«The Plucky Squire» im Test: So viel Kreativität und Magie gibt’s sonst nur bei Nintendo
Eine zauberhafte Geschichte, kauzige Charaktere und fantasievolle Rätsel, die 2D- und 3D-Welten miteinander kombinieren. «The Plucky Squire» ist pure Magie.
«The Plucky Squire» ist wortwörtlich die Bilderbuch-Version eines Action-Adventures für PC und Konsole. Ein Grossteil des Spiels wandere ich als titelgebender Kühner Knappe Jot über die zweidimensionalen Seiten meiner eigenen Geschichte. Bis mich der Bösewicht Grummweil rauswirft, erzürnt darüber, dass er zum Verlieren verdammt ist.
Ausserhalb des Buches finde ich mich in einem dreidimensionalen Kinderzimmer wieder. Es ist der zweite grosse Schauplatz des Spiels. Um Grummweil das Handwerk zu legen und die Geschichte wieder in ihre korrekte Bahn zu lenken, springe ich zwischen den beiden Welten hin und her. Dabei erlebe ich eines der zauberhaftesten und kreativsten Abenteuer seit langem.
Rätsel auf mehreren Ebenen
Jot lässt sich nicht lange aus seinem Buch verbannen. Die Magie, die Grummweil dafür eingesetzt hat, färbt auf den Knappen ab. Damit kann er fortan überall, wo es einen grünen Strudel gibt, in und wieder aus dem Buch springen. Einerseits, um mit dem Buch zu interagieren. Andererseits, um im umliegenden Kinderzimmer bestimmte Gegenstände zu finden. Das Zimmer gehört dem jungen Künstler des Buches. Wird «The Plucky Squire» nicht in seine Ursprungsform zurückverwandelt, droht ihm und einer ganzen Generation Kinder die Inspiration abhandenzukommen. Das können Jot und seine Freunde Krass, der Bergtroll, und Viola, die Lehrlingshexe, nicht zulassen.
Das Spiel ist eine Mischung aus Action-Adventure und Rätsel. Die Buchwelt besteht aus verschiedenen Ländereien, die zusammen das Land Mojo bilden. Nach und nach durchquere ich sie auf der Suche nach Grummweil. Meist räume ich dabei Monster mit meinem Schwert aus dem Weg und überwinde Hindernisse. Hier kommt der Kniff des Spiels zum Einsatz. Es beginnt mit einfachen Rätseln. Jot kann eine Mauer nicht hochklettern, weil sie zu hoch ist. Also springe ich aus dem Buch, suche mir in der Umgebung einen Spielwürfel und kehre damit zurück ins Buch. Dort schiebe ich ihn vor die Mauer und klettere drüber.
Später kann ich mit magischen Handschuhen das Buch vor- und zurückblättern. Oft erstrecken sich die Rätsel über mehrere Seiten. Mondbart, Jots Sonnenbrille-tragender Zauberfreund, hat seinen Drink Zuhause vergessen. Also blättere ich zurück zu seinem Haus, springe ins Bild und hole das Getränk von seinem Nachttisch.
An anderer Stelle manipuliere ich niedergeschriebene Sätze. Die Sätze beschreiben Szenen im Bild, wie es in einem Bilderbuch üblich ist. So steht an einer Stelle sowas wie: «eine Treppe führt nach oben». Das grüne Leuchten um das Wort «Treppe» zeigt mir, dass ich es mit einem Schwertschlag entfernen kann. An einer anderen Stelle versperrt mir ein Stein den Weg auf eine höhere Ebene. Auch das ist in einem Satz festgehalten. Also ersetze ich das Wort «Block» aus «ein Block aus Stein» durch «Treppe» und mache daraus «eine Treppe aus Stein», die mich auf die obere Etage führt.
Im weiteren Verlauf kann ich die Buchhälften hochklappen, was interessante Physikspielereien ermöglicht. Die Rätsel sind erfrischend abwechslungsreich. Im Verlauf der rund zehn Stunden Spielzeit werden sie stetig kniffliger, aber nie wirklich schwierig. Zur Not steht meist irgendwo ein Minibart herum. Die Gartenzwerg-Version von Mondbart liefert mir bei Bedarf Tipps zum Lösen der Rätsel.
Regelmässige Minispiele, welche einen kompletten Tapetenwechsel liefern, lockern das Geschehen auf. Welche das sind, verrate ich dir nicht, denn die Überraschung ist mitunter der beste Teil.
Sprung ins Kinderzimmer
Schätzungsweise zwei Drittel des Spiels finden im Buch statt – das kurze raus- und wieder reingehopse mitgezählt. Das restliche Drittel spielt im Kinderzimmer. So brauche ich an einer Stelle einen Stempel, um Dinge festzuhalten. Leider befindet er sich ganz oben auf einem Bücherregal. Auf dem Weg dahin verstecke ich mich anfangs vor riesigen Käfern, die das Kinderzimmer bevölkern. Später nutzt Grummweil seine Macht, um seine Schergen auch ausserhalb des Buches an meine Fersen zu heften.
