«Falcon and the Winter Soldier», Episode 2: «Der Sternenbanner-Mann»
In der zweiten Folge kracht es gewaltig. Dann wird der Fokus auf die Charaktere gelegt. Im Mittelpunkt: John Walker, der neue Captain America. I like.
Eines vorweg: Das ist eine Folgenanalyse. Mit Spoilern! Schau dir also zuerst die zweite Episode von «Falcon and the Winter Soldier» an, bevor du weiterliest.
John Walker, der neuen Captain America, steht vor seinem Volk und uns Zuschauern. Das ist eine Woche her.Schock? Ein bisschen. Comic-Kenner wissen aber bereits: John Walker ist eine extremere, noch patriotischere Version des Captain America, der mal Feind, mal Freund der Avengers ist.
Und diese Woche? «The Star-Spangled Man», die zweite Folge, bleibt dem Konzept der ersten Folge treu: Zuerst etwas Action, dann… Exposition? Nah. Eher Exploration. Okay, ein bisschen von beidem. Zum Schluss natürlich der obligate Cliffhanger.
Schauen wir’s uns an.
Etwas mehr über John Walker
John Walker. Was fangen wir mit ihm an? Ist er böse? Gut? Vielleicht Mephisto? Nein, Spass. Für die, die sich jetzt grad stirnrunzelnd am Kopf kratzen: In «WandaVision» hielt ich wöchentlich an meiner Theorie fest, dass der eigentliche Bösewicht der Serie der höllische Dämon Mephisto sei, der sich entweder als Ehemann Ralph oder Director Hayward gibt.
Ich lag gründlich daneben.
In «The Falcon and the Winter Soldier» ist John Walker, grossartig gespielt von Wyatt Russell, zunächst sympathisch, aber verletzlich. Kein Steve Rogers wolle er sein, sagt er später zu Sam, dem Falcon, sondern schlicht und einfach der beste Captain America, der er sein kann
«Das ist nicht Amerikas Hintern», rutscht es mir beim Gucken raus, «aber ich mag ihn trotzdem.»
Tatsächlich lernen wir so einiges über Serien-Walker, seinen Werdegang und seine Motivationen.
Er sei der erste Amerikaner, der dreimal die Medal of Honor bekommen hat, so eine Journalistin. Zudem habe er zahlreiche militärische Missionen zur Terroristenbekämpfung und Geiselbefreiung geleitet und seine scheinbar übermenschlichen physischen Parameter übertreffen derart jede Norm, dass die Regierung MIT-Studien über seinen Körper in Auftrag gegeben hat.
Fast wie ein Supersoldat. Kein Wunder hat die Regierung eine modernisierte Version des Liedes für Walkers Vorstellung verwendet, das einst in den 1940er-Jahren Steve Rogers auf Tournée begleitet hat: «The Star-Spangled Man».
Ganz schön patriotisch, nicht wahr? Serien-Walker scheut sich zwar davor, in die riesengrossen Fussstapfen des Steve Rogers zu treten, dafür ist er ziemlich gut darin, diejenigen seines Comic-Vorbilds zu füllen.
In den Marvel-Comics ist John Walker nämlich zum ersten Mal 1986 in «Captain America, Vol. 1, Issue 323» zu sehen. Aufgewachsen ist er in Georgia, wo er schon in jüngsten Jahren seinen älteren Bruder, berüchtigter Hubschrauberpilot fürs US-Militär, bewundert, ja vergöttert.
Aber der Krieg ist unerbittlich. Der Bruder stirbt im Krieg, und Walker schwört, alles zu tun, um dessen Gedenken zu ehren. So tritt er kurz darauf selber der US-Armee bei. Lange hält es ihn nicht. Egal, wie hart Walker kämpft. Egal, was er für sein Land zu opfern bereit ist: Nie fühlt er sich seinem heldenhaften, verstorbenen Bruder ebenbürtig.
Auftritt: Power Broker, Inc.
In den Comics wird die Firma vom bösen Curtiss Jackson gegründet – darum auch «der» Power Broker genannt –, der mit Hilfe des sinistren Doctor Karlin Malus aus normalen Menschen solche mit übermenschlichen Kräften macht. Im Grunde läuft das so: Du gehst zum Power Broker, bekommst Superkräfte und gibst 70 Prozent deiner «Einnahmen» als Superheld an die Firma ab.
