Hilfe, Mundgeruch: Was bei chronisch schlechtem Atem hilft
Mundgeruch macht einsam, doch es gibt Hoffnung. Lies weiter, wenn du wissen willst, warum chronische Halitosis entsteht und wie du dauerhaft schlechten Atem zuverlässig loswirst.
Schlechter Atem nach dem Aufstehen oder der Knoblauch-Pasta kennt jeder. Auch wenn daran nichts Angenehmes zu finden ist: Dieser Mundgeruch verschwindet meist wieder von selbst und ist kein Grund zur Besorgnis.
Schwieriger wird es, wenn Mundgeruch nicht mehr weggeht – medizinisch auch chronische Halitosis genannt. Wenn sich Kolleginnen tuschelnd von dir abwenden oder der Partner keine Intimität mehr zulässt, erzeugt der schlechte Atem einen hohen Leidensdruck. «Betroffene geraten in eine furchtbare Psychospirale», sagt Prof. Dr. Andreas Filippi, Facharzt für Oralchirurgie und Leiter der Mundgeruch-Sprechstunde am Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB. «Wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung droht, oder die Ehe zerbricht: Das sind keine Einzelfälle, sondern betrifft erschreckend viele Menschen.»
Konkret leidet in der Schweiz rund jede vierte Person zumindest temporär an deutlich wahrnehmbarem Mundgeruch und etwa sechs Prozent der Menschen andauernd. Professor Filippi erklärt, welche Ursachen dahinterstecken können, wie du Mundgeruch bei dir selbst feststellen kannst und was anhaltend bei schlechtem Atem hilft.
Hilfe Mundgeruch: Diese Ursachen stecken dahinter
Mundgeruch entsteht in 90 Prozent der Fälle in der Mundhöhle. Die häufigste Ursache ist der riesige Biofilm auf der Zungenoberfläche: Dort sitzen bis zu 1000 verschiedene Bakterienarten, die wichtiger Bestandteil einer gesunden Mundflora, oft aber auch die Übeltäter hinter schlechtem Atem sind, denn: «Sie bauen organische Substanzen zu flüchtigen Schwefelverbindungen ab und verursachen so Mundgeruch» sagt Prof. Filippi.
Auch die Mundtrockenheit ist häufig Auslöser des schlechten Atems. Zum Beispiel jeden Morgen nach dem Aufstehen: «In der Nacht produzieren wir wenig Speichel und somit fehlt der Spüleffekt des Biofilms an Zunge und Zähnen», sagt der Experte.
Etwa alle 20 Minuten verdoppeln sich die Bakterien in deinem Mund. Fehlt der Speichel, oder trinkst du zu wenig, vermehren sich diese Bakterien ungehindert weiter und Mundgeruch hat ein leichtes Spiel. Während die nächtliche Mundtrockenheit völlig normal ist, und Mundgeruch meist nach dem ersten Glas Wasser oder dem Zähneputzen verschwindet, hält sich der trockene Mund bei anderen hartnäckig: «Es gibt Menschen, die produzieren zu wenig Speichel. Zum Beispiel durch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, durch Rauchen, das Alter oder krankheitsbedingt, beispielsweise nach einer Krebstherapie.»
Bis zu 200 verschiedene Ursachen kann die Halitosis haben. Darunter Piercings im Mundbereich, Karies oder allgemeinmedizinische Probleme wie eine Entzündung der Nasennebenhöhlen, der Mandeln oder der Magenschleimhaut. Auch wenn nur selten schwerere Erkrankungen dahinterstecken: Eine ärztliche Abklärung ist in jedem Fall zu empfehlen.
Verdacht auf Mundgeruch: Wie du dich selbst testen kannst
Es ist eine schreckliche Vorstellung, von anderen Menschen auf den eigenen Mundgeruch hingewiesen zu werden. Dabei macht es einen Unterschied, ob du situativen oder chronischen Mundgeruch hast. Ersteres ist schnell gelöst: Das nächste Mal bestellst du mittags im Büro einfach keinen Zwiebeldöner mehr. Anders ist es, wenn sich dein Umfeld nach Wochen oder Monaten dazu durchringt, dich auf deinen schlechten Atem anzusprechen...
«Für das Wort chronisch gibt es keine zeitliche Begrenzung», sagt Experte Filippi. «Man spricht dann von chronischem Mundgeruch, wenn er sich nur noch überdecken, aber nicht mehr in den Griff bekommen lässt. Wenn du es selbst nicht mehr beeinflussen kannst.» Was zudem tückisch ist: Betroffene bemerken ihren Mundgeruch selbst sehr lange nicht. Weil er langsam entsteht, hat die Nase ausreichend Zeit sich an die neuen Geruchsmoleküle zu gewöhnen.
Ein einfacher Weg, Mundgeruch bei dir selbst festzustellen, ist die Airbag-Methode. Prof. Filippi erklärt, wie das geht: «Man nimmt einen Plastikbeutel, der größer sein sollte als das eigene Lungenvolumen – also größer als sieben Liter. In den atmet man hinein – und zwar so, dass man ihn nicht aufbläst: Normal durch die Nase einatmen und die Ausatemluft in den Beutel atmen.» Danach solltest du ein paar Sekunden lang Frischluft atmen oder alternativ an Kaffeepulver riechen, um die Geruchsrezeptoren in der Nase zu neutralisieren.
Wenn du die Luft danach langsam vor deiner Nase rauslässt, wirst du feststellen können, ob du (zum Beispiel nach einer Therapie) immer noch an Halitosis leidest. In der Halitosis-App des UZB ist die Methode (sowie andere hilfreiche Informationen für Betroffene) detailliert beschrieben.
