Ist das die Zukunft? Xiaomi stellt transparenten OLED-TV vor
Xiaomi wird der erste TV-Hersteller sein, der transparente OLED-Fernseher massenproduziert. Verkaufsstart ist der 16. August. Für China. Was taugt der Fernseher überhaupt?
Endlich kann ich den Kabelsalat hinter meinem Fernseher sehen: Das chinesische IT-Unternehmen Xiaomi hat den ersten Fernseher mit transparentem Display zur Marktreife gebracht – und überholt damit Panasonic auf der Zielgeraden.
Denn: Eigentlich waren es die Japaner, die vergangenes Jahr auf der grossen Technologiemesse der IFA in Berlin versprachen, die Ersten zu sein, die 2020 transparente Fernseher ins heimische Wohnzimmer bringen werden. Am Zeitplan soll sich nichts geändert haben, aber der erste Platz; nun… der geht an Xiaomi.
Xiaomis «Mi TV Lux OLED Transparent Edition», so der volle Name, soll bereits ab dem 16. August erhältlich sein. Zumindest auf dem chinesischen Markt. Auf Anfrage hat uns Xiaomi noch kein konkretes Startdatum für Europa nennen können. Das müsse zuerst noch validiert werden.
Nun ja, Kostenpunkt für den transparenten Spass: 49 999 chinesische Yuan. Aktuell etwa 6550 Franken oder 6100 Euro. Geht noch für einen 55-Zöller, durch den man laut Xiaomi-Werbung direkt in die Zukunft blickt. Oder ins Schlafzimmer des Nachbars. Je nachdem.
Laut Xiaomi: High-End Hardware?
Okay, fertig Witze über transparente Displays.
Ausgeschaltet ist da nur ein etwa 5,7 Millimeter dickes Glas. Das geht, weil der Smart-TV fürs 55 Zoll grosse Display ein TOLED-Panel ohne Rückwand nutzt; das T steht für Transparent. Im Rahmen selbst sitzen lediglich zwei leicht getönte Glasfolien mit den TOLED-Schichten dazwischen. Das TOLED besteht aus 1920×1080 Pixeln – etwas mehr als 2 Millionen organische Leuchtdioden. Keine Ultra-HD-Auflösung also. Nur Full HD. Dank seiner 70-85 prozentigen Transparenz ist das Bild aber von beiden Seiten her sichtbar.
Das 120-Hz-OLED-Panel des Mi TV Lux Transparent stellt 10 Bit pro Farbkanal dar. Das sind etwas mehr als 1,07 Milliarden Farben, wie Xiaomi in seiner Pressemitteilung klargestellt haben will. Dazu deckt der TV 93 Prozent des DCI-P3-Farbraums ab.
Die Elektronik befindet sich im Standfuss. Geht ja kaum anders mit dem transparenten Display. Dazu drei HDMI-2.0-Eingänge. Im Standfuss befindet sich ebenfalls ein MediaTek-9650-Prozessor und interne TV-Lautsprecher, die Dolby Atmos beherrschen. Als TV-Betriebssystem installiert Xiaomi das eigene auf Android basierende Miui.
Stellen wir uns die offensichtlichste Frage: Was taugt der Fernseher?
So spannend die Technologie, so untauglich ist sie für den Alltag… noch
Das alles klingt nach Specs, die irgendwo zwischen High-End und Low-End sind. Vor allem für das, was von einem Heimkino-Fernseher erwartet wird. Full-HD-Auflösung für einen 55-Zöller? Das ist wenig. DCI-P3-Farbraumabdeckung von 93 Prozent? Das ist etwas über Beamer-Niveau. High-End-Fernseher erreichen so um die 97 bis 100 Prozent Abdeckung des für HDR-Inhalte verwendeten Farbraums. Das 10-Bit-Panel und die nativen 120 Frames pro Sekunde sind dafür auf Branchen-Niveau.
Sehr weit aus dem Fenster gelehnt scheint aber vor allem folgende Aussage aus der Pressemitteilung:
Grund der Skepsis: Der Kontrast beschreibt den maximalen Unterschied zwischen dem hellsten und dunkelsten Bildpunkt. Bei OLED-TVs ist von unendlich grossen Kontrasten die Rede, weil sich OLED-Pixel ein- und ausschalten können. Sie zeigen dort, wo schwarz sein müsste, echtes Schwarz.
Das Problem des Mi TVs ist dessen Transparenz: Weil Licht von hinten auf die Pixel dringt, scheinen richtig dunkle Schwarzwerte gar nicht möglich. Die müssten sowieso davon abhängig sein, vor was für einem Hintergrund der Fernseher steht. Wie stellt sich da Xiaomi überhaupt statische Kontrastverhältnisse vor? Und von Traum-Kontrastwerten wie die kolportierten 150 000:1 fangen wir gar nicht erst an.
Panasonic indes erklärte an der vergangenen IFA, das Problem zu lösen, indem eine Seite des Glas-Sandwichs sich gegen Licht abschottet. Oder genauer: Es stellt auf «milchig» um. Das hast du vielleicht schon mal im Tram gesehen; transparente Glasscheiben, die bei Bedarf trüb werden. Dadurch wird die Darstellung von Schwarz und somit generell von einem normalen Bild erst möglich. Das Bild ist dann aber auch nur noch von einer Seite her sichtbar.
Wie Xiaomi das Problem löst, ist nicht bekannt. Sicher, die Technologie ist beeindruckend. Vielleicht sogar tatsächlich der erste Blick in die Zukunft des Fernsehens. Aber aus den im Internet kursierenden Videos wird schnell klar: Die Kontrastverhältnisse – und damit die Bildqualität – sind weit weg von dem, was fürs Heimkino akzeptabel wäre.
Xiaomi jedenfalls schreitet mutig in die Zukunft. Spricht nicht nur vom ersten transparenten OLED-Fernseher fürs Heimkino, sondern auch vom ersten seiner Art, der in Massenproduktion geht. Richtig spannend wird’s, wenn in naher Zukunft Panasonic – aber auch OLED-Platzhirsch LG – anfangen, mitzumischen.
Wenn du News und Hintergründe rund um die Welt des Kinos und des Fernsehens nicht verpassen möchtest, dann folge mir mit einem Klick auf den «Autor folgen»-Button.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»