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«Elden Ring» zeigt, dass die Ubisoft-Formel überholt ist
12 Millionen Mal hat sich «Elden Ring» bereits verkauft. Ein klarer Hinweis darauf, dass auch Games ohne Stützräder massentauglich sind. Andere Entwickler sollten sich eine Scheibe abschneiden.
Bockschwer, kryptisch und unzugänglich. Spiele des japanischen Studios «From Software» geniessen einen besonderen Ruf. Der erste Teil «Demon’s Souls» erschien ursprünglich nicht im Westen. Die Entwickler erachteten das Spiel als zu schwer für unseren Markt. Entgegen dieser Annahme ist die weltweite Fangemeinschaft der sogenannten «Soulsborne»-Spiele stetig gewachsen. Mit über zehn Millionen verkauften Exemplaren weltweit für «Dark Souls 3» – dem fünften Teil der inoffiziellen Reihe – ist die Serie längst kein Nischenprodukt mehr.
Dennoch blieben From-Software-Spiele im Vergleich zu den ganz grossen Blockbuster-Titeln wie «Horizon Zero Dawn», «Assassin’s Creed» und Co. Paradiesvögel. Es gibt keine Minimap, kein Quest-Log und keine Wegweiser. Nichts wird vorgekaut. From Software vertraut darauf, dass sich Spielerinnern und Spieler ohne Stützrädli zu Recht finden und gerade am Entdecken den Spass finden. Zwölf Millionen verkaufte Exemplare von «Elden Ring» in knapp drei Wochen bestätigen diese Annahme. Jetzt hoffe ich, dass das gleiche wie bei «Zelda Breath of the Wild» passiert. Nintendos Neuerfindung der Kultserie ruft bis heute unzählige Nachahmer auf den Plan. Es wäre nur angemessen, wenn auch «Elden Ring» denselben Effekt hätte. Schöpfer Hidetaka Miyazaki hat sich nämlich bei seinem neusten Werk stark von Nintendos Meisterwerk inspirieren lassen.
«Elden Ring» vertraut dir
«Elden Ring» macht vieles anders als bisherige From-Software-Spiele, bleibt im Kern aber den eingangs erwähnten Wurzeln treu. Neu ist die gigantische offene Spielwelt, Geister, die du beschwören kannst und die dir im Kampf zur Seite stehen, Schnellreisepunkte und deutlich mehr Checkpoints. Leicht ist das Spiel trotzdem nicht. Es ist jedoch zugänglicher als beispielsweise ein «Dark Souls», wo du dich nach jedem Ableben wieder durch zahlreiche kleinere Gegner kämpfen musst, nur um nach einem Schlag vom Boss von vorne beginnen zu müssen.

Was «Elden Ring» aussergewöhnlich macht, ist aber nicht der Schwierigkeitsgrad, sondern die Welt, die es zu entdecken gibt. Mit Betonung auf «entdecken». Seit Jahren kritisiere ich Openworld-Spiele wie «Assassin’s Creed» dafür, die Welt, respektive die Karte mit Aufgaben und Icons vollzumüllen. In «Elden Ring» gibt es ebenfalls unzählige Geheimnisse zu entdecken. Die meisten davon habe ich aber auch nach über 70 Stunden nicht gelüftet – und das ist gut so.
Das Problem von Ubisoft und Co. ist, dass sie Angst haben, dass du etwas verpassen könntest. Nachdem ich «Horizon Forbidden West» durchgezockt habe, hatte ich keine Sekunde das Bedürfnis, meine Kumpels zu fragen, ob sie eine bestimmte Sehenswürdigkeit entdeckt haben. Natürlich haben sie das. Das Spiel nimmt deinen Kopf in den Schwitzkasten und sorgt dafür, dass du auch wirklich alles siehst, was es zu sehen gibt. Dadurch geht jegliche Entdeckerfreude verloren. Ubisoft und Co. bieten dir Pauschalurlaub mit einem prallen Reiseführer, wo alle Highlights mit dickem Leuchtstift markiert sind. From Software dreht die Zeit zurück und führt dich in eine Welt, in der es noch keinen Lonely Planet gibt und jeder noch so kleine Wasserfall auf Google Maps mit fünf Sternen bewertet ist und du dir ein 360-Grad-Panorama-Foto davon ansehen kannst.
Die fehlenden Hilfsmittel verlangsamen das Spiel, machen die Welt dafür mysteriöser und geheimnisvoller. Ohne Minimap, die dir anzeigt, welches Kräutchen du einsammeln kannst und wo die nächste Höhle ist, nimmst du die Umgebung bewusster wahr. Ich hatte nie Probleme, mich zu orientieren. Ich würde blind den Weg vom Startgebiet Limgrave in das höllische Caelid finden, weil die Landschaft abgesehen von ein paar wiederverwerteten Dungeons einzigartig ist.

Auch die Waffen, Ausrüstungen, Tränke, Zauber und Fähigkeiten haben etwas Geheimnisvolles. Damit meine ich nicht, die etwas schwerfällige Menüführung oder kryptischen Stats und mangelnde Vergleichsmöglichkeiten. Hier dürfte From Software durchaus etwas zeitgemässer werden. Nein, ich rede davon, dass «Elden Ring» zum Ausprobieren ermutigt. Es gibt kein klares Raster, das dir vorgibt, welche Waffe zu welcher Rüstung passt, um der perfekte Magier zu werden. Es sind beliebig viele Kombinationen möglich. Erst wenn du ein paar Gegner verkloppt hast, merkst du, ob es zu dir passt oder nicht.
Ich hoffe sehnlichst, dass andere Entwickler sich bei «Elden Ring» den einen oder anderen Trick abschauen. Es muss nicht jedes Spiel zermürbend wie ein From-Software-Spiel sein. Aber so wie meine Mutter mich irgendwann nicht mehr händchenhaltend in die Schule begleiten musste, sollten auch Game-Studios mehr darauf vertrauen, dass wir unseren Weg finden werden.
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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.