Bioterra / Isabel Plana
Hintergrund

Gärtnern mit Kindern: Das Einmaleins des Samensäens

Zusammen mit meinen Kindern bepflanze ich neuerdings ein Gartenbeet. Dafür hole ich mir Tipps von der Leiterin eines Lerngartens für Kinder. Wie man seine Gartenkinder bei Laune hält oder welche Samen sich gut vertragen – die Expertin weiss Rat.

Mache ich das richtig mit dem Jäten? Dauert das bei allen so lang? Und welche Samen soll ich überhaupt kaufen? Kürzlich habe ich berichtet, wie ich mit meinen Kindern ein Gartenbeet anlege. Dabei sind mir allerlei Fragen gekommen.

  • Hintergrund

    «Mama, wann säen wir endlich die Tomaten?»

    von Ann-Kathrin Schäfer

Als Gartenneuling bitte ich eine Expertin um Rat. Kathrin Hälg leitet einen Lerngarten auf dem Areal Bach in St. Gallen, ein Angebot im Rahmen des Projekts «Gartenkind» von Bioterra. Sie ist ausgebildete Naturheilpraktikerin mit Schwerpunkt Pflanzenheilkunde.

Jetzt, wo es wärmer wird, öffnet auch dein Lerngarten wieder. Wie bereitest du mit den Kindern das Gemüsebeet vor?
Kathrin Hälg: Als erstes beseitigen wir die Beikräuter. Wir sprechen vor den Kindern nicht von Unkraut. Mit einer grossen Grabgabel lockern wir die Erde und machen sie dann mit einer Handhacke fein. Die Kinder sind meist mehr für die Arbeit am grossen Werkzeug zu begeistern. Das finden sie faszinierender als Kinder-Werkzeug. Je nach Alter fehlt ihnen aber manchmal die Kraft, dann helfen wir Leiter:innen nach.

Kathrin Hälg gibt diverse Kurse zu Natur-, Garten- und Gesundheitsthemen.
Kathrin Hälg gibt diverse Kurse zu Natur-, Garten- und Gesundheitsthemen.
Quelle: Bioterra / Isabel Plana

Fehlt den Kindern nicht auch manchmal die Ausdauer? Meinen verging zwischenzeitlich die Lust aufs Jäten ...
Die Kinder haben bei uns schon Lust zu jäten – aber nur fünf bis zehn Minuten und nicht eine halbe Stunde, das stimmt. Einen Teil jäte ich daher schon im Vorfeld mit meinen erwachsenen Mithelfer:innen.

Hast du einen Tipp, was müde Gartenkinder wieder motiviert?
Ich empfehle, selbst mit der Gartenarbeit anzufangen. Manchmal kommt die Lust mitzumachen beim Zuschauen. Für mehr Begeisterung sorgt auf alle Fälle neben der Arbeit Insekten zu beobachten und mit der Lupe zu untersuchen.

Bei uns scheint das Jäten kein Ende zu nehmen. Muss man tatsächlich alles Grün entfernen und mit Wurzeln ausstechen, bevor man die Samen sät? Auf unserem Beet wachsen Löwenzahn, Brennnessel, Brombeere, Gras …
Im Frühling würde ich wirklich alles, was den Boden bedeckt, wegnehmen, weil es Konkurrenz fürs Gemüse darstellt. Das ist anstrengend und braucht Zeit, ja. Tatsächlich ist es nicht nötig, bei allen Beikräutern die Wurzel auszustechen. Bei gewissen Pflanzen verrotten sie im Boden, wenn man das Grün entfernt. Aber bei deinen genannten Kandidaten sieht das anders aus: Löwenzahn nimmt unter der Erde viel Platz in Anspruch. Und bei Brombeere, aber auch bei Schnürgras, Giersch, Milchdisteln und Ackerwinde treibt jedes kleinste Wurzelstück, das in der Erde bleibt, wieder aus. Daher gehören diese Wurzeln auch nicht auf den Kompost.

Hab ich dich, du dicke Beikrautwurzel!
Hab ich dich, du dicke Beikrautwurzel!
Quelle: Ann-Kathrin Schäfer

Wie sieht es im Laufe des Gartenjahres aus, wenn das Gemüse schon grösser ist?
Dann kann man eher mal Beikräuter stehen lassen oder nur die grünen Teile abnehmen und als Mulch verwenden. Brennnesseln kannst du zur Pflanzenstärkung über Nacht ins Giesswasser legen oder selbst eine Jauche als Dünger herstellen. Was Zeit spart: den Boden nie umgraben, sondern nur lockern. Das ist auch aus ökologischer Sicht sinnvoll.

Wieso eigentlich?
So bringt man das empfindliche Bodengefüge nicht durcheinander. Das besteht aus vielen Schichten mit Bakterien, Pilzen, Würmern und Tausendfüsslern. Lockern allein hilft, damit Sauerstoff in den Boden gelangt.

Wenn irgendwann fertig gejätet ist: Wie geht es in deinem Lerngarten dann weiter mit Gemüse anpflanzen?
Wir streichen die Erde mit einem Rechen glatt. Dann bilden wir Rillen für die Samen von Rüebli, Randen und Spinat – und Löcher für Setzlinge wie Salat, Kohlrabi und Brokkoli. Die Kinder buddeln sehr gern Löcher. Für Zucchini- und Radieschensamen reichen kleine Löcher: Dafür einfach einen Finger in die Erde stecken. Pro Reihe sind es zwei Kinder: Eins macht das Loch, das zweite den Samen hinein. Das macht ihnen Spass. Auch Kartoffeln pflanzen wir spielerisch: Wir betten sie in Moos und Blüemli, legen Hornspäne als Dünger bei und bestreuen sie mit einem Salzstreuer mit Steinmehl. Das hilft, damit keine Pilzkrankheiten entstehen.

In Kathrins Lerngarten packen Gross und Klein gemeinsam an.
In Kathrins Lerngarten packen Gross und Klein gemeinsam an.
Quelle: Bioterra / Isabel Plana

Als meine Kinder und ich Samen kauften, habe ich realisiert, dass es wahnsinnig viele Anbieter gibt. Was kann man beim Kauf beachten?
Mein Tipp ist, Saatgut zu kaufen, das in der Schweiz vermehrt worden ist. Das ist optimal an unsere klimatischen Bedingungen angepasst. Wichtig ist, dass die Samen Bio – und samenfest sind. Dann kann man die Samen der Früchte im nächsten Jahr auch wieder verwenden.

Kann man die Samen auch aus Obst und Gemüse, das man im Laden oder auf dem Markt kauft, selbst ziehen?
Gemüse aus dem Supermarkt stammt oft von Hybridsamen ab. Die Samen daraus sind deshalb entweder steril oder die Pflanzen haben nicht mehr die gleiche Eigenschaft.

Gilt das auch für Bio-Gemüse?
Oft ja, mit Ausnahme der Gemüsesamen von Pro Specie Rara vielleicht. Es gibt aber noch mehr zu beachten: Kürbisgewächse beispielsweise werden von Insekten bestäubt und es kommt schnell zu Kreuzungen. Das heisst, es ist nicht sicher, ob aus dem Samen wieder die gleiche Pflanze entsteht. Aus Tomaten, Erbsen und Bohnen kann man aber gut Saatgut entnehmen, solange sie samenfest sind. Das kann man erfragen, wenn man das Gemüse auf dem Markt kauft.

Du hast in deinem Lerngarten ein rundes Mandalabeet mit acht «Kuchenstücken». Wie bepflanzt du das?
Wir pflanzen auf den gegenüberliegenden Teilen immer die gleiche Pflanzenfamilie und rotieren jedes Jahr rundherum. Man soll nicht jede Saison am gleichen Ort die gleiche Kultur setzen. Das nennt man Fruchtfolge.

Mit dem Mandalabeet behält Kathrin den Überblick über die Fruchtfolge.
Mit dem Mandalabeet behält Kathrin den Überblick über die Fruchtfolge.
Quelle: Bioterra / Isabel Plana

Wie funktioniert das mit der Fruchtfolge?
Wer sich noch nicht so auskennt, macht schon viel damit richtig, nicht jedes Jahr die gleichen Pflanzen am gleichen Ort zu pflanzen. Dabei ist wichtig zu wissen, dass verschiedene Pflanzen zur gleichen Familie gehören können, Erbsen und Bohnen zum Beispiel. In Gartenbüchern und im Internet gibt es zahlreiche Informationen über die verschiedenen Pflanzenfamilien.

Sollte man das Beet immer mit einer Schicht Kompost überdecken vor dem Säen?
Das hängt vom Nährstoffbedarf der Pflanzen ab. Bei den sogenannten Starkzehrern ist es wichtig, den Boden vor der Saat mit Kompost zu düngen. Mittel- und Schwachzehrer entnehmen dem Boden hingegen weniger Nährstoffe. Manche Pflanzen fördern sich auch gegenseitig im Wachstum. Ich achte deshalb immer auf eine Mischkultur im Beet.

Was heisst das?
Pro Beet pflanze ich immer verschiedene Gemüsearten an. So bleiben die Pflanzen gesünder. Ausserdem pflanze ich auch essbare Blumen. Sie ziehen Insekten an, die wiederum das Gemüse bestäuben.

Summ, summ, summ – Bienchen summ herum.
Summ, summ, summ – Bienchen summ herum.
Quelle: Bioterra / Isabel Plana

Ganz schön viel zu beachten …
Wenn ich noch einen Tipp geben darf: Anfangen und ausprobieren und sich nicht abschrecken lassen von Fruchtfolge, Mischkultur und Stark-, Mittel-, Schwachzehrern. Beim Tun kommt mit den Jahren die Erfahrung ganz von allein.

Das ist ein netter Tipp.
So macht es auch viel mehr Spass. Wenn man vorher alles nachliest, besteht die Gefahr, dass einem die Lust schon vor dem Anfangen vergeht, und das wäre schade!

Ich habe gehört, man sollte mit wenig Pflanzen beginnen. Uns war das zu langweilig, wir starten deshalb gleich mit 15 Pflanzen. Vermutlich zu viele, dafür sind wir umso euphorischer ...
Das ist doch super! Sich die Freude beim Gärtnern bewahren, ist so wichtig. Hinzu kommt: Wenn ihr so viele verschiedene Pflanzen habt, habt ihr auch mehr Chancen, dass aus ein paar von ihnen wirklich etwas wird.

Titelbild: Bioterra / Isabel Plana

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