Hilfe, mein Kind macht nachts (wieder) ins Bett!
Ratgeber

Hilfe, mein Kind macht nachts (wieder) ins Bett!

Martin Rupf
27.2.2023

Hast Du gewusst, dass jeder Zehnte Erstklässler nachts noch ins Bett macht? Eine Kinderärztin erklärt, weshalb einige Kinder länger brauchen, bis sie trocken werden und was sie von technischen Hilfsmitteln hält.

Vor ein paar Tagen erzählte mir ein guter Freund etwas beschämt, dass seine neunjährige Tochter ins Bett gemacht hatte. Gemerkt hatte er das als Erster, weil sich die Tochter in der Nacht (wieder einmal) ins elterliche Bett geschlichen und sich neben ihn gelegt hatte. Aufgewacht war er wegen der warmen Nässe, die sich neben und unter ihm gesammelt hatte. Die Tochter habe ihm dann erzählt, sie habe geträumt, wie sie in eine warme Badewanne gestiegen sei. Zum Glück, für meinen Freund, blieb es seither dabei.

Dass aber auch andere Kinder im Alter seiner Tochter bettnässen – und zwar mehr, als man vielleicht denken würde –, verrät mir die Kinderärztin Barbara Deak im Interview.

Frau Deak, kommen häufig Eltern zu Ihnen als Kinderärztin, weil ihre Kinder bettnässen?
Barbara Deak: Ja, das ist regelmässig ein Thema in der Sprechstunde.

Viele Eltern, deren Kinder über das Kleinkinder-Alter hinaus immer noch bettnässen, sind wohl besorgt und fragen sich, ob das noch «normal» ist. Ab welchem Alter entwickeln Kinder in der Regel denn ein Gefühl für eine volle Blase und sind in der Lage, diese willentlich zu entleeren?
Neugeborene urinieren reflexartig 12 bis 16 Mal pro Tag. Zweijährige nehmen langsam ihre Blasenfüllung wahr. Im Alter zwischen 2 bis 4 Jahren spüren die meisten Kleinkinder tagsüber den Harndrang und entwickeln die Fähigkeit, den Urin willentlich zurückzuhalten. Mädchen erlangen die Blasenkontrolle häufiger früher als Knaben. Bei den vierjährigen Mädchen sind es tagsüber 98 Prozent, während es bei den gleichaltrigen Buben erst 88 Prozent sind. Diese Zahlen sind insofern relevant, da Kinder ab vier Jahren in den Kindergarten eintreten und erwartet wird, dass sie dort tagsüber trocken sind.

Was sind denn die Gründe, dass ein Kind partout nicht trocken werden will?
Beim Bettnässen handelt es sich in den meisten Fällen um eine langsame, nicht krankhafte Entwicklung der Blasenkontrolle. Das heisst, das Kind spürt die Signale der vollen Blase noch nicht; das Nervensystem muss noch ausreifen. Die Blasenkontrolle ist also nicht beeinflussbar durch den Willen des Kindes.

Wenn Sie sagen, es handelt sich um eine Entwicklungsverzögerung, spielen dann eventuell auch Erbanlagen eine Rolle?
Ja, tatsächlich: So haben Studien gezeigt, dass wenn beide Elternteile als Kind Bettnässer waren, die Wahrscheinlichkeit, dass es ihre Kinder auch werden, bei 77 Prozent liegt. Wenn nur ein Elternteil betroffen ist, dann liegt das Risiko bei 43 Prozent. Umgekehrt sind nur gerade 15 Prozent der Kinder Bettnässende, wenn ihre Eltern als Kind nicht davon betroffen waren.

Wann spricht man denn überhaupt von bettnässen?
Wenn ein Kind ab dem 5. Geburtstag zweimal im Monat ins Bett macht.

Gibt es Erhebungen, wie viele Kinder überhaupt mit Bettnässen zu kämpfen haben?
Ja, es gibt verschiedene Studien, wobei die Zahlen zum Teil stark variieren. Bei Fünfjährigen geht man von einem Anteil zwischen 15 und 33 Prozent aus. Bei siebenjährigen Kindern sind es immer noch bis zehn Prozent, und bei zehnjährigen Kindern sind es geschätzt noch fünf Prozent.

Das dürfte viele betroffene Eltern beruhigen. Gibt es denn eine Möglichkeit, dem Bettnässen medizinisch den Kampf anzusagen?
Wie sagt man so schön: Wenn man am Gras zieht, wächst es nicht schneller. Der Reifungsprozess braucht Geduld und kann grundsätzlich nicht beschleunigt werden. Bei hohem Leidensdruck – zum Beispiel für ein Ferienlager eines 12-Jährigen – kann medikamentös kann eine Übergangslösung diskutiert werden. Dies bespricht man am Besten mit der behandelnden Ärztin.

Kinderärztin Barbara Deak: «Bettnässen ist bei rund jedem zehnten Kind im Alter von sieben Jahren noch ein Thema».
Kinderärztin Barbara Deak: «Bettnässen ist bei rund jedem zehnten Kind im Alter von sieben Jahren noch ein Thema».
Quelle: Martin Rupf

Ab wann empfiehlt sich ein Besuch bei der Kinderärztin?
Wenn die Blasenkontrolle tagsüber schon funktioniert, kann in der Regel zugewartet werden. Hingegen wenn das Kind schon längere Zeit trocken war und neu wieder einnässt ist eine Kontrolle empfohlen. Zudem sind wir bei hohem Leidensdruck für die Familie da.

Wie können Sie als Kinderärztin herausfinden, ob eine Entwicklungsstörung vorliegt?
Wir machen eine Abklärung mit einem ausführlichen Gespräch, einer körperlichen Untersuchung und kontrollieren den Urin. Zudem hilft ein Tagebuch über das Trinken, das Wasserlösen und den Stuhlgang. Damit können seltene krankhafte Ursachen ausgeschlossen werden.

Was, wenn Kinder, die über längere Zeit eigentlich trocken waren, in der Nacht plötzlich wieder einnässen?
Hier muss eine Störung ausgeschlossen werden, wie zum Beispiel eine Blasenentzündung oder eine hormonelle Störung. Natürlich ist auch eine psychosoziale Belastungssituation denkbar. Übrigens sind psychische Erkrankungen bei einem Kind, das noch nie trocken war in der Nacht, nicht häufiger als in der Vergleichsgruppe von Kindern, die in der Nacht bereits ihre Blase kontrollieren können.

Schicken sie die Eltern, respektive deren Kinder, in solchen Fällen zum Kinderpsychologen?
Nein, das braucht es in der Regel nicht.

Was halten Sie eigentlich von Hilfsmitteln wie Alarm-Matratzen oder Unterwäsche mit Alarm-Sensoren?
Nicht viel. Wenn die Reifung noch nicht vorhanden ist, nützen die Apparate nichts. Das ist ein Frust für die ganze Familie: alle sind wach, nur das betroffene Kind schläft. Spürt das Kind hingegen den Harndrang im Schlaf schon etwas, können diese Hilfsmittel schon etwas helfen. Langfristig bleibt rund die Hälfte der Kinder nach solchen «Trainings» trocken. Trotzdem werden sie relativ selten eingesetzt.

Weshalb, wenn sie doch nützen?
Weil sie eben die Reifung nicht beschleunigen können. Zudem setzt die Anwendung solcher Hilfsmittel sehr viel Durchhaltewillen voraus. Denn bis ein Erfolg einsetzen kann, braucht es zwischen 30 bis 50 nasse Nächte, was in der Regel rund drei Monate in Anspruch nimmt. Drei Monate, in denen die Eltern mit massiv weniger Schlaf auskommen müssen.

Letzte Frage: Was sollten Eltern auf keinen Fall tun, wenn sie ihre Kinder unterstützen wollen?
Nicht förderlich sind Druck, Erwartungen die das Kind nicht erfüllen kann oder gar Schimpfen…

…und vielleicht der Hinweis, dass es ganz viele andere Kinder im gleichen Alter gibt, die auch noch bettnässen.
Hm, das mag vielleicht vor allem für die Eltern ein Trost sein. Für das betroffene Kind, insbesondere wenn es schon ein bisschen älter ist, hilft das oft nicht. Es will einfach endlich trocken werden. Ich empfehle übrigens allen Eltern, das Buch «Babyjahre» von Remo Largo. In diesem wird auch auf das Thema Bettnässen eingegangen und kann betroffenen Eltern eine gute Hilfe sein.

Titelfoto: Shutterstock
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Zweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.


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