Sony LEGO Horizon Adventures
PS5, DE
«Lego Horizon Adventures» punktet mit einer wundervollen Inszenierung. Die bisweilen fotorealistische Grafik ist für Lego-Fans ein Traum. Beim Umfang und der Abwechslung enttäuscht das Game jedoch.
Die postapokalyptische Playstation-Spielserie «Horizon» trifft auf die bunte Klötzchenwelt von Lego. Was sich zunächst wie eine äusserst merkwürdige Kombination anhört, entpuppt sich auf den zweiten Blick als perfekter Match. Mit dem «Tallneck»-Lego-Set haben Sony und Lego schon vor zwei Jahren erfolgreich gemeinsame Sache gemacht. Nun folgt mit «Horizon Lego Adventures» das zweite Projekt aus dieser Zusammenarbeit.
Als grosser Fan der «Horizon»-Games und Lego habe ich mich sehr auf das Game gefreut. Nach dem Durchspielen sind meine Gefühle gemischt. «Lego Horizon Adventures» ist eine wunderschöne Enttäuschung. Jüngere Lego-Fans dürften aber trotzdem Freude an dem zu kurzen und zu simplen Abenteuer haben.
«Lego Horizon Adventures» erzählt lose die Geschichte des ersten Spiels «Horizon: Zero Dawn» nach. Kennst du die ursprüngliche Story nicht, wirst du wahrscheinlich nicht verstehen, was es mit all den seltsamen Stämmen und Killermaschinen auf sich hat. Alles, was du wissen musst: Die rothaarige Protagonistin des Games, Aloy, muss die Welt vor verrückten Sektenanhängern und wildgewordenen Roboter-Dinos retten. Nebenbei baut sie ihr Dorf «Mother's Heart» mit goldenen Legosteinen wieder auf. Diese findet sie in vier Welten, die jeweils in kleinere Levels aufgeteilt sind.
Die Story wird in typischer Lego-Manier in Zwischensequenzen voller Slapstick-Momente und Dialoge mit Meta-Kommentaren erzählt. Eine meiner Lieblingsszenen: Aloy will nach einem Angriff auf «Mother's Heart» wissen, wie viele Dorfbewohner von den religiösen Fanatikern entführt wurden. Die Anführerin des Dorfes erwidert: «Das kann ich nicht genau sagen. Du weisst, wie schwierig zählen ist, wenn man keine Finger hat». Herrlich.
Cool ist, dass in der englischen Version die meisten Schauspielerinnen und Schauspieler aus dem Originalspiel in ihre Rolle zurückkehren – allen voran Ashley Burch als Aloy. Enttäuschend ist hingegen der Recast des mysteriösen Charakters Sylens. Dieser wurde im Original von Lance Reddick gesprochen, der letztes Jahr verstorben ist. Für «Lego Horizon Adventures» wurde leider kein Ersatz mit einer ähnlich tiefen und markanten Stimme gefunden. Schade – vor allem auch, weil sich ein grosser Teil der Jokes rund um Sylens auf sein einzigartiges Stimmorgan bezieht.
«Lego Horizon Adventures» ist ein umwerfend schönes Spiel. Während in früheren Lego-Games nur die Spielcharaktere und einzelne Objekte aus Legosteinen zusammengebaut waren, besteht in «Lego Horizon Adventures» die gesamte Welt aus den bunten Klötzchen. Jeder Baum, jeder Stein, ja, sogar das Wasser und Partikeleffekte (Feuer, Elektrizität, Schnee) sind aus «echten» Lego-Teilen gebaut.
Die Plastikteile sehen mit der atmosphärischen Beleuchtung und realistischen Reflexionen bisweilen fotorealistisch aus – Raytracing sei Dank. Mithilfe subtiler Tilt-Shift-Effekte wirken die Landschaften zudem wie kleine Dioramen. Ich kann mich nicht sattsehen an der Plastik-Schönheit. Manchmal halte ich kurz inne und beobachte, wie ein Wasserfall im Hintergrund mit Stop-Motion-Animationen fliesst.
