Oh, Selina, Du kannst so wenig, und ich hab Dich doch gern!
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Oh, Selina, Du kannst so wenig, und ich hab Dich doch gern!

Es gibt keine App. Auf dem Display sind nur drei Werte zu sehen. Selina hat nicht einmal eine Funkuhr. Trotzdem ist das Teil von Stadler Form ein Liebling im Haus.

Zu einem gesunden Raumklima gehört eine gewisse relative Luftfeuchtigkeit – im Idealfall ein Wert zwischen 40 und 60 Prozent. Liegt sie darunter, spürst du das zum Beispiel in der Nase. Die Schleimhäute sind zu trocken, als Folge bist du anfälliger für Erkältungen. Ist die Luft zu feucht, kann sich im Zimmer schlimmstenfalls Schimmel bilden. Die relative Luftfeuchtigkeit ist also ziemlich wichtig fürs Wohlbefinden.

Allerdings bekommen Hygrometer, also Geräte zur Messung der Luftfeuchtigkeit, im Vergleich zu den Thermometern eher wenig Aufmerksamkeit. Auch in unserem Shop äussert sich die Bevorzugung der Temperaturmesser schon im Titel. Der Produkttyp heisst «Thermometer + Hygrometer»,
Thermometer stehen vorne.

Allerhöchste Zeit, dass ich ein Hygrometer zeige, das mir ans Herz gewachsen ist. Das kleine Teil heisst Selina. Selina gibt es in klein, mit etwa fünf Zentimetern Höhe, und in gross, dann mit knapp zehn Zentimetern doppelt so hoch. Herkunft von Hygro-Selina ist das Haus Stadler Form, ein Schweizer Hersteller von allerlei Gerätschaften für gute Raumluft. Was Selina – auf diesen schönen Namen wurde das Hygrometer getauft – kann, können auch die Luftbefeuchter von Stadler. Sie haben nämlich Hygrometer eingebaut. Umgekehrt gilt das nicht.

Selina kann keine Luft befeuchten. Eigentlich kann sie nur drei Dinge anzeigen:

  • Temperatur
  • Luftfeuchtigkeit
  • Uhrzeit

Wobei die Luftfeuchtigkeit ihre Kernkompetenz ist. Diesen Wert zeigt sie auf dem halbtransparenten LC-Display prominent an. Zusätzlich gibt es noch einen Smiley. Der lächelt zufrieden, wenn der Wert zwischen 40 und 60 Prozent liegt. Andernfalls schaut er mir traurig entgegen.

Das Display ist halbtransparent. Hier siehst du meine Finger auf der Rückseite.
Das Display ist halbtransparent. Hier siehst du meine Finger auf der Rückseite.
Quelle: Martin Jungfer

Kleiner, links daneben, gibt es noch die Anzeige der aktuellen Temperatur. Links oben in der Ecke steht die Uhrzeit. Das war’s. Über die Hälfte der Displayfläche beim von mir getesteten grossen Modell ist leer. Und genau das finde ich sehr gut so. Ich will kein überfrachtetes Daten-Cockpit.

Stadler Form hat Selina so konsequent auf Einfachheit getrimmt, sodass es auch keine Möglichkeit gibt, die Anzeige zu konfigurieren. Es ist, wie es ist. Fühlt sich ein bisschen wie iPhone im Jahr 2015 an, als es auch noch nichts anzupassen gab. Wobei das iPhone damals immerhin ein hell leuchtendes Display hatte. Bei Selina fehlt sogar das. Im Dunkeln erkenne ich ihre Anzeige nicht.

Nicht einmal eine App gibt es zu Selina. Sie muss nicht ins heimische Wifi eingebunden werden, es werden keine Daten aufgeschrieben und zu animierten Liniendiagrammen verarbeitet.

So kann ich mich ganz darauf konzentrieren, für Selina einen angemessenen Platz im Wohnzimmer zu finden. Es muss ein Platz sein, der ihrem Design gerecht wird. Denn Selina ist eine schlanke Schönheit aus mattem Kunststoff, nur gut vier Millimeter dick sind Display und Standfuss. Sie stehen in einem Winkel von 80 Grad zueinander und verleihen Selina Stabilität und Grazie. Der beste Platz ist zum Beispiel auf einer Kommode oder einer Küchenbar. Direktes Sonnenlicht, Zugluft oder zu wenig Luftzirkulation solltest du vermeiden. Nicht aus Design-Gründen, sondern aus ganz praktischen.

