![Bert, der Gemüsekobold (Deutsch, Julia Volmert, Susanne Szesny, 2003)](/im/Files/1/5/4/2/1/1/6/9783930299768_1.jpg?impolicy=product&resizeWidth=720)
![Patrick Vogt Patrick Vogt](/im/Files/7/6/6/7/2/2/9/9/PHOTO-2025-01-19-13-53-17d21.png?impolicy=teaser&resizeWidth=700&resizeHeight=350)
Das Märchen vom gesunden Obst und Gemüse wirkt
Dein Kind verschmäht die gesunden Sachen? Dann probier’s mal mit der passenden Geschichte. Statt sprechenden Schweinen, fliegenden Polizeihunden oder bockigen Einhörnern kann deine Erzählung Vitamine enthalten – und überraschend nachhaltige Wirkung entfalten.
Es kommt mir vor wie ein Märchen. Und es ist auch eines, erzählt im Namen der Wissenschaft. Forschende haben einer Gruppe Kindergartenkindern Obst und Gemüse schmackhaft gemacht, indem sie den vitaminreichen Nahrungsmitteln magische Kräfte andichteten. Natürlich völlig zu Recht. Und so haben sie das gemacht:
80 Kinder im Alter von 4 bis 6 Jahren hörten verschiedene Geschichten. In einer Version retten zwei Geschwister die verschwindenden Farben ihrer Stadt, indem sie den magischen Maler, der nachts die Farben auffrischt und leider an Junkfood erkrankt darniederliegt, mit Hilfe von Obst und Gemüse wieder aufpäppeln. In der zweiten Version versorgen sie den kerngesunden Maler mit besseren Farben. Dazu wurde mit den Gruppen über die jeweilige hilfreiche Handlung gesprochen – und die vitaminhaltige Variante entfaltete in den Tagen darauf ihre erhoffte Magie.
Orangen und Bananen vs. Cookies und Kuchen
Nachdem sie die Geschichte nur dieses eine Mal gehört hatten, durften die Kinder in der Folgezeit regelmässig zwischen verschiedenen Snacks wählen und sich zum Beispiel zwischen Bananen und Kuchen entscheiden. Es gab jeweils mindestens zwei gesunde und zwei ungesunde Optionen. In der ersten Woche griffen bis zu 90 Prozent bei den gesunden Snacks zu und auch nach der zweiten Woche blieben 60 Prozent dabei. Dem magischen Maler sei Dank.
![Obst oder Kuchen? Die Geschichte zeigte Wirkung.](/im/Files/7/6/6/7/1/0/7/1/shutterstock_1941686278.jpg?impolicy=resize&resizeWidth=430)
Quelle: Shutterstock
Die Autorinnen und Autoren beschreiben die Auswirkungen der Geschichte als überraschend langanhaltend, wenn man bedenke, dass die Kinder nur für etwa 20 Minuten mit der Geschichte konfrontiert wurden. In einem zweiten Experiment kam im Anschluss an die Erzählung nicht nur süsses Obst, sondern auch das schwerer vermittelbare (weil weniger süsse) Gemüse bei Kindern besser an.
Storytelling ist alles
Ein Ergebnis, das ich sehr gut nachvollziehen kann, seit ich mal ein paar schöne Sommertage lang Gemüse unter dem frei erfundenen Label «Rapumpel» in ungewohnten Mengen ans Kind bringen konnte. Leider war der Effekt deutlich schneller weg. Was hängen bleibt: Storytelling ist alles! Das gilt auch beim Essen. Und es gibt diverse Geschichten, mit denen du dein Glück versuchen kannst, wenn du nicht selbst kreativ werden willst.
Ob selbst erfunden oder gekauft – an einem entscheidenden Detail kommst du nicht vorbei. Kinder merken schnell, ob du der Geschichte entsprechend handelst oder selbst munter weiter Kuchen mampfst. Dann erzählst du statt einer stimmigen Geschichte wirklich ein Märchen. Und die hatten auch schon mal einen besseren Ruf.
Mittlerweile wird das Wort Märchen im Sinne einer in manipulativer Absicht verbreiteten frei erfundenen Erzählung, also einer Falschmeldung, im Deutschen nur noch selten verwendet. Stattdessen nutzen viele das neudeutsche Wort Fake News.
So formuliert klingt das hart und gar nicht mehr märchenhaft. Aber Menschen lieben nun mal Geschichten. Richtig verpackt, überstrahlt die Botschaft häufig die Fakten. Und wenn du bei deinen Kindern nicht früh ein paar grundlegende Gewissheiten verankerst, dann hat die Werbung schon bei den Jüngsten leichtes Spiel.
Mit Märchen gegen Märchen kämpfen
Ein vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in Auftrag gegebenes Monitoring kam 2023 zu dem Ergebnis, dass Kinder von 4 bis 9 Jahren stärker mit Lebensmittelwerbung konfrontiert sind als andere Altersgruppen. Vor allem auf YouTube und am häufigsten für Schokolade und Süssigkeiten. Also genau das, was die Kinder brauchen – Zucker zaubert ja bekanntlich.
Heute zaubert die Werbung lieber aus dem Bewusstsein, wie viel Zucker in den Produkten steckt. Bei so viel äusserem Einfluss erscheint es legitim, zu allen möglichen Mitteln zu greifen, um gesunde Ernährung zu promoten. Von der Werbung lernen heisst siegen lernen:
- Erzähle eine schöne Geschichte
- Lege grossen Wert auf eine ansprechende Präsentation
- Bring die Zielgruppe möglichst häufig damit in Kontakt
Wie das auf 15×20 Zentimetern funktioniert, hat die Frau von Kollege Patrick Vogt perfektioniert. Ich erstarre in Ehrfurcht.
Die Moral von der Geschicht'? Vorleben statt vorgaukeln – anders geht es nicht. Und wenn sie nicht verdorben sind, dann mümmeln sie noch heute Rüebli oder Apfel.
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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.