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Der SmartBall von Playfinity im Test
Dieser Ball soll ein grosser Wurf sein. Playfinity will das Spielgerät durch einen Sensor und Apps smarter, vielseitiger und noch interessanter machen. Tönt vermessen – motiviert Kinder aber ungemein.
Für mich gab es selbst in der kürzesten Schulpause nur eine Option. Raus auf den Sportplatz, Ball spielen. Passen, schiessen, werfen, fangen. Wenigstens fünf Minuten. Denn es waren immer fünf gute Minuten. Ganz egal, ob das Wetter gut oder schlecht, der Ball gross oder klein, ein abgewetztes Stück Leder oder aus Plastik war. Wer die Liebe zu diesem perfektesten aller Sportgeräte entdeckt, den lässt sie nicht mehr los. Der Spieltrieb setzt ein, sobald ein Ball in der Nähe ist. Was lässt sich da noch besser machen? Geht das überhaupt? Ist ein smarter Ball nicht eine dumme Idee?
Playfinity glaubt daran, dass mehr Technik mehr Spass bringen kann und versucht es mit einer seltsamen Kugel, die wie eine mutierte Orange aussieht. Sie ist klein und soll ziemlich viel sein. Handball, Mini-Fussball, Motivationshilfe, Trainingstool, Spielzeug und Sprung-Tracker auf dem Trampolin. Das funktioniert über einen herausnehmbaren Sensor im Ball, den «Smart Activity Meter». Er zählt die Würfe, misst Höhe, Geschwindigkeit und Flugzeit. Aus diesen Daten lassen sich Spiele basteln. Für die diversen Anwendungen gibt es unterschiedliche Apps.
Die Firma hinter dem Gadget kommt aus Norwegen. Dort ist Handball gross, und der aktuell Grösste war bei der Entwicklung von Playfinity mit an Bord: Sander Sagosen, Superstar und Anwärter auf den Titel des Welthandballers. Der ebenfalls beteiligte norwegische Handballverband veranstaltet Trainingscamps für Jugendliche mit ihm, sein Name ist bei Playfinity omnipräsent.
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I joined the Playfinity team because the joy of playing has a crucial role of being successful in any sports. If it is not fun, it is difficult to motivate oneself to become really great.
Es geht also ums Werfen und Fangen. Darum, Kinder und Jugendliche zu motivieren, herauszufordern, dafür zu sorgen, dass die Handballer von morgen am Ball bleiben. Und dass alle, die ihr Handy ungern aus der Hand legen, ab und zu mehr als nur ihren Daumen bewegen.
Rein mit dem Chip: Smart + Ball = Smartball
In der Packung befinden sich der knallorange Ball mit einem schwarzen Schubfach, der Sensor, eine CR2032 Batterie, die ungefähr 80 Spielstunden durchhalten soll, und so etwas wie ein verbogener Inbusschlüssel. Dieser dient dazu, das Schubfach aufzuhebeln, um den Sensor einzusetzen oder zu entnehmen. Das zeigen mir entsprechende Abbildungen. Die rudimentäre Anleitung gibt es nur auf Norwegisch. Da neben den Abbildungen ein Warndreieck zu sehen ist und die Bedeutung von «Pass på!» zu erahnen ist, gehe ich lieber auf Nummer sicher.
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Aha. Dieser «Schlüssel» hat nicht wirklich ein Schloss als passendes Gegenstück, aber nach einigem Herumstochern kann ich mit ihm das Schubfach aus dem Ball heraushebeln. Nachdem der Sensor mit der Batterie bestückt und eingesetzt ist, schliesst das Fach mit einem vertrauenserweckenden Klack. Der Ball ist wetterfest, aber nicht für Wasserspiele in der Badi gemacht. Ober- und unterhalb des Schubfachs gibt es zwei Einkerbungen, die die Kugel ungewöhnlich aussehen lassen. Ausserdem befindet sich am Ball ein breit umrandeter Button zum Starten eines Spiels und ein Loch von knapp einem Zentimeter Durchmesser, dessen Daseinsberechtigung ein Geheimnis bleibt.
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Deutlich kleiner als ein Kinderhandball
Mit einem Umfang von knapp 31 Zentimetern ist der Playfinity-Ball deutlich kleiner als ein Kinderhandball der Grösse 1 (50 bis 52 Zentimeter Umfang). Bei eingebautem Sensor bringt er 139 Gramm auf meine Küchenwaage. Die zwei Zentimeter dicke gummierte Oberfläche ist sehr griffig und nicht zu hart, sie ummantelt den Kern aus Hartplastik und lässt sich ungefähr einen Zentimeter tief eindrücken. Der Ball soll sich perfekt zum Werfen und Fangen eignen. Das stimmt. Trotz seiner Krateroberfläche fliegt er super, ist griffig und springt gut. Selbst mein vierjähriger Sohn bekommt damit einen ganz ordentlichen Schlagwurf hin, ohne dass ihm der Ball aus der Hand rutscht. Mögen die Spiele beginnen.
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Welche App darf es sein?
Im reichen Norwegen ist Apple gefragt, das iPhone hat dort einen Marktanteil von knapp 55 Prozent. Für iOS finden sich gleich fünf verschiedene Playfinity-Apps. Im Play Store sind es derzeit nur drei, die auf Training ausgerichteten «Handball» und «Team Play» fehlen. Ich arme Android-Sau habe also das Nachsehen. Noch dazu stürzen die Apps auf meinem Google Pixel mit taufrischem Android 10 nach dem Start gelegentlich ab. Auf dem iPhone, das ich mir zum Vergleich organisiere, läuft alles stabil. Das erhärtet den Verdacht, dass iOS die oberste Priorität hat.