Auch im Kinderzimmer muss ich rätseln. Meist besteht der Weg zum Ziel aus kleineren Jump’n’Run-Einlagen über Bücher, Farbstifte und Spielzeug. Dann gibt es auch in dieser Welt 2D-Passagen. So springe ich zwischendurch in ein Buchcover oder seile mich über eine Wimpelkette ab, um an zuvor unerreichbare Stellen zu gelangen. Das alles funktioniert wunderbar fliessend. Die Ausflüge in die 3D-Welt, in der Spielzeug und andere Gegenstände real aussehen, ist der perfekte Gegensatz zur handgezeichneten 2D-Welt.
Action glänzt primär gegen Bosse
Nicht ganz so kreativ wie der Rest des Spiels fällt das Kampfsystem aus. Es besteht aus Draufhauen und Ausweichen. Keine Begegnung ist fordernd und das Spiel hinterlässt gezielt Herzen, falls ich doch meine Lebensenergie auffüllen muss. Alternativ gibt es einen leichteren Schwierigkeitsgrad, sowie diverse Barrierefreiheits-Einstellungen.
Der Kampf dient primär zur Auflockerung der Rätselpassagen. Das heisst, nicht, dass es keinen Spass macht, knuffige Käfer mit Irokesenschnitt oder gehörnte Teetassen-Monster zu vermöbeln. Dass ich mein Schwert werfen kann, und es auch beim Rückflug die Gegner verletzt, wird nie langweilig. Schön wäre gewesen, wenn ich die Kämpfe, in denen Krass und Viola mit anpacken, auch mithilfe von Freunden oder meinen Kindern hätte bestreiten können.
Mit Ideen-Glühbirnen, die ich beim Mähen von Gräsern und dem Erledigen von Feinden finde, kann ich mein Schwert verbessern und zwei zusätzliche Angriffe lernen. Das ist alles ganz nett, Highlights bleiben die Bosskämpfe. Dort wechselt meist die Perspektive und aus dem kleinen knuffigen Jot wird ein riesiger Muskelmann, der eine ganze Buchseite füllt. Einer der ersten Kämpfe ist ein Boxkampf à la «Punch Out!» gegen einen diebischen Honigdachs. Ein andermal muss ich mit einem Bogen fliegende Käfer abschiessen. In einer späteren Heavy-Metal-Welt wiederum gibt es ein Rhythmus-Spiel gegen einen riesigen Adler – der natürlich eine Sonnenbrille und einen Nasenring Schnabelring trägt.
Apropos Heavy Metal. Der Soundtrack ist fantastisch. In der besagten Metal-Welt erklingen passende elektrische Gitarren-Klänge, deren Ursprung eine weitere, tolle Überraschung ist. In den Mittelalter-Fantasy-Welten sind verspielte Harfen und Lauten die dominierenden Instrumente. Immer wenn Mondbart im Fokus steht, dropt das Spiel fette Hip-Hop-Beats. Der Sound ist die perfekte Begleitung für ein Spiel, das genauso zauberhaft designt ist.
Die süssen kleinen Helden erinnern mich an Link aus den 2D-Versionen von «The Legend of Zelda». Trotz ihrer kleinen Grösse sind die Figuren ausdrucksstark. Spätestens bei den seiten füllenden Illustrationen, die dann jeweils von einer britischen Erzählstimme begleitet werden. Dazu steckt das Spiel voller kleiner Details. Die Gesichter von Steintoren blicken überrascht, wenn sie sich öffnen. Die kampfwütigen Mäuse tragen kleine Hüte und im Heavy-Metal-Land sehen die Bäume aus wie das «Devil Horns»-Zeichen 🤘. Ich habe die PC-Version getestet, das Spiel dürfte aber auch auf den Konsolen glänzen.
«The Plucky Squire» ist verfügbar für PC, PS5, Xbox Series X/S und Switch. Das Spiel erscheint am 17. September und wurde mir von Devolver zur Verfügung gestellt.
Fazit
Magie, die sonst nur Kinder spüren
«The Plucky Squire» ist ein Meisterwerk, das mich mit seiner Kreativität und Charme verzaubert hat. Etwas, das gemeinhin nur Nintendo gelingt. Die Welt von Jot und seinen Freunden wirkt im Gegensatz zu vielen Nintendo-Spielen aber zu keinem Zeitpunkt kindisch. Trotz Bilderbuch-Setting werde ich vom Spiel nicht bevormundet. Hier kommen alle Altersgruppen auf ihre Kosten. Jüngere vielleicht eher als Publikum. Wenn die strahlenden Gesichter meiner Kinder ein Indikator sind, dann ganz ohne Missmut über das passive Erlebnis. Und ebenfalls wie ein Nintendo-Spiel läuft «The Plucky Squire» rund und ist frei von Bugs – ausser solchen, die ich mit dem Schwert verhauen kann.
Die Kombination aus 2D- und 3D-Welt sorgt für abwechslungsreiche Rätsel. Gleichzeitig spielen sich die beiden Dimensionen fast wie zwei unterschiedliche Games. Dazu gibt es einen wunderbar verspielten Soundtrack und jede Menge liebenswerter Kreaturen. Meine einzige Kritik ist, dass ich mir diese Bilderbuchgeschichte nicht mit Magie in meine Welt holen kann.
Pro
- Innovatives Rätseldesign
- Zwei Welten, die nahtlos miteinander verbunden sind
- Zauberhafte Welt und Figuren
- Tolles Design und stimmungsvoller Soundtrack
Contra
- Leider kein Ko-op-Modus
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.