Test: Windows 11 auf M1-Macs
Produkttest

Test: Windows 11 auf M1-Macs

David Lee
28.6.2022

Windows 11 auf einem Mac mit Apple-Prozessor: Das geht. Die Frage ist, wie gut. Ich habe es mit zwei unterschiedlich leistungsfähigen Macs ausprobiert.

Ich bin seit Ende 2020 Mac-User. Trotzdem steht mein alter Windows-PC immer noch unter dem Tisch, weil ich auf Windows nicht ganz verzichten kann. Nun will ich wissen, ob der Mac auch den Windows-Teil schafft und ich künftig nur noch ein Gerät für alles brauche.

Seit Apple für die Macs keine Intel-Prozessoren mehr verwendet, läuft Windows auf ihnen nicht mehr nativ. Denn die eigenen Prozessoren haben eine komplett andere Architektur: Sie basieren auf ARM statt x64. Abhilfe schafft die Virtualisierungs-Software Parallels. Damit läuft aber nicht das «normale» Windows, sondern Windows on ARM. Also eine Windows-Variante für diese Prozessor-Architektur. Windows-Programme für x64-Prozessoren werden innerhalb dieses Systems emuliert.

Seit Windows 11 können endlich auch 64-bit-Anwendungen auf diese Weise emuliert werden. Das heisst: Seit Windows 11 ist es möglich, beliebige Windows-Anwendungen auf einem Mac der M-Prozessorfamilie laufen zu lassen. Allerdings nur doppelt indirekt: Innerhalb eines virtualisierten Systems emuliert. Mich interessiert, ob die Programme so noch schnell und stabil genug für gelegentliche Einsätze sind. Das Ziel ist, dass ich auf einem Mac ab und zu etwas machen kann, was nur unter Windows geht.

Mac Studio, übernehmen Sie!

Mein Mac Mini ist für die Windows-Virtualisierung nicht geeignet. Seine 8 GB RAM reichen für den normalen Betrieb völlig aus, doch Windows 11 sollte allein so viel Arbeitsspeicher haben. Für den parallelen Betrieb des Mac-Systems bliebe dann nichts mehr übrig. Falls Windows überhaupt läuft, dann müssten grosse Teile des Arbeitsspeichers auf die SSD ausgelagert werden. Da kommt bei mir erschwerend hinzu, dass auch die SSD mit 256 GB zu knapp bemessen ist.

Ich probiere Windows 11 daher auf einem Mac Studio aus. Eine gemässigte und halbwegs erschwingliche Konfiguration müsste reichen: Der Prozessor des Testgeräts ist ein M1 Max, dazu gibt es 32 GB RAM und 1000 GB SSD.

Zum Mac Mini mit Dock gesellt sich ein Mac Studio. Zum Glück sind die Dinger stapelbar.
Zum Mac Mini mit Dock gesellt sich ein Mac Studio. Zum Glück sind die Dinger stapelbar.

Diesen Prozessor und die gleiche Menge Arbeitsspeicher gibt es auch in einem MacBook Pro. Die Performance wäre dort vermutlich ähnlich. Als Ersatz für meinen Mac Mini macht jedoch der Mac Studio mehr Sinn als ein Notebook.

Los geht’s – die Installation von Windows

Die ersten Schritte sind einfach. Ich lade Parallels herunter und kann es 14 Tage lang gratis nutzen. In dieser Zeit kann ich testen, ob überhaupt alles läuft, was ich brauche. Danach werden 99,99 Euro fällig.

Parallels lädt bei der Installation auch gleich Windows 11 on ARM herunter und installiert es. Nach wenigen Minuten habe ich Windows auf meinem Mac. Nur aktiviert ist es noch nicht. Auch das ist keine Sache: Mit der Seriennummer von meinem alten Windows 8.1 lässt sich Windows on ARM problemlos aktivieren.

Es läuft! Und die Aktivierung mit einer alten Seriennummer geht auch.
Es läuft! Und die Aktivierung mit einer alten Seriennummer geht auch.

Parallels kann Windows in einem Fenster darstellen, das sich beliebig in der Grösse verändern lässt. Auch ein Vollbildmodus ist möglich, falls das Nebeneinander von Mac und Windows verwirrt. Zudem gibt es den Coherence-Modus, in dem kein Windows-Desktop zu sehen ist und jede Windows-Anwendung ein frei bewegliches Fenster hat.

Und, wie läuft’s denn so?

Ich lade ein paar gängige Anwendungen wie die Browser Firefox und Brave herunter. Sie installieren, starten und laufen problemlos. Es handelt sich um x64-Programme. Suche ich nach Software für Windows on ARM, finde ich meist nichts oder nur Beta-Versionen. Das Angebot ist im Vergleich zur x64-Welt nach wie vor dürftig. Da jedoch die x64-Versionen problemlos funktionieren, kümmert mich das nicht weiter.

