Razer Freyja
Razer Freyja: Super Idee, die (vorerst?) an der Implementation scheitert
Razers Vibrationskissen ist einerseits toll und dann doch wieder nicht. Das liegt nicht an der Hardware, sondern daran, wie das Feature in Spielen integriert ist.
Ich steuere James durch die nebligen Strassen Silent Hills. In der Distanz entdecke ich eine schemenhafte Kreatur. Ist das ein Mensch? Die Atmosphäre, die Soundeffekte und die zwischendurch einsetzende Musik treiben meinen Puls in die Höhe. Mein Controller unterstützt dies durch sanfte Vibration. Mein Razer Freyja Vibrationskissen bleibt still.
Ich folge der Kreatur durch enge Gassen und verlassene Innenhöfe in ein Haus. Als ich ein Radio entdecke, beginnt dieses zu rauschen. Im Hintergrund erkenne ich die Kreatur, die sich aufbaut. Die Spannung ist auf dem Höhepunkt. Und Freyja? Steht still. Erst, als ich mit einem zur Waffe umfunktionierten Holzscheit auf die Kreatur eindresche, springen die Motoren im Inneren des Kissens an. Das fühlt sich gut an, kommt aber zu spät.
Das ist Freyja
Freyja ist ein Sitzkissen mit Rückenlehne, das sich über drei verstellbare Bänder – zwei hinten, eines unten – an Stühlen anbringen lässt. Im Inneren werkeln sechs Motoren, die für Vibrationen sorgen – vier davon im Rückenbereich, zwei bei den Oberschenkeln.
Freyja wiegt knapp zwei Kilogramm. Das Kissen ist gut verarbeitet und hält dank den Bändern zuverlässig auf meinem Bürostuhl. Gemäss dem Hersteller ist es mit den meisten Gaming- und Bürostühlen kompatibel. Einmal montiert und draufgesessen ist es relativ bequem. Ständig nutzen würde ich es aber nicht. Aufgrund der Form und Härte mildert das Teil den Effekt der Lordosenstütze. Ich sitze aufgrund der zusätzlichen Polsterung zudem etwas höher und muss deshalb meinen Stuhl verstellen.
Mit dem PC oder Android-Smartphone verbunden wird Freyja per USB-Funk-Dongle oder Bluetooth. Kabel gibt es nur eines für die Stromzufuhr. Das ist mit 240 Zentimetern etwas knapp bemessen. Ein Schnellverschluss sorgt dafür, dass ich nicht darüber stolpere oder das Kabel beschädigt wird.
Konfiguration über mehrere Apps
Die Konfiguration am PC erfolgt per Razer Synapse 4 und / oder Razer Chroma. In Synapse kann ich die Intensität der Vibrationen in vier Zonen – oberer Rücken, unterer Rücken, linkes Bein und rechtes Bein – oder insgesamt in sechs Stufen einstellen. Für weitere Einstellungen benötige ich Chroma. Die Verteilung über zwei Programme macht das Ganze unnötig kompliziert. Wieso sich Razer nicht auf eines beschränkt hat, leuchtet mir nicht ein.
In Chroma kann ich die Stärke ebenfalls in sechs Stufen verändern. Zusätzlich kann ich auswählen, worauf die Vibration basieren soll. Audio-zu-Haptik und Sensa HD Games stehen zur Verfügung. Letztere ist nur für kompatible Spiele verfügbar und muss von den Entwicklern implementiert werden. Bei Audio-to-Haptics basiert die Vibration auf der Audioausgabe. Hier stehen die Presets «Controlled», «Balanced» und «Dynamic» zur Verfügung. Zusätzlich kann ich noch ein eigenes Profil erstellen.
Freyja reagiert auf bestimmte Frequenzbereiche. Beim Preset «Controlled» ist es der Bereich zwischen 30 bis 130 Hz. Hier fühlt es sich so an, als ob ich auf einem Subwoofer sitze. Der Vorteil an diesem Profil: Bei Stimmen reagiert das Kissen kaum. Beim Preset «Dynamic» hingegen schon. Hier liegt der Frequenzbereich zwischen 30 und 200 Hz. Dafür vibriert Freyja weniger stark. Auch die Stärke ist nämlich in den Profilen festgelegt. Bei «Dynamic» sind zudem zwei Frequenzbereiche definiert: Von 30 bis 100 Hz beträgt die Stärke 30 Prozent, von 100 bis 200 Hz nur noch zehn Prozent.
Audio-zu-Haptik überzeugt mich vorerst mehr als Sensa HD
Bislang gibt es nur wenige Sensa Games. Bei einigen anderen gibt Razer Empfehlungen für eigene Profile. Ich habe die Sensa-Spiele «Silent Hill 2» und «Final Fantasy XVI» ausprobiert.
