Filmkritik: Lasst es Oscars regnen! Denn «Ford v Ferrari» ist brillant
Kritik

Filmkritik: Lasst es Oscars regnen! Denn «Ford v Ferrari» ist brillant

Luca Fontana
13.11.2019

Dass «Ford v Ferrari» gut wäre, ist ein Versprechen, das Schauspieler wie Matt Damon und Christian Bale geben. Wenn dazu noch «Logan»-Regisseur James Mangold kommt, wird aus dem Versprechen Pflicht. Aber «Ford v Ferrari» ist nicht nur gut, sondern spektakulär.

Eines vorweg: In der Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur das, was aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt ist.


Es sind die 1960er-Jahre. Ferrari gilt als Mass aller Dinge im Motorsport. Besonders im 24-Stunden-Rennen von Le Mans, Frankreich, einem in Europa immer populärer werdenden Rennen. Das macht Ferrari aus. Denn Dominanz im Rennsport – die steht für Ingenieurskunst und Zuverlässigkeit.

Etwas, wofür Ford nicht steht. 1966 sind die Verkaufszahlen des Automobilherstellers im Keller. Die Marke ist unsexy. Nicht zeitgemäss. Fabriken müssen geschlossen werden und das, was vom Ruf der einst stolzen Marke übrig ist, gerettet. Henry Ford II (Tracy Letts) und sein Marketingchef, Lee Iacocca (Jon Bernthal), beschliessen einen Plan, der wie ein schlechter Witz scheint: Millionen in eine Rennsport-Abteilung zu investieren, um Ferrari in Le Mans zu schlagen.

Aber Geld alleine gewinnt kein Rennen. Expertise muss her. Und der richtige Fahrer. Auftritt Carroll Shelby (Matt Damon), 1959 siegreicher Pilot in Le Mans, mittlerweile Rennwagen-Hersteller, und Ken Miles (Christian Bale), einer der besten Piloten der Gegenwart, aber auch cholerisches Rauhbein und Einzelgänger. Zusammen sollen sie innert 90 Tagen ein Auto bauen, das die Scuderia aus Italien schlagen kann.

Mangold, einer der talentiertesten Regisseure Hollywoods

Dass James Mangold ein verdammt guter Regisseur ist, sollte sich herumgesprochen haben. Auf sein Konto gehen «Identity», ein Mystery-Thriller aus dem Jahr 2003, das zwei Jahre später mehrfach oscarnominierte «Walk the Line» mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle sowie der 2007er-Western «3:10 to Yuma». Jüngst lieferte er mit «Logan» einen der besten Comicverfilmungen aller Zeiten ab.

Der Mann weiss, wie man gute Filme macht.

Dennoch: Was «Ford v Ferrari» veranstaltet, habe ich nicht kommen sehen. Einen guten Film? Wenn Matt Damon und Christian Bale die Hauptrollen spielen und Mangold den Film inszeniert, stellt sich die Frage nicht. Nur: Der Film ist nicht nur gut. Er ist brillant. Brillant, weil seine 2 Stunden und 28 Minuten rasant wie ein Rennen rumgehen. Brillant, weil der Glamour des Rennsports der 1960er gekonnt auf die Leinwand gebannt wird, ohne, dass du dich zwingend auskennen müsstest. Aber vor allem brillant, weil Mangolds Regie aus allen eine schauspielerische Leistung kitzelt, die nicht anders kann, als ein Fest zu sein.

Christian Bale, Matt Damon und viele andere sorgen für ein Fest der Schauspielkunst
Christian Bale, Matt Damon und viele andere sorgen für ein Fest der Schauspielkunst
Quelle: Twentieth Century Fox Film Corporation

Dafür sorgen auch die Drehbuch-Brüder Jez und John-Henry Butterworth, dessen bisher bekanntestes Werk «Edge of Tomorrow» ist. Nein, «Ford v Ferrari» ist nicht so komplex wie der Sci-Fi-Kracher. Muss er auch gar nicht sein. Dafür sind die Charaktere zu menschlich, die Konflikte zu spannend und die Geschichte an sich zu verrückt, um sie mit unnötigen Schikanen auszuschmücken.

Stattdessen strukturieren sie «Ford v Ferrari» als einfachen Dreiakter, der erst zum Schluss mit einer Überraschung aufwartet: Die Inszenierung des Rennens von Le Mans 66 als Film im Film, der selbst zum Dreiakter mit Anfang, Mitte und Schluss wird.

James Mangold inszeniert die Rennen im Film rasant und authentisch wie kein Zweiter.
James Mangold inszeniert die Rennen im Film rasant und authentisch wie kein Zweiter.
Quelle: Twentieth Century Fox Film Corporation

Wohl, um dem epischen Ausmass eines 24-Stunden-Rennens gerecht zu werden. Das kommt dank Mangold auch handwerklich zum Ausdruck: Jede Kameraeinstellung lässt die schiere Geschwindigkeit und Rohheit des Autosports fühlen. Tag und Nacht wechseln sich zweimal ab. Immer wieder sitzen wir Zuschauer im Cockpit, spüren, wie uns Wind und Regen in den Sitz pressen – wie bei jedem Gang, der eingelegt wird, das Auto bebt und wie der geringste Fahrfehler, der begangen wird, den beinahe sicheren Tod bedeutet.

