Der Stop-Motion-Stil ist das Beste an «Spirit of the Samurai»
Kritik

Der Stop-Motion-Stil ist das Beste an «Spirit of the Samurai»

Kevin Hofer
16.12.2024

Mit seinen Stop-Motion-Animationen sieht «Spirit of the Samurai» umwerfend aus. Leider gibt es daneben nur gute Ansätze, deren Umsetzung für Frust statt Lust sorgt.

«Spirit of the Samurai» löst in mir gemischte Gefühle aus. Einerseits bin ich vom tollen Artstyle und der düsteren Atmosphäre gefesselt. Stop-Motion-Animationen sind in Videospielen alles andere als die Norm – wohl auch aus Zeit- und Budgetgründen. Andererseits wirkt der Stil für ein Actionspiel schwerfällig. Zwischendurch scheinen die Bewegungen von Held Takeshi mehrere Frames zu überspringen. Aber das grösste Problem des Spiels ist das Gameplay.

Schwarz-weiss-Geschichte

Die Geschichte des Spiels wird vom Geist eines Fuchses erzählt. Sie handelt vom legendären Krieger Takeshi, der sein Dorf vor einem Dämonenangriff beschützen muss.

Vieles wird in CG-Cutscenes erzählt. Diese sehen schön aus und die englische sowie japanische Sprachausgabe sind gut. Es handelt sich um eine klassische Gut-gegen-Böse-Geschichte. Sie ist denn auch durchschaubar und grosse Überraschungen bleiben aus. Auch die Erzählweise ist nicht sonderlich ausgefallen und leidet unter Pacing-Problemen.

Die CG-Cutscenes sind gut gemacht.
Die CG-Cutscenes sind gut gemacht.
Quelle: Digital Mind Games

Die Entwickler haben sich mit den Stop-Motion-Animationen offensichtlich viel Zeit gelassen. Das hat sich ausgezahlt. Die Präsentation ist der beste Aspekt des Spiels, der mich dazu bewogen hat, «Spirit of the Samurai» überhaupt zu zocken. Leider leiden darunter gewisse Quality of Life Aspekte.

Kaum Sidequests

Zu Beginn des Spiels sammle ich zwei Nebenaufgaben auf. Einmal muss ich Nägel besorgen. Diese finde ich gleich im Haus nebenan. Auch beim zweiten Nebenquest handelt es sich um ein klassisches Fetchquest. Und das war’s dann schon mehr oder weniger mit Aufgaben, die es nebenbei zu erledigen gibt. Da sie nicht sonderlich einfallsreich sind und auch selten vorkommen, hätten die Entwickler gleich ganz darauf verzichten können. Etwas, das ich mir beim Zocken noch öfter gedacht habe.

Am Anfang sammle ich ein Sidequest auf. Nach der Eröffnungssequenz ist es das aber auch mit Nebenaufgaben.
Am Anfang sammle ich ein Sidequest auf. Nach der Eröffnungssequenz ist es das aber auch mit Nebenaufgaben.
Quelle: Kevin Hofer

Das Kampfsystem ist okay, aber unfair

Bei einem freundlichen Sparring mit einem anderen Samurai werde ich ins Kampfsystem eingeführt. Takeshi kann Combos mit dem Katana ausführen, ausweichen, blocken, parieren und Pfeile mit dem Bogen schiessen. Das war’s dann auch schon mit den Möglichkeiten, es kommen im Spielverlauf keine weiteren hinzu. Das Kampfsystem an sich ist in Ordnung, bietet aber wenig Abwechslung. Habe ich einmal herausgefunden, was gegen die spezifischen Gegner funktioniert, mache ich nur noch das. Es hilft auch nicht, dass die Gegnerauswahl nicht gerade gross ist.

Wo ist der Gegner? Das frage ich mich zu Beginn häufiger.
Wo ist der Gegner? Das frage ich mich zu Beginn häufiger.
Quelle: Kevin Hofer

Hinzu kommt, dass das Sichtfeld vor allem in geschlossenen Gebieten nicht sonderlich gross ist. Auch sind gewisse Räume abgedunkelt und ich sehe erst, was sich dort befindet, wenn ich sie betrete – auch wenn ich schon einmal drin war. Wenn ich also gegen einen Gegner kämpfe und den Raum verlasse, verdunkelt sich dieser wieder und ich weiss nicht, was mein Gegenüber macht.

Noch frustrierender sind Bogenschützen, die ausserhalb des Sichtfeldes schiessen und deren Pfeilen ich nur durch Rollen ausweichen kann. Alles in allem wirkt es, als ob ich nicht aufgrund mangelnder Skills getroffen werde, sondern weil die Mechaniken schlicht unfair sind.

Bogenschützen, rechts im Bild, schiessen häufig ausserhalb des Sichtfeldes, was das Ausweichen mit Takeshi schwierig macht. Der macht auf dem Bild übrigens die Rolle zum Ausweichen und ist deshalb kaum zu erkennen.
Bogenschützen, rechts im Bild, schiessen häufig ausserhalb des Sichtfeldes, was das Ausweichen mit Takeshi schwierig macht. Der macht auf dem Bild übrigens die Rolle zum Ausweichen und ist deshalb kaum zu erkennen.
Quelle: Kevin Hofer

Überflüssige RPG-Elemente

Für etwas Abwechslung sorgt das spezielle System, mit dem ich Combos individualisieren kann. Neue Moves lerne ich entweder durch Levelaufstieg oder durch das Finden von Gegenständen. Diese kann ich dann meinem Combo-Repertoire hinzufügen. Bin ich für schnelle Gegner etwa auf ebenso schnelle Moves angewiesen, setze ich meine Combos so zusammen. So zumindest die Theorie. Das Menü dafür ist aber unübersichtlich. Ich weiss nie, ob ich den Move nun richtig ausgewählt habe und am Schluss passt dann nichts mehr. Das frustriert mich derart, dass ich nie gross mit den Einstellungsmöglichkeiten experimentiere.

Ich kann meine Combos selber zusammenstellen. Was eine gute Idee ist, scheitert an der unübersichtlichen Umsetzung des Menüs.
Ich kann meine Combos selber zusammenstellen. Was eine gute Idee ist, scheitert an der unübersichtlichen Umsetzung des Menüs.
Quelle: Kevin Hofer

Sowieso sind die RPG-Elemente wenig durchdacht. So kann ich durch Levelaufstieg auch meine Statuswerte verbessern. Was ich aber genau verbessere, ist nicht klar und ich kann es auch nicht mehr rückgängig machen.

Unausgegorene Ideen

Auch sonst wirkt vieles undurchdacht. Etwa das Aufsammeln von Gegenständen. Ich muss eine Taste drücken, damit sich Takeshi bückt und Loot aufnimmt. Die Animation dazu ist aber langsam und drücke ich die Taste versehentlich, während noch Gegner in der Nähe sind, attackieren sie mich. So säubere ich die Räume erst von Gegnern und laufe danach alles nochmal ab auf der Suche nach Beute. Dabei hämmere ich auf die Taste zum Aufsammeln, weil mir die Aufforderung dazu jeweils nur kurz angezeigt wird und ich meist zu weit laufe und dann wieder zurück muss. Hier wäre es einfacher, wenn Takeshi die Gegenstände automatisch aufnehmen würde – so ist es unnötig kompliziert.

Gegenstände sammle ich durch Drücken einer Taste auf. Da es verdammt viel aufzusammeln gibt und es jedes Mal durch eine Animation gezeigt wird, stört das den Spielfluss unnötig.
Gegenstände sammle ich durch Drücken einer Taste auf. Da es verdammt viel aufzusammeln gibt und es jedes Mal durch eine Animation gezeigt wird, stört das den Spielfluss unnötig.
Quelle: Kevin Hofer

Weiter wirken gewisse Mechaniken unausgereift. Zu den Gegenständen, die ich sammle, gehören etwa Beeren, die ich an Schreinen darbieten kann. Dafür erhalte ich Weihrauch, die Währung des Spiels. Mehr aber auch nicht. Hier haben die Entwickler wohl mal eine Art Craftingsystem geplant, die es nicht ins fertige Spiel geschafft hat. Schliesslich erhalte ich auch Weihrauch, wenn ich Kisten loote oder Gegner besiege. Wieso ich noch Beeren oder Ähnliches für mehr Weihrauch darbieten soll, ergibt keinen Sinn.

An Schreinen kann ich Gegenstände darbieten und diese in Weihrauch, die Währung des Spiels, umwandeln. Warum ich nicht gleich Weihrauch aufsammle, ist mir unklar.
An Schreinen kann ich Gegenstände darbieten und diese in Weihrauch, die Währung des Spiels, umwandeln. Warum ich nicht gleich Weihrauch aufsammle, ist mir unklar.
Quelle: Kevin Hofer

Auch die weiteren spielbaren Charaktere können das Gameplay nicht retten

Neben Takeshi spiele ich gewisse Stellen die Katze Chisai oder den Baumgeist Kodama. Als Katze kann ich nicht kämpfen und muss mich verstecken oder flüchten. Hier entpuppen sich die Stop-Motion-Animationen als mühsam. Denn ich muss manchmal Frame-genau lospreschen, wenn ich nicht beim letzten Checkpoint landen will. Das ist bei den stockenden Animationen nicht einfach. Wie bei den Kämpfen habe ich hier das Gefühl, dass es an der Ungerechtigkeit des Spieles liegt und nicht an meinem Mangel an Skill, wenn ich ins Gras beisse.

Die Katze Chisai sieht zwar süss aus, sie zu steuern ist aber eine Qual, ausser wegrennen kann sie nichts.
Die Katze Chisai sieht zwar süss aus, sie zu steuern ist aber eine Qual, ausser wegrennen kann sie nichts.
Quelle: Kevin Hofer

Als Kodama kann ich mich zumindest verteidigen. Aber die Sequenzen sind alles andere als revolutionär. Zudem stört das Pacing des Spiels, denn ich schlüpfe mitten im Spiel in ihr Fell oder woraus auch immer Geister bestehen. So bin ich nach der Einführungssequenz weg von Takeshi – für etwa ein Drittel des Spiels.

Als Kodama kann ich mich zwar wehren, aber Spass macht auch das nicht wirklich.
Als Kodama kann ich mich zwar wehren, aber Spass macht auch das nicht wirklich.
Quelle: Kevin Hofer

Die Plattform-Elemente sind eine Qual

Mit all diesen Kritikpunkten könnte ich leben. Aber die Entwickler haben ein weiteres Element eingebaut, das nicht ausgereift ist – schlimmer noch: nicht zu den Stop-Motion-Animationen passt. Nämlich die Plattformerelemente. Viel zu häufig sterbe ich, weil Takeshi einfach nicht rechtzeitig auf meine Inputs reagiert, wenn ich etwa über ein Loch mit tödlichen Pfählen springen will. Stop-Motion und «von-Plattform-zu-Plattform-hüpfen» wollen in «Spirit of the Samurai» einfach nicht zusammenpassen.

Die Plattformerpassagen machen keine Laune. Häufig sterbe ich aufgrund der mangelhaften Steuerung und nicht meiner Skills.
Die Plattformerpassagen machen keine Laune. Häufig sterbe ich aufgrund der mangelhaften Steuerung und nicht meiner Skills.
Quelle: Kevin Hofer

Publisher Kwalee preist das Spiel auch damit an, dass es Metroidvania-Elemente haben soll. Ich finde aber weder eine grosse, zusammenhängende Welt noch ein offenes Spielerlebnis. «Spirit of the Samurai» ist linear und hat ein levelbasiertes Gamedesign. Von freiem Erkunden kann keine Rede sein und auch neue Bereiche erschliesse ich durch das Erwerben von Fähigkeiten nicht. Das Spiel ist ein klassischer Action-Sidescroller.

«Spirit of the Samurai» erschien am 12. Dezember 2024 für PC, PlayStation 5, Xbox Series, Xbox One. Das Spiel wurde mir von Digital Mind Games zu Testzwecken für den PC zur Verfügung gestellt.

Fazit

Klassicher Fall von «zu viel gewollt»

Ich hätte «Spirit of the Samurai» so gerne geliebt. Aber ich musste mich mehrmals zwingen, weiterzuspielen. Das Spiel ist der beste Beweis dafür, dass Aussehen nicht alles ist. Der Stop-Motion-Look ist nämlich der mit Abstand beste Aspekt des Spiels.

Das Gameplay hingegen ist schlicht unausgegoren. Es sind gute Ansätze vorhanden, die die Entwickler dann nicht weiterverfolgt haben. «Spirit of the Samurai» wirkt unfertig. Auch die Geschichte packt mich nicht, obwohl das düstere Setting im feudalen Japan eigentlich voll mein Ding wäre.

Ich kann dir «Spirit of the Samurai» nur empfehlen, wenn du mit seinen Fehlern leben kannst und dich in seinen Artstyle verliebt hast.

Pro

  • cooler, einzigartiger Stil mit Stop-Motion
  • in den Ansätzen gutes Kampfsystem
  • gut gemachte CG Cutscenes

Contra

  • miserable Plattormerpassagen
  • unausgegorene Gameplaymechaniken
  • unübersichtliche Menüs
  • schlechtes Erzähltempo

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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