Tojo
Was ist Pult?
Tojo nennt es Pult. Für mich ist es mehr. Schreib-, Ess-, Stehtisch und dabei immer ästhe … tisch. Sorry dafür. Aber die Frage muss erlaubt sein: Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Pult oder Tisch? Ja, was ist er denn nun, mein mobiler Arbeitsplatz? Ich hoffe sehr, dass die Antwort Tisch lautet. Denn Tische sind auf dieser Welt einfach unersetzlich. Und sie haben einem ganzen Berufsstand seinen Namen verliehen: Tischler. Im Gegensatz zum Banker schafft der Tischler etwas von bleibendem Wert. Tischlerinnen und Tischler sind die unbesungenen Helden unserer Zeit. Nun ja, fast. Der einzige Versuch, den ich gefunden habe, tönt stimmlich eher nach Schrei(n)er und geht mächtig in die Lederhose.
«I bin koa Depp, bin Tischler Sepp?» Ernsthaft? Tischler, Tische, deine und meine Ohren haben was Besseres verdient.
Ach was, die Welt hat Besseres verdient.
Das muss ich Österreich gleich mal mitteilen. Ab ans Pult.
Nachdem das geklärt ist, kann es losgehen. Synthesizer an, Sound ab. Die Vorlage hast du im Ohr, die Exegese folgt dann später.
Tische stützen den Arm
Tische haben am Morgen Zeit
Tische, Wein und Heumilch
Tische brauchen Hochwertigkeit
Oh, Tische sind unersetzlich
Tische kosten nicht die Welt, also komm und setz dich
Tische brauchen Stühle
Tische steh’n nicht weit vom Strom
Tische wackeln wie blöde
Auf Tischen liegt dein Telefon
Oh, Tische sind manchmal zu breit
Tische bestechen durch ihr Holz und ihre Lässigkeit
Tische tragen ist schwer, niemals leicht
Innen Harz und aussen ganz weiss
Werd'n als Baum schon auf Tisch geeicht
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Tische haben Macken
Tische sind furchtbar stark
Tische tragen alles
Tische kriegen 'n Herz reingehackt
Oh, Tische sind Bein und Filzgleiter
Müssen an jede Wand, müssen nimmer weiter
Tische tragen ist schwer, niemals leicht
Innen Harz und aussen ganz weiss
Werd'n als Baum schon auf Tisch geeicht
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Tische übersteh’n Rosenkriege
Tische sind selten babyblau
Tische brauchen Seife
Tische sind furchtbar in Grau
Tische tragen Pakete
Tische können alles – ganz, ganz genau!
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Tische sind zu hoch für Kinder
Tische tragen ein Liebespaar
Tische brauchen Menschen
Tische steh’n etwas vor der Bar
Tische sind unersetzlich
Tische hast du dir bestellt, also komm und setz dich
Tische tragen ist schwer, niemals leicht
Innen Harz und aussen ganz weiss
Werd'n als Baum schon auf Tisch geeicht
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Wann ist ein Tisch ein Tisch?
Wann ist ein Tisch ein Tiiiiihiiihiiiiiiisch?
Lass den Beat langsam ausklingen und bleib ungeniert dran. Dir wird aufgefallen sein, dass der Text zwar viele Kriterien nennt, die entscheidende Frage aber nicht beantwortet. Um herauszufinden, ob mein Pult ein Tisch ist, muss ich noch etwas mehr ins Detail gehen und ein paar Zeilen analysieren.
Tische stützen den Arm
Tische haben am Morgen Zeit
Tische, Wein und Heumilch
Tische brauchen Hochwertigkeit
Oh, Tische sind unersetzlich
Tische kosten nicht die Welt, also komm und setz dich
Konzentrieren wir uns hier zunächst auf die Stützfunktion und Verarbeitung. Beides ist wichtig und sollte gegeben sein, denn Tische finden am Boden Halt und müssen diese Stabilität weitergeben. Einen Ellbogen auf der Platte ist kein Problem. Damit kann mein Pult umgehen, es quittiert die Last allerdings mit einem verständnisvollen Nicken.
Überzeugend finde ich die Verarbeitung. Denn Tische haben Platten. Und in diesem Fall ruhen diese nur auf jeweils zwei Regalbodenträgern, von mir liebevoll «Nöppel» genannt, die im Abstand von fünf Zentimetern auf der bevorzugten Höhe eingesteckt werden können. Obwohl ich mein Pult regelmässig auf-, ab- und umbaue, sind die Löcher bislang ebenso wenig ausgenudelt wie Herberts grösste Hits.
Tische brauchen Stühle
Tische steh’n nicht weit vom Strom
Tische wackeln wie blöde
Auf Tischen liegt dein Telefon
Dass mein Pult bei zu heftiger Erschütterung schwankt, wird dir schon oben nicht entgangen sein. Es will sanft behandelt werden und du musst innerlich gefestigt genug sein, um an der etwas wackeligen Konstruktion arbeiten zu können.
