Mit Milch, ohne Zucker
News & Trends

Mit Milch, ohne Zucker

Kaffeetrinker werden seltener depressiv. Allerdings kommt es auf die Dosis und Zubereitung an. Und nicht jedem tut starker Kaffeekonsum gut: Koffein kann Panikattacken auslösen.

Dass Koffein antidepressiv wirkt, haben bereits zahlreiche Studien belegt. Meist wurde dabei aber nicht nach Zubereitungsart unterschieden. Eine chinesische Forschungsgruppe hat das nun getan. Sie wertete Daten von mehr als 145 000 Erwachsenen aus England, Schottland und Wales aus, die zwischen 2006 und 2010 sowie erneut 2016 für die UK Biobank befragt wurden, eine grosse medizinische Datenbank im Vereinigten Königreich.

Knapp 20 Prozent gaben an, keinen Kaffee zu trinken, rund 70 Prozent eine bis drei Tassen und die übrigen 10 Prozent mehr als drei Tassen täglich. Depressionen und Ängste traten am seltensten bei denen auf, die pro Tag zwei bis drei Tassen tranken. Das galt vor allem für gemahlenen und ungesüssten schwarzen Kaffee sowie für Kaffee mit Milch – weniger also bei Instant- oder koffeinfreiem Kaffee sowie bei Zugabe von Zucker oder künstlichen Süssstoffen.

Die optimale Kaffeemenge könnte sogar noch höher liegen. Darauf lassen zum Beispiel Angaben von rund 14 000 Erwachsenen in Spanien schliessen. Zu Beginn der Studie – im Schnitt waren sie da Mitte 30 – hatten sie nicht unter Depressionen gelitten. Das Risiko, in den folgenden zehn Jahren eine Depression zu entwickeln, lag bei denen, die mindestens vier Tassen Kaffee am Tag tranken, um die Hälfte niedriger. In anderen Studien fielen die Effekte allerdings weniger deutlich aus. Laut einer Metaanalyse von 2023 mit Daten von mehreren hunderttausend Menschen senkte starker Kaffeekonsum das spätere Depressionsrisiko um rund zehn Prozent.

Kaffee als Stimmungsaufheller

Auch wenn diese Befunde aus Längsschnittstudien stammen, erlaubt die Art der Datenerhebung eigentlich keine Rückschlüsse auf Ursache und Wirkung. Es wäre denkbar, dass andere Beschwerden, die mit Depressionen zusammenhängen, den Konsum einschränken, wie chronische Erkrankungen am Darm oder Magen.

Was jedoch einen kausalen Zusammenhang nahelegt, ist die Dosis-Wirkungs-Beziehung, die einige Studien nachweisen konnten: Mit jeder Tasse Kaffee mehr am Tag sinkt auch das Depressionsrisiko; in der genannten Metaanalyse zum Beispiel um vier Prozent pro Viertelliter, in anderen sogar mehr. Natürlich nur innerhalb bestimmter Grenzen: Eine Koffeinvergiftung kann tödlich enden.

Die antidepressive Wirkung von Kaffee lässt sich überdies biologisch gut erklären. Koffein stimuliert das zentrale Nervensystem, es fördert die Dopaminübertragung und blockiert Adenosinrezeptoren im Gehirn: Es aktiviert und hebt die Stimmung. Weitere, vor allem antientzündliche Substanzen im Kaffee können zusätzlich zum antidepressiven Effekt beitragen.

Koffein als Panikmacher

Für das verminderte Angstrisiko von Kaffeetrinkern gibt es jedoch eine andere, zunächst paradox anmutende Erklärung: Koffein kann Panikattacken auslösen. Menschen, die dazu neigen, sind sich dessen oft bewusst und trinken eher weniger Kaffee. In ihrem Fall mindert also nicht der Kaffeekonsum die Angst, sondern die Angst den Kaffeekonsum.

Experimente bestätigen die Panik auslösende Wirkung. Schwedische Forschende von der Universität in Uppsala verglichen den Effekt von Koffein mit dem eines Placebos: Rund jede zweite Versuchsperson, die unter einer Panikstörung litt, reagierte auf das Koffein mit einer Panikattacke, auf das Placebo dagegen keine einzige. Im Mittel brauchte es ungefähr fünf Tassen Kaffee, um Panik auszulösen. Unter den gesunden Kontrollpersonen bekamen knapp zwei Prozent eine Angstattacke. Koffein beschleunigt unter anderem den Herzschlag – ein körperlicher Vorgang, der zu Panikattacken beitragen kann.

Dennoch könnte Kaffee jenen Ängsten vorbeugen, die sich nicht in Panikattacken äussern, etwa im Rahmen von Depressionen oder Zwangsstörungen. Die eingangs genannte chinesische Forschungsgruppe empfiehlt «moderaten Kaffeekonsum zur Vorbeugung und Bewältigung von Ängsten und Depressionen». Der Rat ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen: Die Selbstmedikation mit Kaffee kann nach hinten losgehen.

Spektrum der Wissenschaft

Wir sind Partner von Spektrum der Wissenschaft und möchten dir fundierte Informationen besser zugänglich machen. Folge Spektrum der Wissenschaft, falls dir die Artikel gefallen.

Originalartikel auf Spektrum.de

Titelbild: Shutterstock

31 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar
Spektrum der Wissenschaft
Wissenschaft aus erster Hand

Experten aus Wissenschaft und Forschung berichten über die aktuellen Erkenntnisse ihrer Fachgebiete – kompetent, authentisch und verständlich.


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar