Calvin Klein CK One
Eau de Toilette, 200 ml
Ich bin süchtig. Süchtig nach guten Düften. Wie es dazu kam?
Zwei Dingen kann ich nicht widerstehen: Sneakers und teuren Parfüms. Schuld an dieser Sucht ist Calvin Klein. Mit seinem Unisex-Duft CK One nahm das Unheil in den 90ern seinen Lauf. Ich nebelte mich damals, wie so viele, damit ein. Und fand es … schrecklich. Ich glaube, ich machte einfach, was man machte. Gruppenzwang und so. Egal, ob Mann oder Frau. Wir alle rochen nach diesem billigen synthetischen Irgendwas. Gruusig.
Das konnte es doch nicht sein. Das Leben musste doch mehr fürs Näschen zu bieten haben als diesen Einheitsbrei im Flakon. Ich suchte viele Jahre danach. Trieb mich in billigen Import-Parfümerien hinter Bahnhöfen und an anderen zwielichtigen Orten herum. Vergeblich.
Anfang der Nullerjahre stiess ich durch einen Bekannten auf die Düfte von Creed. Seit 1760 und sieben Generationen war hier das Metier des Parfümeurs vom Vater an den Sohn weitergegeben worden. Zuerst in London, dann in Paris. Über Umwege kam ich an ein Müsterchen Original Vétiver dieses Familienkartells. Gratis versteht sich. Der erste Shot ist immer gratis. Um mich war's geschehen. Ich ging los und beschaffte mir diese Mischung aus Bergamotte, Koriander, Sandelholz und Vetiver.
Nach so einer Erfahrung gibt’s kein Zurück. Das ist wie beim Wein. Wer einmal einen Romanée-Conti gekostet hat, kriegt nie mehr Fusel aus dem Tetrapak runter. Um mein ruinöses Faible für teure Düfte zu finanzieren, habe ich schon unzählige Jobs gemacht. Bei Privatradios, Werbeagenturen und Onlineshops.
Original Vétier war mir irgendwann nicht mehr genug. Ich brauchte einen neuen Kick und wollte härteren Stoff ausprobieren. Es folgte Royal Oud und schliesslich Aventus, das Parfüm des Jahres 2010 von Creed. Ab da gab’s kein Halten mehr.
Nach einem kurzen Abstecher zu Tom Ford und Acqua di Parma landete ich bei der Römischen Duftmafia von Pro Fumum. Zuerst Arso und Fumidus für die kalten Monate, dann Acqua Viva für den Sommer. Keine Frage, ich schien die Kontrolle über meinen Geruchssinn immer mehr zu verlieren. Meine Nase hatte das Kommando übernommen.
Ich war aber noch lange nicht am Ende. Im Gegenteil. Im Internet stiess ich auf ein New Yorker Labor mit French Connection, das seine Designerprodukte auch in Zürich an bester Lage beim Bellvue zu sagenhaften Preisen feilbot. Das grosse Portemonnaie im Sack machte ich mich auf den Weg und fand mich schliesslich mit feuchten Händen und 50 Millilitern im Rucksack auf dem Sechseläutenplatz wieder. Zwei Jahre später hatte ich mich durch Thé Noir 29, Bergamote 22, Vetiver 46 und Santal 33 geschnüffelt.
Hinzu kommen unterdessen auch noch das Duschgel, das Bartöl und das Deodorant aus derselben Ecke. Ein toxischer Cocktail. Ich glaube, Fachleute nennen das wohl Polytox.
Es musste etwas geschehen. Aber was? Kalter Entzug? Das war mir zu hart. Von einem Moment auf den anderen ohne Apfel, schwarze Johannisbeere und Ananas in der Kopfnote in den Morgen starten. Ohne Wacholder, Birke und Jasmin in der Herznote den ersten Kaffee geniessen und schliesslich den Tag ohne Vanille, Moschus und Eichenmoos in der Basisnote ausklingen lassen? Ohne mich. Ich nahm mir deshalb vor, langsam vom Stoff wegzukommen. Ein Fläschchen nach dem anderen leer machen. Ich hatte mir über die Jahre einen Vorrat an Eau de Parfums beschafft, der mich noch lange versorgen würde. Das war der Plan. Und dann?
Dann kam mein Geburtstag und damit verbunden der Gutschein einer Luxusparfümerie in Basel. Meine Frau machte mir diese Freude. Die alte Weisheit, nach der man sein gewohntes Umfeld wechseln sollte, wollte man clean werden, hatte sich auf grausame Weise bewahrheitet.
Und so stand ich kürzlich mit glänzenden Augen beim Dealer meiner Wahl. Umringt von freundlichen Damen, die mir 100 Milliliter einer Mixtur aus Zedernblättern, Pinienharz, Leder und Weihrauch abfüllten. Frisches Arso von Pro Fumum für die Nase. Ein Rückfall in alte Verhaltensmuster. Die Sucht war stärker.
Was soll’s. Ein Hoch auf die olfaktorische Wahrnehmung. Im nächsten Leben werde ich Parfümeur oder Trüffelschwein. Wie ich in die Sneaker-Abhängigkeit rutschte, erzähle ich dir ein andermal.
Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.