Der Fall des Präsidenten
Deutsch, Marc Elsberg, 2022
Die USA suchen ihren nächsten Präsidenten – oder eben die erste Präsidentin. Die Nachrichten sind voll mit Wahlkampf-Reportagen. Als Kontrastprogramm kommen hier drei Thriller-Tipps.
Was darf’s denn sein? Ein skrupelloser Präsident, der von seinen Mitarbeitenden elegant beseitigt werden muss? Oder einer, der ganz alleine eine Schurkenstaat-Verschwörung gegen die USA durchschaut? Oder wünscht du dir, dass jemand mal einen Ex-Präsidenten für illegale Aktionen des US-Militärs hinter Gitter bringt? Das gibt es alles – in Büchern. Drei Empfehlungen für Thriller, bei denen der US-Präsident im Mittelpunkt steht.
Die Handlung: Der Ex-Präsident der USA wird bei einem Besuch in Griechenland im Auftrag des Internationalen Strafgerichtshofs festgenommen. Das sorgt wenig überraschend für gewaltige diplomatische Verwicklungen. Mittendrin: die Juristin Dana Marin. Sie muss die Anklage vertreten und bekommt es mit mächtigen Gegnern zu tun: Geheimdiensten, PR-Netzwerken, Regierungsberatern. Natürlich mischt sich auch der aktuelle US-Präsident ein, der mitten im Wahlkampf ist und es sich eigentlich nicht erlauben kann, dass der Ex-Präsident in Griechenland im Gefängnis sitzt und einem Prozess entgegensieht.
Der Hintergrund: Der Plot ist interessant: Man stelle sich vor, ein ehemaliger Präsident würde tatsächlich zur Rechenschaft gezogen für Befehle ans US-Militär, die gegen internationale Abkommen verstossen oder sogar ein Kriegsverbrechen sind. Marc Elsberg schafft ein Szenario, das zwar Fiktion bleibt, aber man fragt sich: Warum eigentlich? In Den Haag wurden schon etliche Politiker für Kriegsverbrechen angeklagt und verurteilt. 124 Staaten haben den Internationalen Strafgerichtshof offiziell anerkannt, die Vereinigten Staaten aber haben ihre Unterschrift zurückgezogen. Verhandelt und abgeurteilt wurden bisher in Den Haag gut zwei Dutzend Fälle. In der Regel gegen Personen aus Staaten in Afrika.
Gut, weil …: Der Thriller von Marc Elsberg verpackt interessante Hintergründe über den Internationalen Strafgerichtshof und das Völkerrecht in einer spannenden Story. Manches Mal verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Fiktion. Was könnte wirklich so passieren? Was ist ausgedacht? Elsberg überlässt es dir als Leserin oder als Leser, die Antwort darauf zu finden. Du wirst dich weniger mit dem US-Präsidenten oder seinem Vorgänger durch die Geschichte bewegen. Stattdessen macht Elsberg mit Dana Marin eine moderne Jeanne d’Arc zur Hauptfigur, die selbst als Kind Opfer eines Kriegsverbrechens geworden ist und deshalb sehr glaubhaft für Gerechtigkeit kämpft.
Die Handlung: In der Jack-Ryan-Reihe von Tom Clancy hat es der ehemalige CIA-Agent Ryan inzwischen bis ins Weisse Haus geschafft. Als Präsident muss er verhindern, dass Amerikas Erzfeind Russland zurück zu alter Macht aus Sowjetzeiten kommt. Denn im Kreml sitzt mit Valeri Volodin ein Präsident, der einen so perfiden wie durchdachten Plan hat, von den wirtschaftlichen Problemen im Inland durch aggressive Aussenpolitik abzulenken. Wenn überall auf der Welt Konflikte herrschen, könnte das den Ölpreis in die Höhe treiben und so den Reichtum der Oligarchen-Clique vergrössern, von dem Volodins Wohl abhängt.