Und, ja: Power Brokers Dr. Malus ist derselbe Dr. Malus, von dem ich vergangene Woche geschrieben habe, er hätte in den Comics an Lieutenant Torres Gen-Experimente durchgeführt und ihn so zum Mensch-Falken-Hybriden gemacht.
Das Prozedere des Power Brokers ist aber nicht ungefährlich. Die Hälfte der Probanden stirbt. Die andere wird stark deformiert. Nur wenige überstehen den Prozess schadlos. Und die, die’s tun, stehen meist unter einer stark abhängig machenden Droge, die laut Malus der Stabilisierung der Superkräfte dient – in Wahrheit macht sie die künstlichen Superhelden aber dem Power Broker gefügig.
John Walker, sich unwürdig fühlend, gibt sich in die Hände des Power Brokers – und bekommt Superkräfte.
Eine Zeit lang verdient Walker sein Geld für den Power Broker in der UCWF – der Unlimited Class Wrestling Federation. Also einem Wrestling-Verband, bei dem nur Superhelden mitmachen dürfen. Ja, sowas gibt’s. Einmal ist gar Benjamin Grimm, das Ding aus den Fantastic Four, mit von der Partie. Wichtig für uns aber ist: Walkers erster Alter Ego wird geboren – der Super-Patriot.
Je länger je mehr – vielleicht auch wegen der Droge des Power Brokers –, hält sich der Super-Patriot für den besseren Captain America als Steve Rogers. Schliesslich beginnt er öffentliche Kampagnen gegen Rogers zu führen, festhaltend, dass er für die «wahren Ideale» der Nation einstehe. Das geht sogar so weit, dass Walker mit Hilfe seiner treuen Begleitern, den Bold Urban Commandos, Angriffe auf sich inszeniert, die er heldenhaft abwehrt.
Als es schlussendlich zu einem echten Angriff kommt, ist es der Super-Patriot, der den Tag rettet – er tötet einen Terroristen namens Warhead, der eine nukleare Bombe in Washington zünden will. Spätestens da steht für die Öffentlichkeit fest: Super-Patriot ist ein Held.
Gleichzeitig sorgt die US-Regierung für Stunk mit Steve Rogers. So stellt sie gerichtlich fest, dass sie die Rechte an Captain Americas Namen, Kostüm und Schild innehat. Rogers wird vor die Wahl gestellt: Arbeite für die Regierung – oder tritt ab.
Rogers tritt ab und nimmt einen neuen Namen an: The Captain. Rogers Nachfolge tritt kein Geringerer als John Walker an. Der neue Captain America macht seinen Job gar nicht mal so schlecht. Er beginnt gar, seine zum Extremismus neigenden patriotische Einstellung zu zügeln. Ihm zur Seite stehen drei Ex-Mitglieder des ehemaligen Bold Urban Commandos. Einer davon: Lemar Hoskins aka Battlestar. Jep, der Gleiche, der sich in der Serie genauso vorgestellt hat.
Die anderen zwei sind Left- und Right-Winger. Sie sind es auch, die später in den Comics unter Anleitung des Red Skulls John Walkers wahre Identität öffentlich machen, worauf die ebenfalls von Red Skull angeführten Watchdogs Walkers Eltern töten. Walker, wieder zum Extremismus neigend, rächt sich an die beiden Verräter in bester John-Wick-Manier und verletzt sie schwer. Der nächste auf seiner Abschussliste: Red Skull.
Das ruft Steve Rogers auf den Plan: Nach einem Kampf zwischen den beiden kommt Walker wieder zur Vernunft. Zusammen besiegen sie dann den Red Skull, der sich auch als Strippenzieher hinter den Disput zwischen der Regierung und Steve Rogers entpuppt. John Walker, für den Titel als Captain America als unwürdig eingestuft, retourniert das Schild zurück an Rogers. Dafür bekommt er Steve Rogers Kostüm, das er als «The Captain» getragen hat. Walker nennt sich fortan U.S. Agent.
So weit, so Comic. Schlagen wir den Bogen zur Serie.
Die neue Rolle der Karli Morgenthau
Zunächst mal erinnert John Walkers Kostüm in der Serie stark an U.S. Agent aus den Comics. Trotzdem wäre ich überrascht, wenn Walker bereits jetzt seine Superkräfte hätte und sie einfach nur versteckt hielte. Meine Theorie: Walker will unbedingt einen würdigen Captain America geben. Das kann er aber nicht, wenn er ständig den Nicht-Amerikas-Hintern versohlt bekommt.
