Hintergrund

Retro-Fitness: Das Ende des Powerman

In einer Zeit, bevor die Navy Seals TRX entdecken, erobert Powerman den Weltraum. Doch er hat die Rechnung ohne den Isokinator gemacht. Klingt nach grossem Kino? Ist es auch.

Eigentlich geht es hier um meinen guten alten Powerman 3. Ein Fitnessgerät, das so etwas wie der Urahn moderner Schlingentrainer ist. Doch irgendwo zwischen vorgestern und heute lande ich am Ende im falschen Film. Vielleicht dürfte ich darüber gar nicht schreiben. Zumindest muss ich vorsichtig sein. Denn dieser Film beginnt mit dem Hinweis aufs Copyright und einer Reihe von Verboten, unter anderem der «fotomechanischen Wiedergabe». Dann erst folgen Laserstrahlen, Glaskugelbeschuss und der Isokinator. Für mich ist er ein unterhaltsames Zeitzeugnis mit tragischen Zügen. Der Isokinator hat nämlich meinen Powerman 3 ausgerottet, der irgendwann in den frühen 90ern per Zeitschriftenanzeige in mein Leben trat.

Unzertrennlich: Mein Powerman 3 und ich.
Unzertrennlich: Mein Powerman 3 und ich.

Die Welt erobern

Gert F. Kölbel ist schon viel länger da. Der Mann ist Jahrgang 1933 und lässt seit Mitte der 50er die Muskeln spielen. Er entwickelt ein Fitnessgerät nach dem anderen. Zunächst nutzt er der Legende nach Teile von alten Betten eines Militärkrankenhauses, um aus Federn und Rohren erste Trainingsmaschinen zusammenzuschrauben. In den 60ern hat er mit dem «Bullworker» Erfolg. Er erhält das Patent auf eine zunächst Tensulator genannte gefederte Teleskopstange mit seitlichen Zugseilen, die bis heute nicht vom Markt verschwunden ist.

Ein Bullworker aus den 1960er Jahren.
Ein Bullworker aus den 1960er Jahren.
Quelle: Wikimedia Commons/Namazu-tron/GFDL

Die Idee dahinter: isometrisches Krafttraining. Haltende Übungen, bei denen die Muskeln angespannt sind, ohne ihre Länge zu verändern. Das ist effizient und wurde damals zum Trend. Den Bullworker ein paar Sekunden zusammenpressen oder die seitlich verlaufenden Seile auseinanderziehen, Zähne zusammenbeissen, fertig.

Manche Studien versprachen wahre Wunder im Zusammenhang mit dieser Trainingsform. Und weil sich auch Wunderknaben wie Cassius Clay – besser bekannt als Muhammad Ali – mit dem Gerät zeigen, läuft das Geschäft. Wenn der Champ sagt, dass dieses Wunderding Champions formt, dann muss es stimmen.

Das All erobern

Kölbel ruht sich nicht auf dem Erfolg aus, sondern tüftelt immer weiter an kompakten Fitnessgeräten. Die Welt hat er schon mit dem Bullworker erobert. Was liegt also näher, als sich dem Weltraum zuzuwenden. Das passt in die Zeit und so kommt mit dem Multisporter «das Fitness-Gerät der NASA-Astronauten» auf den Markt. Ein kleiner Kasten mit Seilzügen, in dem ich den Urahn meines Powerman 3 erkennen kann. Was bringt schon eine Hantel, die dir schwerelos um die Ohren fliegt? Also muss der Widerstand beim Ziehen entstehen. Es ist eines von vielen kompakten Kölbel-Geräten, die im Himmel wie auf Erden funktionieren.

Es ist vielleicht nicht alles Gold, was glänzt. Aber mit meinem Powerman bin ich bereit für die nächste Mars-Mission.
Es ist vielleicht nicht alles Gold, was glänzt. Aber mit meinem Powerman bin ich bereit für die nächste Mars-Mission.

Mühe- und schwerelos bringt die Koelbel-Trainingsforschung im Laufe der Jahrzehnte ein testosteronstrotzendes Utensil nach dem anderen raus: Condor-Schwinge, Power Booster, Hammerman-Hantel. Da schwillt der Bizeps schon beim Lesen. Kölbel forscht, Kölbel doziert, Kölbel ist Bodybuilder und bedient mit seinen Produkten den dank Arnie boomenden Markt. Irgendwann zwischen Terminator 1, 2 und 3 gibt es den Powerman 1, 2 und 3. Die Werbung dafür findet sich damals in jeder zweiten Zeitschrift. Während heutige Fitness-Models irgendeinem Gen-Labor für aalglatte Übermenschen entsprungen zu sein scheinen, präsentierten Anfang der 90er haselnussbraun eingeölte Hulks in knappen Höschen ihre Muskelberge.

Anfangs fand ich die Anzeigen lustig. Ein Kraftprotz hatte den Fuss in der Powerman-Schlaufe, die mit einer Art Mehrfachsteckdose samt integrierter Federwaage verbunden war. Über eine Umlenkrolle am oberen Ende führte ein Seil zu den beiden Handschlaufen des filigranen Geräts, die in den Pranken des Bodybuilders verschwanden. Doch dann wurde mein Kinder- zum Jugendzimmer, Mitch Buchannon joggte in Zeitlupe über den Strand von Malibu und ich pubertierte in die Zielgruppe hinein.

Irgendwann bestellte ich das Ding. Der Powerman 3 hat mich weder in einen Hulk noch in ein Hasselhoff-Double verwandelt, aber zuverlässig für Muskelkater gesorgt. Und das tut er noch heute. Über die Mehrfachsteckdose lässt sich der Widerstand wählen, den es zu überwinden gilt. Wenn die entsprechende Zugkraft erreicht ist, piepst es oder das kleine rote Licht am Gerät leuchtet auf. Dann heisst es: Spannung halten und beispielweise Bizeps-Curls oder Trizeps-Züge ausführen. Damals war das eine gute Sache. Für Astronauten, Bodybuilder und Teenager. Heute hängen Navy Seals und solche, die es werden wollen, TRX Bänder in die Tür.

  • Produkttest

    Fitness @home aus dem Beutel

    von Patrick Bardelli

Klappert wie früher, funktioniert aber immer noch tadellos.
Klappert wie früher, funktioniert aber immer noch tadellos.

Ein Universum erschaffen

Ich habe längst andere Geräte, packe den Powerman aber trotzdem noch manchmal aus. Kurz nach meinem Kauf war er schon Geschichte. Kölbel stellte die Produktion 1995 ein und griff mit dem nächsten Gerät nach den Sternen: Dem Isokinator. Er ist ebenfalls ein kleines Teil mit Schlaufen dran, aber dem alternden Helden Powerman in allen Belangen überlegen. Mit einem «Trainerhirn» ausgestattet verständigt er sich über 24-karätige Goldkugeln mit dir. Vielleicht bin ich sauer, weil der Isokinator meinem Powerman 3 die Show gestohlen hat. Vielleicht bin ich einfach aus der Zielgruppe rausgewachsen. Vielleicht hat sich Kölbel im Laufe der Jahrzehnte ein eigenes Fitness-Universum erschaffen, in dem irgendwann die Zeit stehen geblieben ist. «Health by Muscles» aus dem Jahr 2012 ist jedenfalls grosses Kino, wunderbar präsentiert. Deshalb: Weltraummusik an, Film ab.

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