Halitosis behandeln: Das kannst du selbst gegen Mundgeruch tun
Wenn sich Mundgeruch als Dauerthema herausstellt, kannst du im ersten Schritt selbst einlenken. Konkret kannst du deine Mundhygiene optimieren und deine Ernährung anpassen. Prof. Filippi erklärt, worauf es ankommt:
1. Zungenreinigung
Da Mundgeruch meistens in der Mundhöhle entsteht, ist die Mundhygiene ein wichtiger Hebel in der Halitosis-Behandlung. «Die Frage ist weniger, wie intensiv deine Mundhygiene ist, sondern ob du die richtige Technik hast» sagt der Experte. Beim Zähneputzen solltest du die richtige Zahnbürste verwenden und diese regelmäßig wechseln. Wenn sich Mundgeruch hartnäckig hält, empfiehlt der Experte mindestens zwei Mal, aber besser drei Mal täglich die Zähne zu putzen und den Mund regelmäßig und gut zu spülen.
Außerdem solltest du spätestens jetzt mit der täglichen Zungenreinigung beginnen: Dafür gibt es eigene Zungenreiniger und Spezialpasten. Darüber hinaus wird es nun Zeit für die tägliche Nutzung der Zahnseide, denn: In den Zahnzwischenräumen setzt sich Zahnbelag ab, der die Entstehung von Mundgeruch begünstigt.
2. Ernährung
Nummer Eins Tipp gegen Mundgeruch ist, viel und regelmäßig zu trinken, um den Biofilm auf Zunge und Zähnen zu spülen. Das geht am besten mit Wasser, aber auch Tees haben sich als nützlich erwiesen: Durch seine antimikrobielle Wirkung hilft insbesondere grüner Tee gegen Mundgeruch – nicht nur kurz- sondern auch längerfristig. Ingwer hat einen ähnlichen Effekt.
Was die Mahlzeiten selbst betrifft, solltest du auf ballaststoffreiche Nahrung setzen. Darüber hinaus solltest du Wurst, Steak und Co. für eine Zeit reduzieren, denn: «Wer Fleisch isst, hat stärkeren Mundgeruch als Menschen, die sich überwiegend pflanzlich ernähren», sagt der Experte. Er erklärt: «Fleisch besteht überwiegend aus Proteinen und Peptiden. Es muss vor dem Schlucken lange gekaut werden, was Aminosäuren freisetzt, die wiederum von Bakterien im Mund zersetzt werden und Mundgeruch verursachen.»
Wenn nichts mehr hilft: Mundgeruch professionell bekämpfen
Lässt sich der schlechte Atem weder durch eine optimierte Mundhygiene noch durch veränderte Essgewohnheiten in den Griff bekommen, muss professionelle Hilfe her. Nicht zuletzt, um festzustellen, ob tatsächlich eine Halitosis vorliegt – oder nur eine Halitophobie: die Angst vor nichtvorhandenem Mundgeruch.
«Diese Menschen sind davon überzeugt, Mundgeruch zu haben. In den Messungen zeigt sich das aber nicht», sagt der Fachmann. «Dabei handelt es sich um eine echte Krise: Die Suizidrate ist in dieser Gruppe erschreckend hoch. Bei diesen Patienten muss ein Psychiater oder ein Psychologe her.»
Deuten die Messungen deiner Ausatemluft aber eindeutig in Richtung Halitosis, ist es wichtig sich in professionelle Hände zu begeben. Am besten direkt in eine zertifizierte Halitosis-Sprechstunde.
Dort wird die genaue Ursache des Mundgeruchs festgestellt: Liegen Auslöser in der Mundhöhle, der Nasennebenhöhle, auf den Mandeln oder anderswo? «Die weitere Behandlung hängt dann davon ab, wo die Ursache des Mundgeruchs zu finden ist.»
Entsteht Mundgeruch in der Mundhöhle, wird professionell gereinigt: Die Zunge, die Zahnoberflächen und die Zahnfleischtaschen, insbesondere wenn diese besonders tief sind und zuhause nicht gereinigt werden können. Danach, und bei Einhaltung der professionellen Tipps zu Mundhygiene und Ernährung, kann die Halitosis durchaus geheilt werden, beruhigt der Facharzt.
Blick in die Zukunft: Probiotika gegen Mundgeruch?
In den letzten Jahren hat sich die Probiotika-Forschung an die Halitosis gewagt. Denn: Auf die Darmflora wirken Probiotika, lebensfähige Mikroorganismen, wahre Wunder. Ähnlich wertvoll können sie auch für die Mundflora sein – zumindest in der Theorie. Verabreicht als Lutschtablette, sollen die langlebigen Probiotika-Bakterien Lebensraum im Mund erobern und die für den Mundgeruch verantwortlichen Bakterien nach und nach verdrängen.
«In der klinischen Realität funktioniert das noch nicht wirklich gut» sagt Prof. Filippi, der selbst mit Probiotika-Präparaten geforscht hat. «Es gibt dabei drei große Probleme: Man muss die teuren Präparate ein Leben lang einnehmen; die Wirkung ist – zumindest Stand heute – vernachlässigbar; und letztlich besteht ein gewisses Nebenwirkungsrisiko durch die jahrelange Einnahme körperfremder Bakterien, das bisher keiner richtig einschätzen kann.»
Bis sich chronischer Mundgeruch mit einer Lutschtablette besiegen lässt, musst du dich also noch eine Zeit gedulden. Und obige Tipps beherzigen.
Titelfoto: shutterstockIch liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party.