Von der Seite betrachtet wird deutlich, wie dünn das Display ist.
Von der Seite betrachtet wird deutlich, wie dünn das Display ist.
Quelle: Martin Jungfer

Standort: Sonne und Zugluft vermeiden

Denn am richtigen Standort macht Selina nicht nur eine gute Figur. Sondern – und das ist ja noch wichtiger – liefert sie dort sehr genaue Werte. Hersteller Stadler Form gibt an, dass der Sensor in einem Toleranzbereich von plus bzw. minus drei Prozent arbeitet. Das kann ich nach einem Vergleich mit verschiedenen Messgeräten bestätigen. Selina lag immer sehr nahe an den Werten der deutlich teureren Profi-Messgeräte.

Die Energie für ihr genaues Tagwerk zieht Selina aus einer CR2016-Batterie im Ständer. Bei mir hält die Knopfzelle locker ein Jahr durch. Um sie zu wechseln, brauche ich eine Münze, mit der ich das Batteriefach öffne. Erstaunlich, dass die Batterie dort Platz hat, wo sie doch selbst schon fast so hoch ist wie der gesamte Fuss von Selina.

Mit einer Münze öffne ich das Batteriefach. Allerdings selten, denn Selina hält mit einer CR2016 ein gutes Jahr durch.
Mit einer Münze öffne ich das Batteriefach. Allerdings selten, denn Selina hält mit einer CR2016 ein gutes Jahr durch.
Quelle: Martin Jungfer

Unten im Fuss gibt es ausserdem noch die einzigen Bedienelemente von Selina. Es sind zwei Vertiefungen, die auf Druck reagieren. Das Ende einer aufgebogenen Büroklammer oder die Spitze eines Kugelschreibers leisten hier gute Dienste. Ich brauche eines dieser Werkzeuge exakt zweimal im Jahr, immer dann, wenn der Wechsel von Sommer- zu Winterzeit ansteht oder umgekehrt. Ja, du hast richtig geschlussfolgert: Selina hat keine Funkuhr. Ausnahmsweise treibt mich das Anpassen der Uhrzeit hier aber nicht in den Wahnsinn. Denn die Funktion der beiden Knöpfe ist so klar und verständlich, wie ich das selten gesehen habe.

Auch wenn das Umstellen von Sommer- auf Winterzeit kurz nervt – immerhin benötige ich dafür kein zweisemestriges Studium einer Bedienungsanleitung.
Auch wenn das Umstellen von Sommer- auf Winterzeit kurz nervt – immerhin benötige ich dafür kein zweisemestriges Studium einer Bedienungsanleitung.
Quelle: Martin Jungfer

Fazit: Kann (fast) nichts, macht das aber super

Dieses Hygrometer kann fast nichts. Selina macht daraus aber eine Kunstform. Wer fast nichts kann, kann seine Nutzer auch nicht gross ärgern. Dankbar nehme ich hin, dass ich Selina ihren Platz zuweisen kann, und sie dort völlig unauffällig über viele Monate ihren Dienst verrichtet. Ich vermisse nichts. Interessiert mich die Luftfeuchtigkeit, sehe ich den Wert auf einen Blick, weiss, dass er einfach stimmt – und erfreue mich ganz nebenbei am tollen Design.

Natürlich rechne ich jetzt schon damit, dass mir in den Kommentaren bald jemand vorrechnen wird, dass ich für viel weniger Geld auch ein Hygrometer aus China bekommen könnte. Dort kommen ja eh so gut wie alle solche Geräte her, übrigens wird auch das von Stadler Form dort produziert, wie die Firma transparent informiert. Ich weiss, dass ich in China alles auch für einen Spottpreis finden kann. Aber ich weiss eben auch, dass jemand, der aus einem nützlichen Helfer, nämlich einem Hygrometer, etwas Schönes erschafft, auch sein Geld verdienen muss. Dafür bezahle ich dann gerne.

Titelfoto: Martin Jungfer

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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