Auch bei den Charaktermodellen geht «Lego Horizon Adventures» einen anderen Weg als bisherige Lego-Games. Die kleinen Männchen sind nämlich genau so animiert, wie sich «echte» Lego-Figuren bewegen würden. Aloy kann ihre Gliedmassen nicht verbiegen, sondern rennt unbeholfen mit ausgestreckten Beinen durch die Gegend. Auch die Roboter-Dinos bewegen sich wie echte Lego-Modelle. Ganz grosses Kino mit viel Slapstick-Potenzial.
Im Verlauf des Spiels schalte ich neben der Stammeskriegerin Aloy noch drei weitere Spielcharaktere frei. Mit der flinken Protagonistin kämpfe ich mit Pfeil und Bogen gegen die Blech-Dinos. Der Nachwuchskrieger Varl schiesst mit Speeren um sich, die mehrere Feinde durchbohren können. Der brachiale Schnauzträger Erend schwingt einen riesigen Hammer, um die Monster in Einzelteile zu zerlegen.
Etwas aus dem Rahmen fällt die Dorfälteste Teersa. Einerseits, weil sie im Originalspiel im Vergleich zu den anderen Figuren nur eine untergeordnete gespielt hat. Und andererseits, weil ihr Kampfstil ziemlich öde ist. Die alte Dame schmeisst improvisierte Bomben auf Gegner. Das sieht lustig aus, macht aufgrund der trägen Steuerung aber nur mässig Spass.
Mit allen Spielfiguren kann ich durch einen kurzen Druck auf die Angriffstaste schnell schiessen oder mit einem langen Druck präzise zielen. So lassen sich, wie im Originalspiel, einzelne Schwachpunkte der Maschinen anvisieren, die ich zuvor mit dem Fokus-Gerät gescannt habe.
Neben ihren primären Waffen finden die Haudegen spezielle Upgrades in den Levels. So kann Aloy beispielsweise Feuerpfeile verschiessen, Varl seine Speere zu Bumerangs umfunktionieren und Erend mit seinem Hammer Erdbeben auslösen. Zusätzlich gibt es diverse Gadgets zu entdecken, mit denen ich massiven Schaden anrichten oder die Feinde verbrennen, einfrieren oder schockieren kann. Sowohl Upgrades als auch Gadgets haben nur eine begrenzte Anzahl an Ladungen.
Die Waffen-Upgrades und Gadgets machen Spass und bringen Abwechslung in die chaotischen Schlachten. Schade ist, dass das Auffinden der Items komplett dem Zufall überlassen ist. Ob ich beispielsweise ein Level mit Eis- oder Feuerpfeilen bestreite, kann ich nicht im Voraus planen. Ich muss hoffen, dass ich die gewünschten Upgrades in Truhen finde oder dass besiegte Feinde diese droppen.
Insgesamt sind die Kämpfe zwar spassig, aber zu simpel geraten. Das Moveset der Figuren ist sehr beschränkt. Oft wünsche ich mir, dass ich einige der Gadget-Funktionen – zum Beispiel schnelleres Ausweichen – auch ohne Items einsetzen könnte.
Immerhin bringen kleine Nebenmissionen zumindest ein bisschen Komplexität in die Schlachten und zwingen mich, strategisch zu handeln. Die optionalen Mini-Aufgaben geben mir zusätzliche goldene Steine, um das Dorf wieder aufzubauen. Bei einer Mission muss ich eine bestimmte Anzahl an Feinden mit Elektrizität bezwingen und bei einer anderen soll ich nur explosive Fässer benutzen.
Obwohl das Kampfsystem insgesamt simpel ist, werde ich von den Blechdinos und Sektenanhängern oft überrumpelt – vor allem, wenn ich abgelenkt bin, weil ich mich auf das Erfüllen einer Nebenmission konzentriere.