Mangold erschafft diese warmen Bilder, die für den Chic der Zeit stehen und eines klar machen: Hier beschleunigen Rennfahrer auf über 320 Sachen – in den 1960ern, einer Zeit, als sich niemand sicher sein konnte, dass das Auto am Ende der Gerade überhaupt noch bremsen würde.

Halsbrecherisch ist gar kein Ausdruck. Jeder, der lebendig ins Ziel kommt, ist ein Gewinner.
Halsbrecherisch ist gar kein Ausdruck. Jeder, der lebendig ins Ziel kommt, ist ein Gewinner.
Quelle: Twentieth Century Fox Film Corporation

Grosses Kino.

Ohne Zweifel: Bale mal wieder oscarwürdig

Christian Bale gibt den Ken Miles als Hitzkopf, der Benzin im Blut und das Herz am rechten Fleck hat, dessen Temperament aber zu oft mit ihm durchgeht, um auf sein fahrerisches Talent eine Karriere zu bauen. Der Film wird zwar nicht aus Kens Sicht erzählt – die Erzählerrolle übernimmt Damons Caroll Shelby. Er ist aber der Motor, der den Film brummend antreibt und immer dann einen Gang höher schaltet, wenn die Story kurz ins Stottern gerät.

Mehr noch. Er ist ungezügelt, aber fair zu seinen Gegnern. Sagt den Leuten unverblümt, was er von ihnen hält – oft mit einem schelmischen Grinsen. Ein Underdog, trotz allem sympathisch, der lernen muss, über seinen Schatten zu springen und seinen Stolz hinter sich zu lassen, ehe ihn sein loses Mundwerk um den Ruhm bringt, der ihm eigentlich zustünde.

Das ist eine schauspielerische Leistung, die mindestens mit einer Oscar-Nomination belohnt werden muss.

Ken Miles Rolle ist wie geschaffen für Charakterdarsteller Christian Bale
Ken Miles Rolle ist wie geschaffen für Charakterdarsteller Christian Bale
Quelle: Twentieth Century Fox Film Corporation

Ihm zur Seite steht Matt Damon als Visionär und Träumer Carroll Shelby. Er ist kein introvertierter Gegenpol zu Miles. Vielmehr der Stratege, der Katalysator, der die Rohheit des britischen Fahrers in pures Rennsport-Feuer auf der Strecke umwandelt. Auf den Mund gefallen ist Shelby nicht. Immer wieder stellt er sich schützend vor Miles. Schlagfertig und vorbereitet.

Denn Henry Ford II – genial herrisch gespielt von Tracy Letts – ist der Patron eines Konzerns mit dutzenden Gremien und Schlipsträgern, die nichts vom Rennsport verstehen und sich ständig einmischen. Interne Querelen und Intrigen stehen an der Tagesordnung. Wollen Miles, den Bluthund, aus dem Fahrersitz verdrängen, um ihn durch brotlose Profile zu ersetzen, die zwar besser zur Marke Fords passen, es aber fahrerisch nicht mit Miles aufnehmen können.

Oscarpreisträger Matt Damon ist der perfekte Caroll Shelby.
Oscarpreisträger Matt Damon ist der perfekte Caroll Shelby.
Quelle: Twentieth Century Fox Film Corporation

Shelby hält dagegen. Mal um Mal. Es ist, als ob du einem Boxkampf zuschaust, der über 13 Runden geht – dessen Ende du aber nicht erahnen kannst. Natürlich nur, sofern du die Geschichtsbücher nicht schon vor dem Film prüfst.

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Da ist etwa die Szene, in der Shelby dem Patron erklären muss, weshalb eine vermeintliche Niederlage auf der Strecke eben doch ein Sieg ist. «This isn’t the first time Ford Motor has gone to war», sagt Henry Ford II dann, eine Anspielung auf Ford Motors Bedeutung für Amerika im Zweiten Weltkrieg, «go ahead, Carol. Go to war.»

Du musst die Szene selber gesehen haben, um mir zu glauben, dass ich im Kinosaal gejubelt habe.

Fazit: Für mich Film des Jahres

Vielleicht sind es die übertroffenen Erwartungen, die mich «Ford v Ferrari» derart feiern lassen. Aber der Film hat sich alles Lob, das er kriegen wird – und das wird er – verdient. Tatsächlich ist die Geschichte ungemein spannend, witzig und tragisch zugleich. Ein Markenzeichen des erzählerischen Repertoires James Mangolds.

Vielmehr aber ist es die Chemie zwischen Bale und Damon, die «Ford v Ferrari» zu etwas ganz Besonderem macht. Dazu kommen die grandios inszenierten Rennen und dieser eine letzte Drittel, der mir die Faszination Le Mans so nahe bringt, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.

Ehrlich Leute, gebt dem Film einen Oscar. Irgendeinen. Oder auch zwei.


In der Deutschschweiz, Deutschland und im Tessin startet «Ford v Ferrari» am 14. November 2019 – hierzulande unter dem Namen «Le Mans 66». In der Romandie startet er bereits am 13. November 2019.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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