Endlich aufhören: Rauchentwöhnung durch Hypnose
Hintergrund

Endlich aufhören: Rauchentwöhnung durch Hypnose

Projekt Rauchfrei: Mehr als 30 Zigaretten am Tag sind einfach zu viel. Deshalb habe ich den ersten Nikotin-Entzug meines Lebens versucht – mit der Unterstützung durch Hypnose. Ein Erfahrungsbericht.

Einmal habe ich es schon versucht. Und zwar im Lockdown. Via Zoom. Rauchentwöhnung durch Hypnose. Ich in Wien, sie in Los Angeles. Und obwohl die Dame im gesundheitsorientierten La-la-Land durchaus Erfolge erzielt: Bei mir hat’s nicht funktioniert. Im Gegenteil. Jedes Mal, wenn die Hypno-Therapeutin das Wort «rauchfrei» sagte, wollte ich mir eine anzünden. Was ich direkt nach der Session auch tat.

Diese Trotz-Reaktion kann man getrost als die dümmste aller Rebellionen bezeichnen. Denn ist die Freiheit nicht des Rebellen höchstes Gut? Nun, sich frühmorgens als erstes Zigaretten kaufen gehen zu müssen, zeugt nicht gerade von Freiheit. Die Sucht bestimmt das Leben und wiegt dich in falscher Sicherheit. In meinem Kopf jedenfalls war das Rauchen mit Leistung verknüpft, nicht mit Freizeitvergnügen. Gönn dir? Mit Genuss hatte mein Verhalten wenig zu tun, meine Gedankengänge waren toxisch: Wenn du rauchst, kannst du mehr leisten. Wenn du rauchst, sind deine Texte besser. Wenn du rauchst, bist du lockerer. Ich rauche, also verdien ich. Ich rauche, also bin ich.

Rauch-Stopp: In Trance zu mehr Freiheit

Als ich dann aber mehr als 30 Zigaretten am Tag konsumierte, war mir klar: Ich brauche Hilfe. Aber die vielen verschiedenen Ratschläge, die man so bekommt, verunsicherten mich. Ich entschied mich also, der Hypnose eine zweite Chance zu geben. Mit Trance-Zuständen habe ich kein Problem, ich kann mich leicht in andere Sphären begeben und abdriften. Ich entschied mich dieses Mal für den bequemen Sessel in der Praxis von Claudia Schwinghammer. Sie arbeitet mit der «Rapid Transformational Therapy», die Hypno- und Psychotherapie, NLP und Neurowissenschaften miteinander kombiniert und – wie der Name es verrät – schnell und nachhaltig helfen soll.

Mit der stereotypen Vorstellung, die die meisten wahrscheinlich im Kopf haben, hat Hypnose übrigens nichts zu tun. Zu keinem Zeitpunkt bist du völlig weggetreten oder so manipulierbar, dass du aufs Stichwort anfängst, wie ein Huhn zu gackern. Beim Vorgespräch in besagtem Ohrensessel erzähle ich Claudia vertrauensvoll von meinen manifestierten Glaubenssätzen, von grossen und kleinen Krisen und welche Rolle der Nikotinkonsum dabei bisher spielte. Und ich verdeutliche ich ihr: Ich will keine von diesen verkniffenen Zeigefinger-Nicht-Raucherinnen werden. Ich will einfach so sein wie jetzt, nur halt ohne Zigaretten. Oder weniger. Hauptsache weg von der täglichen Vergiftung während der Arbeit. Reduktion statt Radikalität. Das war schon immer mein Motto. Feige oder klug? Das weiss ich noch nicht.

Mehr Freiheit: Glaubenssätze lösen sich

Claudia versetzt mich mit ihrer sanften Stimme in einen tranceartigen Zustand, wendet sich an mein Unterbewusstsein und festigt dort Werte wie Stärke, Freiheit, Souveränität und Lebendigkeit. Das Gefühl während einer Hypnose zu beschreiben, ist schwierig. In diesem tief entspannten Wachzustand nehme ich meine Umwelt nur noch sehr eingeschränkt wahr, das ist in den ersten Sekunden des Loslassens etwas unangenehm. Der Mensch gibt nicht gerne die Kontrolle ab. Ich befinde mich nun im Alphazustand. Zwischen Tagesbewusstsein und Traum angesiedelt, bietet dieser die ideale Grundlage für positive Veränderungen und Lern-Erfahrungen. Und genau das brauche ich zur Entwöhnung.