Zum Glück kann ich mir mit der Ko-op-Funktion jederzeit Hilfe holen – entweder online oder offline. Zu zweit sind die Kämpfe bedeutend einfacher – und machen mehr Spass. Mit einer sauberen Absprache kann man sogar ein bisschen Strategie in das Gemetzel bringen und die Blechmonster von mehreren Seiten gleichzeitig angreifen.
Für unerfahrene Mitspieler oder Kinder gibt es in den Optionen zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten, um ein reibungsloses Spielerlebnis zu gewährleisten. So kann ich zum Beispiel Zielhilfen aktivieren oder einen Spielcharakter sogar unsterblich machen. Das ist toll und ermöglicht sogar blutigen Anfängern einen Einstieg in die «Horizon»-Lego-Welt.
Abgesehen von den Kämpfen gibt es in den linearen Schlauch-Levels leider nicht viel zu entdecken. Eine versteckte Schatztruhe hier, ein bisschen sammelbare Lego-Steinchen da. Rätsel? Fehlanzeige. Die Levels gleichen sich vom Aufbau her sehr – bisweilen wirken sie austauschbar und prozedural generiert.
Auch die Missionen überzeugen nicht. Um die wertvollen goldenen Lego-Steine zu erhalten, muss ich nur ans Ende eines Levels gelangen oder einen besonders schwierigen Endboss besiegen. Das uninspirierte Missionsdesign ist viel simpler als in anderen Lego-Games. Ich weiss – das Game richtet sich primär an eine jüngere Zielgruppe. Aber auch dieser darf man gerne etwas mehr zutrauen.
Zwischen den Missionen kehre ich immer wieder nach «Mothers Heart» zurück. Dort kann ich mit gesammelten Lego-Steinchen neue Skills freischalten und das Dorf mit Deko-Elementen versehen. Auch wenn mir das Dekorieren des Dorfes anfangs Spass macht, ist es im Endeffekt eine belanglose Spielmechanik, die keinerlei Auswirkungen auf das Gameplay hat. Dass die meisten Deko-Elemente aus anderen Lego-Sets, wie «Lego City» und «Ninjago» stammen, macht sie für mich uninteressant und austauschbar.
Auch neue Verkleidungen für meine Spielfiguren gönne ich mir im lokalen Shop. Wie auch die Dekorationen stammen viele Outfits nicht aus der Welt von «Horizon». Es ist lustig, als überdimensionierter Hot Dog Blech-Dinos zu verkloppen oder sich als Ninja durch den Dschungel zu schleichen. Aber auch hier verliere ich das Interesse an den generischen Designs schnell.
Fairerweise gehöre ich hier nicht zur primären Zielgruppe. Kids, die mit «Lego City», «Ninjago» und Co. spielen, werden sicher mehr Gefallen an den freischaltbaren Deko-Elementen und Kostümen finden.
Zusätzlich zu den Nebenmissionen für den Kampf finde ich am Anschlagbrett in «Mother's Heart» auch Nebenmissionen für das Dekorieren des Dorfes. Diese verlangen von mir, dass ich eine bestimmte Anzahl Häuser neu streiche oder bestimmte Deko-Elemente baue, um weitere goldene Steine zu erhalten. Das kompensiert meine fehlende intrinsische Motivation zumindest teilweise.
Nach rund acht Stunden sehe ich schon den Abspann von «Lego Horizon Adventures». Für die Platin-Trophäe hole ich mir alle goldenen Steine und investiere weitere sechs Stunden. Das ist mir zu wenig. Versteh mich nicht falsch – ich mag kurze und knackige Games. «Astro Bot» gehört zu meinen Lieblingsspielen des Jahres. Aber wenn Games so kompakt sind, müssen sie in der kurzen Spieldauer viel Abwechslung und Spektakel bieten. Und das ist beim simplen und repetitiven Design von «Lego Horizon Adventures» leider nicht der Fall.
«Lego Horizon Adventures» ist ab dem 14.11. erhältlich für PS5, PC und Switch. Das Spiel wurde mir zu Testzwecken von Sony für die PS5 zur Verfügung gestellt.
Pro
Contra
Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.