Der Hintergrund: Der russische Präsident in «Die Macht des Präsidenten» heisst zwar Volodin. Ich musste beim Lesen aber immer wieder an Putin denken. Dabei ist der Roman bereits Ende 2015 erschienen. Das echte Russland hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Krim annektiert und hatte Gebiete im Donbass infiltriert. Aber die grosse Invasion 2022 war in dieser Dimension nicht absehbar. Autor Mark Greaney, der als ehemaliger Co-Autor des 2013 verstorbenen Clancy die Ryan-Reihe fortführt, zeigt in «Die Macht des Präsidenten» auf, wie ein Russland unter dem fiktiven Präsidenten Volonin Konflikte schürt und den demokratischen Westen in Nöte bringt, weil um passende Antworten lange gerungen wird.
Gut, weil …: Bei Clancy-Romanen ist es immer wieder überraschend, oft auch beängstigend, wie die Handlungen ein paar Jahre später zum Teil realistische Szenarien werden. «Die Macht des Präsidenten» überhöht natürlich die Rolle, die ein US-Präsident hat. Dass nur er die grossen Zusammenhänge erkennt, während all die Geheimdienste das nicht raffen – naja. Gut finde ich diesen Clancy trotzdem. Denn ich lerne einen US-Präsidenten kennen, der einer militärischen Aggression durch Russland im Baltikum entschlossen US-Truppen entgegenstellt, während der Rest der Nato-Länder noch abwägt und zögert.
Die Handlung: Die Wählerinnen und Wähler in den USA haben einen schlimmen Fehler gemacht. Sie haben einen Mann zum Präsidenten gewählt, der, kaum im Amt, als erstes einen Nuklearschlag gegen Nordkorea anordnet. Der Grund: Ein Wortgefecht mit dem Machthaber in Pjöngjang ist eskaliert. Im Weissen Haus wird den Mitarbeitern klar, dass sie diesen Mann, ihren Präsidenten, stoppen müssen. Notfalls durch ein Attentat.
Der Hintergrund: Der Roman zeigt das Dilemma, in dem die Hauptfigur steckt. Diese ist nämlich nicht der Präsident, sondern Maggie Costello, die im Büro des Rechtsberaters des Präsidenten arbeitet. Während Maggie kaum einer realen Person zuzuordnen ist, ist es bei den anderen Figuren sehr einfach. Sam Bourne macht es den Leserinnen und Lesern einfach, den Präsidenten als Trump zu identifizieren. Eine weitere wichtige Person ist sein enger Berater Crawford McNamara, der von Steve Bannon inspiriert ist, und treu an der Seite des Präsidenten steht. Andere Figuren müssen sich dagegen entscheiden, wo sie in der Geschichte sehen wollen. Wer handelt moralisch richtig? Ist ein Attentat, letztlich ein Mord erlaubt, um grösseres Unheil zu verhindern?
Gut, weil …: Der US-Präsident ist ein Choleriker, leicht reizbar, sexistisch, schnell beleidigt, hat wenig Sinn für Diplomatie. Er ist der Auslöser für die Kernfrage, um die sich der Roman dreht. Jonathan Freedland, der britische Journalist hinter dem Akronym Sam Bourne, hat den Roman 2017 publiziert, also bereits kurz nach Trumps Amtsantritt. Das Gefühl dieser Zeit wird mit dem Roman wieder lebendig. Man wachte früh auf und schaute als erstes auf sein Smartphone, ob der echte Präsident womöglich das Undenkbare getan hatte. Unter Biden schläft man heute ruhiger.
Der Autor von «Der Präsident» versteht es, tiefe Einblicke in die Psyche seiner Figuren und das Machtgefüge im Weissen Haus zu geben. Sein Verschwörungs-Thriller ist nicht immer atemlos erzählt, aber der Spannungsbogen hält sehr gut bis zum Ende. Und dieses Ende habe ich so nicht erwartet.
Hast du Buchtipps, bei denen der US-Präsident eine Rolle spielt? Oder vielleicht einen Roman, bei dem eine Frau als US-Präsidentin amtiert? Lass es mich und die Community gerne in einem Kommentar wissen.
Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.