Auch die Desktop-App von OneDrive tut, was sie soll. Das ist für mich wichtig, denn aus unerfindlichen Gründen funktioniert die OneDrive-App auf dem Mac nicht. Sie meldet sich nach einiger Zeit ab und kann sich danach nicht mehr anmelden. Anschliessend habe ich keine Zugriffsberechtigung mehr für meine eigenen Dateien. Sehr ärgerlich, da ich in meinem Arbeitsalltag OneDrive brauche. Nun bekomme ich via Windows doch noch einen funktionierenden Zugang.

Dank Parallels kann ich unter Windows auf die gleichen Dateien zugreifen wie mit dem Mac. Und auch umgekehrt, was im Fall von OneDrive wichtig ist. Auch externe Laufwerke sind für beide Systeme gleichzeitig zugänglich. Du kannst Windows aber auch komplett vom Mac-System isolieren, wenn du das aus Sicherheitsgründen in einer Sandbox laufen lassen willst.

Die gemeinsame Nutzung der Daten von Mac und Windows ist in Parallels benutzerfreundlich.
Die gemeinsame Nutzung der Daten von Mac und Windows ist in Parallels benutzerfreundlich.

Spezialfall: Eigene Windows-Anwendung

Vor vielen Jahren habe ich eine kleine Windows-Anwendung programmiert, die aus LibreOffice-Dokumenten automatisch HTML-Files generiert. Da ich sie nicht für den Mac nochmal neu schreiben will, wird sie auch in Zukunft nur auf Windows laufen. Ich brauche also Windows dafür. Kurzer Check: Die Software läuft.

Aber könnte ich sie auch weiterentwickeln? Ich installiere die Entwicklungsumgebung Microsoft Visual Studio 2022. Wenn diese ebenfalls läuft, könnte ich meinen alten Windows-Rechner endlich in Rente schicken.

Microsoft empfiehlt explizit nicht, Visual Studio auf ARM zu verwenden und gibt bei der Installation einen Warnhinweis aus. Die Installation klappt trotzdem und Visual Studio startet problemlos. Ich kann mein altes Projekt öffnen und weiter daran herumfrickeln.

Entwickeln einer Windows-Anwendung – auf dem Mac.
Entwickeln einer Windows-Anwendung – auf dem Mac.

Gamen in Windows ARM auf dem Mac

Visual Studio ist ein ziemlicher Brocken von einer Software. Beim Ausprobieren behalte ich stets die Hardware-Auslastung im Auge. Der Mac gerät nie auch nur annähernd an seine Grenzen. Die doppelte Emulation ist keine Herausforderung für ihn. Gelangweilt dümpelt die Aktivitätsanzeige im unteren Drittel herum.

Deshalb starte ich in Windows 11 Steam. Nicht, weil ich gamen will, sondern um zu sehen, ob der Computer so an seine Grenzen kommt.

Da ich kein Gamer bin, ist die Auswahl meiner Spiele winzig. Nach zwei Casual Games, die problemlos laufen, versuche ich es mit «Call of Duty: Modern Warfare 3» aus dem Jahr 2011. Es läuft. Der Mac kommt weiterhin nicht ins Schwitzen. Das finde ich bemerkenswert angesichts dessen, dass ich hier ein Windows-Game für die x64-Architektur auf einem Mac mit ARM-Architektur spiele.

Ich spiele in Full HD. Manchmal scheint es etwas zu ruckeln. Wie gut Call of Duty spielbar ist, kann ich schlecht beurteilen, denn ich beherrsche das Spiel sowieso nicht – egal, mit welcher Hardware.

Aber darum geht es auch gar nicht. Als Gamerkisten taugen die M1-Macs momentan eh nichts, denn Parallels unterstützt nur DirectX 11. Spiele mit DirectX 12 laufen im Parallels-Windows nicht. Und native Games für Apple Silicon gibt es erst sehr wenige.

Zwischenfazit: Es braucht keinen Mac Studio

Nun bin ich überzeugt, dass die Hardware des Mac Studio mehr als stark genug ist, um mit Windows zu arbeiten. Die Auslastung des Macs ist stets gering.

Das bedeutet: Ich kann anstelle eines Mac Studio gerade so gut einen Mac Mini verwenden. Er müsste bloss 16 GB RAM statt wie bisher 8 haben. Und die SSD sollte auch genügend gross sein.

Ohnehin hat der Mac Mini gegenüber dem Mac Studio ein paar Vorteile. Er ist deutlich günstiger und kleiner. Länge und Breite sind exakt gleich, aber der Mac Studio ist viel höher. Das führt bei mir dazu, dass der Mac Studio wegen einem oder zwei Millimetern nicht unter den Bildschirm passt.

Ein weiterer Nachteil ist der Lüfter. Beim Mac Mini habe ich den Lüfter noch nie gehört. Ganz anders beim Mac Studio: Da läuft er immer, auch wenn der Computer nichts zu tun hat. Das Geräusch lässt sich mit der Software Macs Fan Control reduzieren, aber nicht ganz abschalten.