Während der Therapie wird ausserdem stark mit Bildern gearbeitet: So lässt mich Claudia zum Beispiel eine imaginäre Treppe hinuntergehen. Mit jeder Stufe, jedem «tiefer, du gehst tiefer, du gehst ganz tief» drifte ich mehr und mehr ab Richtung Trance. Dann bin ich bereit für ihre Suggestionen: Ich brauche nicht mehr rauchen (sie nennt es selten beim Namen, spricht von einer «lästigen/ungesunden Angewohnheit»), ich sei frei, stark, gesund, schriebe Texte so gut wie nie zu vor. Ich solle mich für das Leben und gegen den Tod entscheiden. Und obwohl ich mich an weitere Details nur verschwommen erinnere, bleibt eine Szene hängen: Ich kann meine Zehen im Gras sehen, stehe in einem grünen Paradies. Blumen blühen, Vögel zwitschern, Tiere und Kinder spielen unter kräftigen Bäumen. Und dann beginnt jeder Teil dieser schönen Natur zu rauchen. Alles wird grau. Alles ist schrecklich und traurig. Die Vögel krächzen und husten, aus ihren Schnäbeln hängen Zigarettenstummel. Ich selbst stehe plötzlich knie-, ja hüfttief in Kippen.

Claudia beschreibt den Verfall meines Paradieses so gnadenlos und detailliert, dass es mir richtig weh tut. Dann, am Höhepunkt des Schmerzes, soll ich die meine Sucht symbolisierenden Zigaretten weit wegschleudern. Sofort macht sich ein Gefühl der Erleichterung breit. Das Gartenbild löst sich auf, ihm folgen positive Affirmationen. Und tatsächlich geht mir nach meiner Sitzung die Arbeit gut von der Hand. Dazu muss man offenbar nicht rauchen. Crazy!

21 Tage lang höre ich mir nun die Audio-Aufnahme der Hypnose vor dem Schlafengehen an, soll sie verinnerlichen, frei werden. Zehn Minuten jeden Tages verweile ich also in diesem sicheren Niemandsland. Und die restliche Zeit? Gehe ich durch die Hölle. Jedenfalls anfangs. Nachts plagen mich ich Albträume. Tagsüber schwitze und zittere ich abwechselnd, bin fahrig, unkonzentriert und gereizt. Extrem gereizt. Ich sehe mich eigentlich als verträgliche Person, jetzt aber spreche ich in meinem Freundeskreis Warnungen vor mir aus. Weil ich mich stark abgrenze, wenn mir etwas zu nahe geht. Ich bin nicht mehr vernebelt. Und zweifele alles an. Mit Claudia bin ich während dieser Tage in Dauerkontakt, manchmal weinerlich, manchmal stolz. Sich den Luxus einer begleitenden Therapie zu leisten, zahlt sich aus. Die (vorsorglich gekauften) Nikotinpflaster sind sehr bald überflüssig.

Und heute, vier Monate später? Irgendwann hat es aufgehört, weh zu tun. Tagsüber rauche ich nach wie vor nicht. Ich rauche, wenn ich Alkohol trinke, was glücklicherweise nicht allzu oft passiert. Existieren «Genussraucher» also wirklich? Gibt es diese seltsamen Fabelwesen? Eine wahrscheinlich trügerische Bezeichnung. Ich habe zwar einen wichtigen (und sehr schädlichen) Glaubenssatz aufgelöst, möchte mit Claudias Hilfe aber auch den Rest meiner Sucht noch besiegen. Bis dahin ist sicherlich noch so manche Schlacht gegen den blauen Dunst zu schlagen. Ich muss lernen, ein Loch zu stopfen, dass ich mir selbst in den Pelz gebrannt habe. Doch niemals hätte ich gedacht, dass ich eine neue Freiheit erreichen kann. Und dafür bin ich – selbst wenn sie noch ausbaufähig ist – unendlich dankbar.

Titelbild lilartsy/unsplash

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Janina Lebiszczak
Autorin von customize mediahouse

Lebe lieber ungewöhnlich: Ob Gesundheit, Sexualität, Sport oder Nachhaltigkeit, jedes Thema will entspannt, aber aufmerksam entdeckt werden. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie und niemals ohne Augenzwinkern.


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