Ich komme gut damit klar, bin an der Tastatur allerdings auch eher Tipper und kein Hacker. Dass Tische nicht weit vom Strom stehen, trifft vor allem auf Schreib- und Arbeitstische zu. In dieser Funktion finde ich es praktisch, dass der ganze Stecker-Schlamassel hinter dem Pult verschwindet.
Oh, Tische sind manchmal zu breit
Tische bestechen durch ihr Holz und ihre Lässigkeit
Tische tragen ist schwer, niemals leicht
Innen Harz und aussen ganz weiss
Werd'n als Baum schon auf Tisch geeicht
Zu breit ist mein Pult mit 56 Zentimetern definitiv nicht. Im Gegenteil. Um es als mobiles Büro nutzen zu können, habe ich mir die Schreibplatte L angeschafft, die es immerhin auf 92 Zentimeter bringt.
Es handelt sich um eine MDF-Platte, den Döner Kebap unter den Hölzern. Keiner weiss so genau was drin ist, das Ganze wird fest zusammengepresst, aber irgendwie ist’s noch ganz gut. Tojo gibt an, dass die Platten FSC-zertifiziert und die Artikel der Marke bis auf (hier kaum bzw. gar nicht vorhandene) Schrauben und Beschläge komplett recyclebar sind. Produziert wird in Deutschland, Norditalien und Ungarn.
Ob die Platten mit Leim oder Harz zusammengepresst werden, weiss ich nicht. Die Zeile «innen Leim und aussen ganz weiss» hätte sich aber nicht auf den ursprünglichen Text geleimt. Deshalb der klebrige Kompromiss im Sinne der Kunst. Die weisse Beschichtung ist gut abwischbar und sorgt dafür, dass ich meine Arbeitsstunden abends anhand der Kaffeetassenringe erfassen kann.
Tische übersteh’n Rosenkriege
Tische sind selten babyblau
Tische brauchen Seife
Tische sind furchtbar in Grau
Um ehrlich zu sein, eignet sich das Pult ganz hervorragend, um gleich zu Beginn des Rosenkrieges mit einem beherzten Fusstritt in seine Einzelteile zerlegt zu werden. Weniger impulsive Pärchen können die Bretter im Falle einer Trennung gut untereinander aufteilen.
Grundsätzlich ist dieses Puzzle mit 9 Teilen aber eher was für Männer, denn die sind angeblich schlechter beim Zusammenbauen. Beim Pult musst du wirklich nicht in die nur eine Seite umfassende Anleitung schauen. Die zweite Streitpartei kann sich dann endlich ihren babyblauen Tisch kaufen. Die sind zwar selten, aber es gibt sie.
Alles besser als ein grauer Tisch. Wääh. Graue Tische gehören verboten. Sie saugen sämtliche Kreativität aus ihren Besitzern, also hüte dich davor.
Tische sind zu hoch für Kinder
Tische tragen ein Liebespaar
Tische brauchen Menschen
Tische steh’n etwas vor der Bar
Auf der niedrigsten Stufe ist die Tischplatte 63 Zentimeter hoch und damit durchaus auch als flexibles Kindertischchen zu gebrauchen. Liebespaaren muss ich dagegen entschieden abraten: Das Pult ist ein Single-Ding. Für jegliche Aktivitäten zu zweit, dritt oder viert würde ich eher das Modell «Steck» empfehlen.
Unstrittig ist, dass Tische Menschen brauchen. Und Menschen Tische. Den passenden für den jeweiligen Zweck und niemals einen grauen. Nach dieser eingehenden Analyse kannst du mir und allen anderen dabei helfen, das Pult von Tojo richtig einzuordnen.
Was ist Pult?
Ganz egal, wie die Abstimmung läuft: Ich habe mir meine Meinung gebildet.
Fantas... pult? Nein, nein, nein. Nimm die Fanta, verbinde ein s, streiche das «toll» und montiere den Tisch. Mein Pult erfüllt 87,3 Prozent der im Song genannten Kriterien und darf sich damit offiziell als Tisch bezeichnen. FANTA-S-TISCH! Das gilt allerdings nur in der LP-Version (mit der separat erhältlichen langen Platte).
Ansonsten stammt Pult vom lateinischen «Pulpitum», was ich natürlich nicht bei Wikipedia nachlesen musste. Schliesslich hatte ich sieben Jahre Latein in der Schule und weiss, dass das «Brettergestell, Brettergerüst» bedeutet. Was es einerseits perfekt trifft, andererseits aber viel zu billig klingt. Ob als Pult oder Tisch – mir ist mein Brettergestell lieb und teuer, obwohl es nicht günstig ist. Ein bisschen Pecunia musst du schon springen lassen, aber Pulpitum non olet.
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Contra
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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.