Etwa von Supersoldaten, den Flag Smashern, angeführt von Karli Morgenthau.
Wer könnte John Walker also besser helfen als jener Power Broker, der ihm schon in den Comics Superkräfte verpasst und der in der Serie hinter Karli Morgenthau und den Flag Smashern her ist?
Überhaupt: Woher haben all die Flag Smashers ihre Superkräfte her?
Fragen über Fragen. In den Comics jedenfalls ist Karli keine Frau, sondern ein Mann: Karl. Sowohl in der Serie als auch im Comic ist Karli, also Karl, der Überzeugung, dass jede Form von Nationalismus und Nationalstolz früher oder später zu Faschismus und Kriegen führte. Darum ihr Kampf aus Überzeugung gegen jegliches Konzept von Nationen und Grenzen – genauso, wie’s in den fünf Jahren vor dem Blip war, als die Hälfte der Erdbevölkerung aufgehört hat, zu existieren.
«Du wirst zu einer Legende», sagt ein Unterstützer Karlis, während er ihr und ihrer Bande Unterschlupf gewährt, «ich höre mehr und mehr Leute über die Freiheitskämpfer reden, die zurückschlagen. Sie nennen dich Robin Hood.»
Der Power Broker jedenfalls hat keine Freude daran, dass seine «Medikamente», wenn’s denn welche sind, von Karli geklaut worden sind.
Noch ein Captain America: Isaiah Bradley
Zwei Folgen, zwei neue Captain Americas. Wer nach John Walker der zweite ist? Isaiah Bradley, wenn’s nach den Comics geht.
Tatsächlich gehört dort Isaiah zu etwa 300 freiwilligen, afroamerikanischen Soldaten, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs als Testpersonen in «Project Rebirth» eingesetzt werden, einem Versuch, das Supersoldaten-Serum nachzubrauen, das Steve Rogers zu Captain America gemacht hat.
Die Experimente sind grausam und wenig erfolgreich. Ausser bei ihm, Isaiah. Nach dem vermeintlichen Tod Steve Rogers ist er es, der eine kurze Zeit lang als «Black Captain America» das Schild übernimmt. Ein Akt, der das rassistisch geprägte Amerika nicht nur als Affront, sondern gar Verrat ansieht. Die Folge: Eine lebenslange Haft. Erst 17 Jahre später kommt er frei.
Seine Existenz bleibt aber Jahrzehnte lang ein Geheimnis. Bis zu dem Zeitpunkt, als ein Junge namens Eli die Young Avengers gründet, zu denen auch Tommy und Billy – Wandas und Visions Zwillinge – gehören. Später stellt sich nämlich heraus: Eli ist der Enkel von Isaiah.
In der Serie sind die Parallelen kaum zu übersehen. Zuerst wird Sam Wilson, der Falcon, von einem Jungen als «Black Falcon» bezeichnet. Kein Zufall, meine ich. Und wer weiss, ob dieser Junge, der Sam und Bucky die Türe öffnet, nicht Eli ist.
Im MCU war Isaiah zwar nie offiziell Captain America, zumindest aber war er «ein Held, einer von denen, die Hydra am meisten fürchtete, wie Steve», wie Bucky über den mittlerweile verbitterten Kriegsveteranen erzählt.
Kein Wunder: 1951 wurde Isaiah hinter feindliche Linien geschickt, um ausgerechnet Bucky, den Winter Soldier, dingfest zu machen. Beinahe wär’s ihm gelungen; den halben Vibranium-Arm konnte er ihm abreissen. Dann aber floh Bucky. Isaiah wurde zum Dank ins Gefängnis gesteckt. Sowohl das US-Militär als auch Hydra, das zu dem Zeitpunkt S.H.I.E.L.D. bereits unterwandert haben muss, haben weiter Experimente an Isaiah durchgeführt.
30 Jahre lang.
Sam und Bucky wissen nun: Das Serum, das Steve zu Captain America gemacht hat – es könnte in die falschen Hände geraten sein. Vielleicht weiss ja einer die Antwort, der sämtliche Geheimnisse Hydras zu kennen scheint. Einer, dem es Dank genau jenem Wissen beinahe gelungen ist, die Avengers zu entzweien.
Baron Zemo.
Wie hat euch die Folge gefallen? Gibt’s noch Easter Eggs, die mir entgangen sind? Schreib es in die Kommentare. Die nächste Folgenanalyse folgt ausnahmsweise erst am Dienstag, 6. April. Ostern ist schuld.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»