Dasselbe auf dem Mac Mini

Ich besorge mir also einen Mac Mini mit 16 GB RAM, verkaufe den alten mit 8 GB, und installiere Windows unter Parallels darauf. Auch richte ich mir wieder Visual Studio ein.

Ich bin negativ überrascht. Alles reagiert träg, bei jedem Klick. So könnte ich nicht länger arbeiten. Es wäre gerade noch gut genug, um irgendwo eine Zeile Code abzuändern.

In der Folge wechsle ich mehrmals zwischen dem Mac Mini und dem Mac Studio, um die Performance von Windows zu vergleichen. Je mehr ich vergleiche, desto verwirrter bin ich. Visual Studio läuft auch auf dem Mac Studio nicht immer flüssig. Umgekehrt läuft es auf dem Mac Mini manchmal ganz flott, und selbst Call of Duty verrichtet anstandslos seinen Dienst. Lag es vielleicht an einem Windows-Update im Hintergrund?

Ich habe genug von diesem «gefühlt schnell» oder «gefühlt langsam». Jetzt gibt es nur noch eines: Benchmark-Tests.

Die Benchmarks

Ich lasse auf beiden virtualisierten Windows-Systemen Cinebench R23 und Geekbench 5 laufen. Und zum Vergleich auch nativ auf dem Mac-System.

Geekbench 5 (Single Core/Multi Core)Cinebench R23 (Single Core/Multi Core)
Windows auf Mac Mini (M1)1537/5037535/1973
Windows auf Mac Studio (M1 Max)1551/5152553/2011
Mac Mini (M1) nativ1751/77191509/7817
Mac Studio (M1 Max) nativ 1794/125331533/12360

Sowohl mit Cinebench R23 als auch mit Geekbench 5 zeigen die beiden Rechner mit Windows eine ähnliche Performance. Der Mac Studio ist geringfügig besser, aber niemals so viel besser, wie sein Prozessor M1 Max gegenüber dem normalen M1 ist.

Ich interpretiere das so, dass die Performance unter Windows nicht durch die Mac-Hardware eingeschränkt wird, sondern durch Parallels. Die Standard-Edition von Parallels erlaubt nur 8 GB RAM und 4 virtuelle Prozessorkerne. Auch wenn ein virtueller Kern etwas anderes ist als ein physischer Kern: Der M1 Max hat die gleichen High-Performance-Kerne wie der M1, einfach acht statt vier. Die zusätzlichen vier bringen aber nichts, wenn Parallels nur vier Kerne erlaubt.

In der Pro-Edition von Parallels wären theoretisch bis 128 GB RAM und 32 virtuelle Kerne möglich. Die Pro-Edition ist aber nur im Abo-Modell erhältlich und kostet jedes Jahr etwa 100 Franken, also gleich viel wie die Standard-Edition für unbeschränkte Laufzeit. Das kommt für mich nicht in Frage und wohl für die meisten Privatanwender ebenso wenig. Zudem würde die Pro-Edition nur die Multi-Core-Leistung verbessern.

Im Vergleich zu Windows-PCs sind die Werte nicht besonders gut, aber doch so hoch, dass normale Büroarbeiten kein Problem sein sollten. Dies deckt sich mit meinen Alltagserfahrungen. Ein typisches High-End-Notebook hat im Jahr 2022 zwar einen viel höheren Multi-Core-Wert, aber einen ähnlichen Single-Core-Wert. Die Single Core Performance im virtualisierten Windows ist auch deutlich höher als das, was ein Mac-Mini mit Intel-Prozessor nativ erreicht.

Bei Cinebench R23 liegt der Wert weit unter den besten Notebooks. Gegenüber der nativen M1-Performance fällt er noch stärker ab: etwa das Dreifache beim Single Core und das Vierfache (M1) respektive Sechsfache (M1 Max) beim Multi Core.

Fazit: Grosser Performanceverlust, aber es läuft

Windows 11 auf M1-Macs ist als Zweitsystem brauchbar. Falls du grösstenteils auf dem Mac-System arbeitest, aber mal etwas machen willst, das nur auf Windows geht, ist das eine gute Lösung. Du hast bequem Zugriff auf die Windows-Welt. Für hauptsächliches Arbeiten unter Windows oder für sehr fordernde Aufgaben brauchst du aber einen PC, auf dem Windows nativ in der x64-Architektur läuft. Dasselbe gilt für Gamer – anspruchsvolle Games überfordern das virtuelle System und DirectX 12 läuft gar nicht.

Bemerkenswert ist, dass es für die Arbeit mit Windows kaum eine Rolle spielt, welchen M1-Prozessor du hast. Zumindest, solange du die Standard-Version von Parallels nutzt, die auf vier virtuelle Kerne beschränkt ist. Wichtig ist bloss, dass du mindestens 16 GB RAM hast.

Ich habe mich daher entschieden, meinen Mac Mini mit 8 GB durch einen mit 16 GB zu ersetzen. Meine alte Windows-Kiste von 2015 kann nun endlich weg.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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