Fussball first: Playfinity Trix
In allen Apps gibt es eine grosse Auswahl an Spielvarianten und du hast die Möglichkeit, selbst welche zu erstellen. Am simpelsten erscheint mir «Trix», die App, in der Playfinitys Smartball zum Fussball wird. Du sammelst beim Jonglieren Punkte für jeden Kontakt und Minuspunkte, wenn der Ball auf den Boden fällt. Die Zeit, die du zum Erreichen des Spielziels brauchst, ist ebenfalls ein Faktor. Es gibt Highscore-Listen und die Möglichkeit, andere Spieler zu challengen. Über die Smartphone-Kamera kannst du deinen Versuch aufzeichnen und teilen.
Je nach Variante werden Zeit und Fehler unterschiedlich gewichtet. Wieviele Versuche schaffst du, bevor der Ball auf den Boden fällt? Wie schnell schaffst du fünfzig Kontakte? Oder es zählen nur Versuche, bei denen der Ball mindestens eine bestimmte Höhe erreicht. Das ist witzig gemacht, kann aber nicht alles sein.
High 5: Ein buntes Sammelsurium
Diese App bündelt eine Menge Wurfspiele, bei denen unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Bei «Lava» darf der Ball nicht zu Boden fallen, in «Fastest» ist die Wurfgeschwindigkeit Trumpf und bei «Hot Potatoe» muss der Ball so schnell wie möglich abgespielt werden. Im Spiel quittiert die App Erfolge und Misserfolge mit Soundeffekten. Am Ende zeigt sie nach jeder Runde den Score und einen Vergleich mit der persönlichen Bestleistung und allen Spielern weltweit. Das finden vor allem die Kinder spannend. Selbst mein Vierjähriger kommt und fragt, ob er jetzt «den Eiffelturm» werfen darf, um dann nach 109 Würfen, 34 Mal Fallenlassen und einem Sturz stolz auf der Wiese zu stehen, weil er die insgesamt 324 Höhenmeter geschafft hat.
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Während der Spiele sammelt die App zuverlässig Daten, die nicht nur für Kinder, sondern auch für Trainerinnen und Trainer interessant sein können. Wie viele Pässe haben wir in 60 Sekunden geschafft? Wie hoch war die durchschnittliche Wurfgeschwindigkeit? Wie schnell wurde abgespielt? Es ist eine gute Mischung aus Motivation und Information, man merkt, mit welchem Leitgedanken Playfinity entwickelt wurde. Der Smartball kann mehr als ein lustiges Gadget sein.
Handball & Team Play: spielerisches Training
In diesen beiden Apps, die nur fürs iPhone verfügbar sind, gibt es statt lustig animierten Figuren und Schriftarten seriöse Trainingstipps. In kurzen Videos und Grafiken werden verschiedene Wurfübungen gezeigt. Bei «Handball» für zwei bis vier Spieler. In «Team Play» geht es auch darum, als Mannschaft das ganze Feld zu überbrücken, Hindernisse zu umspielen, optimale Pass- und Laufwege zu finden.

Was diese App besonders interessant macht ist die Möglichkeit, bis zu sechs Teams mit sechs Smartbällen gleichzeitig gegeneinander antreten zu lassen. Der Live-Score lässt sich in der App verfolgen und via Apple TV auch auf einen Monitor oder einen Beamer schicken. So lässt sich aus eher monotonen Pass- und Fangübungen ein motivierendes Spektakel machen. Perfekt für Sportcamps wie die des norwegischen Handballverbands. Die Apps sind noch ein Sprachmix, gelegentlich taucht bei den Spielnamen ein norwegischer Begriff auf. Aber die Erklärungen gibt es auf Englisch oder Deutsch, es ist alles verständlich und gut gemacht.
Die Trampolin-Apps muss ich überspringen
Der Vollständigkeit halber seien «Jump Games» und «Trampo» erwähnt. Da der Sensor aus dem Ball herausnehmbar ist, kann der «Smart Activity Tracker» auch in anderen Sportarten eingesetzt werden. Für Trampolinspringer gibt es verschiedene Sprungaufgaben, Challenges und Bestenlisten nach Vorbild der anderen Apps. Da ich kein Trampolin habe, muss ich diese Anwendung überspringen.
Fazit: Der SmartBall ist keine dumme Idee
Ein Ball kann nicht schlecht sein. Da bin ich befangen. Dieses kleine Exemplar wirft, fängt und jongliert sich gut, was mich bereits glücklich macht. In Verbindung mit der App, den Spielen, Soundeffekten und Highscores, bringt er vor allem den Kindern Spass. Ich könnte auf das begleitende Gedüdel verzichten, finde dafür die Daten interessant. Als iPhone-Nutzer bist du auf der sicheren Seite, mit verschiedenen Android-Geräten hatte ich ab und zu kleinere Probleme.
Da Kinder und Jugendliche die Hauptzielgruppe sind, muss ich festhalten: mission accomplished, Playfinity. Der SmartBall ist keine dumme Idee. Das, was Playfinity «active gaming» nennt, funktioniert. Kinder sind motiviert, Trainerinnen und Trainer können damit spannende Übungen anbieten und gleichzeitig brauchbare Daten zur Analyse generieren. Der SmartBall ist ein Gadget, das ich als Kind gerne gehabt hätte. Entsprechend kann ich mich heute noch dafür begeistern. Wenn es dir ähnlich geht, machst du damit einen guten Fang.
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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.