«Silent Hill 2» bietet laut Razer über 40 Sensa-Effekte. Dies vor allem im Kampf. Die implementierten Vibrationen gefallen mir, obwohl sie mir persönlich aber zu stark auf die Action fokussiert sind. Gerade ein Horror-Titel wie «Silent Hill» könnte enorm von einer weiterreichenden Implementation profitieren. Etwa in der zu Beginn geschilderten Passage, könnte der Herzschlag James’ mit den Motoren im oberen Rückenbereich simuliert werden. Ich möchte die Emotionen des Protagonisten am eigenen Körper spüren. Stattdessen rührt sich Freyja in diesen Momenten nicht.
Ähnliches gilt für «Final Fantasy XVI». Razer spricht von über 100 Sensa-Effekten für das JRPG. Auch hier gefallen mir die Implementierten, sie kommen aber vor allem in Kämpfen zum Tragen. Schade ist, dass sich Freyja in Zwischensequenzen meist nicht rührt. Wenn etwa Ifrit gegen Phönix kämpft, spüre ich zwar die Attacken, aber wenn sie einander in den Zwischensequenzen auf die Nüsse geben, stehen die Motoren Freyjas still. Auch wenn Geröllbrocken Millimeter neben mir durchrauschen, fehlt mir ein Feedback.
Mit einem eigens erstellten Audio-zu-Haptik-Profil habe ich in beiden Spielen bessere Erfahrungen gemacht. Also, dass Freyja auf die Audioausgabe statt auf die von den Entwicklern programmierten Auslöser reagiert.
Massage bei Musik und Ausbaufähigkeit bei Filmen
Ich mag Freyja zum Musikhören. Während des Arbeitens laufen bei mir meistens Lofi Beats. Mit dem Profil «Dynamic» machen sie besonders Laune. So erhält meine Kehrseite eine sanfte Massage und mein Hintern schläft vom ganzen Rumsitzen nicht ein.
Bei Musik mit Text wähle ich dann aber lieber das bassbasierte Profil «Controlled» – sonst springen die Motoren auch bei Gesang an. Dasselbe gilt für Filme, Serien und Co. Bei Actionszenen machen die Vibrationen ordentlich Laune, bei Dialogen sind sie nur verwirrend. Das Problem: Läuft bei Textpassagen gleichzeitig Musik, vibriert Freyja dennoch. Das macht wenig Sinn. Auch hier wäre eine spezifische Implementation toll.
Fazit
Eigentlich geil, aber...
Razers Freyja könnte die nächste Immersionsstufe bei Games und Filmen sein. Könnte. Leider mangelt es derzeit noch an der Implementation. Spiele, die das Sensa-HD-genannte Feature an Bord haben, fühlen sich zwar gut an, aber könnten von einer noch tieferen Integration profitieren. Bislang beschränkt sie sich hauptsächlich auf die Action. Ich will aber auch spüren, wie sich die Charaktere fühlen. Derzeit unterstützen zudem nur eine Handvoll Spiele das Feature. Auch Filme oder Serien könnten von Freyja profitieren. Es bleibt zu hoffen, dass mehr Studios die Möglichkeiten Freyjas nutzen. Beim Hören von elektronischer Musik macht das Kissen hingegen bereits jetzt ordentlich Laune.
Verarbeitet ist das Vibrationskissen super und die sechs verbauten Motoren können feine Nuancen hervorbringen. Meine anfänglichen Bedenken, dass es auf meinem Bürostuhl ständig verrutscht, sind schnell verflogen. Einmal montiert, bleibt es dort, wo es hingehört. Dabei sitzt es sich auch bequem auf dem Teil. Leider mindert es den Effekt der Lordosenstütze. Bist du also auf diese angewiesen, musst du das Kissen immer wieder entfernen. Schade ist ebenfalls, dass es Razer nicht hinbekommt, dass du alle Einstellungen in einer Software machen kannst. Sie sind über die Programme Synapse und Chroma verteilt.
Preislich ist Freyja am oberen Ende, mehr wäre ich nicht bereit zu bezahlen. Zumal es trotz der Top-Hardware eher ein experimentelles Produkt ist. Aber wie so oft muss ich es dem Hersteller Razer hoch anrechnen, den Versuch zu wagen. Davon dürfen sich andere Hersteller wie Logitech gerne eine Scheibe abschneiden.
Pro
- super Verarbeitung
- Vibrationen sind nuanciert
- macht Lust auf mehr
- etwas Neues
- steigert die Immersion
Contra
- wenige Spiele unterstützen das Feature bislang
- bisherige Implementationsqualität lässt zu wünschen übrig
- zwei statt einer Software zur Steuerung
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.