerne hätte. Wenn ich etwa eine Wache erschiessen statt mit einem Brett bewusstlos schlagen will, muss ich das erst umständlich auswählen. In mehr als einer brenzligen Situation hat das zu lange gedauert. Oder ich wurde von Wachen erwischt, weil die Steuerung nicht intuitiv war und ich eine Aktion nicht schnell genug beenden konnte, um aus dem Blickfeld eines Feindes zu entschwinden.

Mehr als einmal werde ich aufgrund einer nicht geglückten Aktion wegen der schlechter Steuerung von den Wachen verfolgt.
Mehr als einmal werde ich aufgrund einer nicht geglückten Aktion wegen der schlechter Steuerung von den Wachen verfolgt.
Quelle: The Game Kitchen

Es nervt, wenn ich eine Stealth-Sequenz mehrmals wiederholen muss und unter Umständen gar einen ganzen Tag-Nacht-Zyklus warten muss, um es nochmal zu versuchen. In diesen Situationen hätte ich mein geliebtes Steam Deck beinahe an die Wand geknallt.

Was ich nicht getan habe, denn eigentlich bin ich ein eher besonnener Mensch. Dennoch hat mich das Spiel auch sonst mehrmals beinahe in den Wahnsinn getrieben. Nicht wegen der Steuerung, sondern wegen meiner eigenen Unfähigkeit. Eigentlich mag ich Echtzeitstrategiespiele nicht sonderlich, weil sie mir schlicht nicht liegen. Wieso ich das Spiel dann trotzdem getestet habe? Weil ich die «Blasphemous»-Spiele des Entwicklerteams The Game Kitchen absolut vergöttere.

Der «Blasphemous»-ähnliche Artstyle überzeugt auch bei Strategie

Die kaputte Welt und der Artstyle sind die grossen Gemeinsamkeiten der «Blasphemous»-Spiele und von «The Stone of Madness». Ich liebe das Setting in dem schäbigen Kloster, die skurrilen Charakterdesigns und die comichaften Zwischensequenzen. Ich fühle mich gleich wie zuhause in einem der genialen «Blasphemous»-Titel. Alles wirkt wie aus einem Guss und unterstützt die Stimmung der wunderschön heruntergekommenen Welt.

Die comichaften, kurzen Zwischensequenzen sehen einfach nur geil aus.
Die comichaften, kurzen Zwischensequenzen sehen einfach nur geil aus.
Quelle: The Game Kitchen

Nicht nur die visuelle Präsentation, sondern auch das Leveldesign überzeugt mich. Der Aufbau des Klosters ist super durchdacht, wodurch das Erkunden Spass macht. Die einzelnen Gebiete sind auf verschiedene Weisen verbunden, die ich erst mit der Zeit entwirre.

Schade, dass der Soundtrack und die Soundeffekte da nicht ganz mithalten können. Sie reissen mich nicht vom Hocker, erfüllen aber ihren Zweck.

Obwohl das Spiel optisch toll aussieht, bin ich auf einige Bugs und Glitches gestossen. So blieb etwa eine Wache in einer Kiste stecken oder Charaktere verschwanden einfach. Die isometrische Kameraprespektive sorgt teilweise auch für optische Täuschungen und ich verstehe nicht gleich zu Beginn, wo ich lang muss.

«The Stone of Madness» erscheint am 28. Januar 2025 für PC, Nintendo Switch, PlayStation 5 und Xbox Series. Das Spiel wurde mir zu Testzwecken für den PC zur Verfügung gestellt.

Fazit

Stimmungsvolle Echtzeitstrategie mit weniger stimmiger Steuerung und Bugs

«The Stone of Madness» überzeugt mit intelligentem Gameplay und stimmungsvoller visueller Präsentation. Es gibt zig Wege, um in dem wunderbar grotesken Kloster, das zum Irrenhaus umfunktioniert wurde, vorwärtszukommen. Der aus den «Blasphemous»-Spielen bekannte Artstyle gibt in meinen Augen Spanien zu Zeiten der Inquisition perfekt wieder.

Leider wirkt die Steuerung zum Teil unausgegoren und sorgt bei mir – nebst meiner eigenen Unfähigkeit für Echtzeitstrategiespiele – für viel Frust. Wenn ich deswegen einen ganzen Tag-Nacht-Zyklus warten muss, ist das zum Haare raufen – hätte ich nicht bereits eine Glatze, wäre ich spätestens jetzt kahl. Hinzu kommen Bugs und Glitches sowie eine manchmal verwirrende Kamerperspektive.

Schade, mit etwas mehr Feintunig hätte «The Stone of Madness» richtig gut werden könenn. Fans von Echtzeitstrategie mit Stealth-Elementen könnten aber dennoch auf ihre Kosten kommen, wenn sie mit der defizitären Steuerung und den Bugs klarkommen.

Pro

  • viele und gut durchdachte Gameplaymöglichkeiten
  • irrer Cast
  • spannendes Setting
  • cooler Artstyle

Contra

  • die Steuerung ist manchmal zum Haare raufen
  • zahlreiche Bugs und Glitches
  • manchmal verwirrende Kameraperspektive
Titelbild: The Game Kitchen

16 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar