Produkttest

Canon EOS 1Ds Mark II: Die beste Kamera von 2004

David Lee
3.8.2021

Sommerloch – Zeit, um alte Kameras zu begutachten. Aus unserer internen Kamera-Schrottsammlung habe ich dieses Mal ein besonders erlesenes Stück herausgefischt. Die Canon EOS 1Ds Mark II ist eine Profikamera aus dem Jahr 2004.

Sie ist schwer, sie ist massiv, sie ist gross, sie ist solid. Sie ist ein Monstrum. Sie bietet alles Erdenkliche, was sich ein Profi im Jahr 2004 wünschen konnte. Heute ist die Canon EOS 1Ds Mark II genauso nutzlos wie andere alte Digicams. Nur grösser und schwerer.

Schlichtweg ein Monster

Dieses Ungetüm von einer Kamera wiegt eineinhalb Kilo – ohne Objektiv. Mit dabei sind zwei riesige Akkus plus ein Gleichstromkuppler, der wie ein weiterer Akku aussieht, aber keiner ist. Er hängt am anderen Ende an einem Netzstromadapter und versorgt so die Kamera dauerhaft mit Strom. Das Ladegerät kann beide Akkus gleichzeitig aufladen und erinnert mit seinen Armen an eine Riesenkrake. Jedes einzelne dieser Teile ist grösser als eine Kompaktkamera.

Das Ding kostete 8000 Euro. Damals, 2004, war der Euro im Vergleich zum Franken noch mehr wert. In der Schweiz muss der Preis fünfstellig gewesen sein. Gegenwert: Für die damalige Zeit sagenhafte 16 Megapixel, 45 Autofokuspunkte, und drei Bildschirme, von denen der grösste fast so gross ist wie das Drehrad auf der Rückseite. Nicht zu vergessen: Vollformat. Keine Selbstverständlichkeit im Jahr 2004, denn der Konkurrent Nikon brachte seine erste digitale Vollformatkamera erst 2007 heraus.

Aller Anfang ist schwer

Wie schon bei der Canon PowerShot A50 aus dem Jahr 1999 weiss ich zuerst nicht einmal, wie ich die Kamera einschalte. Dieses Mal schaffe ich es immerhin ohne Benutzerhandbuch. Der Ein-Ausschalter befindet sich unten auf der Rückseite. Möchte ich beim Fokussieren einen Signalton, muss ich diesen Schalter nicht auf On, sondern aufs Tonzeichen schieben.

Das ist bei der EOS-1-Reihe bis heute so ähnlich. Ich gebe zu, dass ich mit dem Bedienkonzept dieser Reihe nicht so vertraut bin. Mich verwirrt daher auch, dass es über dem Ein-Aus-Schalter einen weiteren, sehr ähnlich aussehendem On-Off-Schalter gibt, dessen Zweck ich tatsächlich im Manual nachlesen muss. Er schaltet das riesige Daumenrad ein und aus. Oder besser gesagt: Er sperrt es, wenn er auf Off steht. Unten rechts gibt’s einen dritten On-Off-Schalter. Der sperrt die Bedienung von Auslöser und Drehrad im Hochformatgriff.

Damit habe ich die Bedienung aber noch lange nicht im Griff. Öffne ich das Menü und drehe am Daumenrad, passiert nichts, On-Off-Schalter hin oder her. Auch alle anderen Tasten bewirken nichts. Nur wenn ich die Menütaste gedrückt halte und gleichzeitig am Rad drehe, wechselt das Menü. Auswählen kann ich immer noch nichts. Dazu muss ich eine andere Taste, die Select-Taste, ständig gedrückt halten.

Das Menü. Für mich dann einfach das Tagesmenü ohne Salat, bitte.
Das Menü. Für mich dann einfach das Tagesmenü ohne Salat, bitte.

Generell ist es sehr oft nötig, zwei Knöpfe gleichzeitig zu drücken. Zum Beispiel zum Einstellen der ISO-Empfindlichkeit oder zum Vergrössern und Verkleinern der Bildansicht. Die Angst vor versehentlichen Eingaben muss damals extrem gross gewesen sein.

Faszinierend, was die alles nicht kann

Apropos ISO-Wert: Der wird mir nur angezeigt, wenn ich ihn gerade am Verändern bin. Dabei wäre es durchaus wichtig, ihn im Auge zu behalten, denn eine ISO-Automatik gibt es nicht. Erstaunlich. Das konnte selbst meine Hobby-Kamera Nikon D70 von 2004.

Der ISO-Wert reicht von 100 bis 1600 ISO. Das war damals Standard. Immerhin: Selbst der Maximalwert liefert eine brauchbare Bildqualität. Canon hätte wohl auch bis 3200 ISO gehen können.

Willy mit 1600 ISO
Willy mit 1600 ISO
Ausschnitt
Ausschnitt

Der winzige Bildschirm mit 320×240 Pixel zeigt das Bild nur im richtigen Betrachtungswinkel einigermassen korrekt an. Selbst dann stimmen die Farben nicht wirklich – zum Beispiel ist der Bildschirm nicht in der Lage, ein sehr dunkles Rot darzustellen. Erst am PC sehe ich, dass die Kamera die Rottöne durchaus passend wiedergibt.

In die Kamera lässt sich nicht nur eine CF-Karte einstecken, sondern in einem zweiten Slot auch eine SD-Karte. Das scheint aus heutiger Sicht praktisch, da die CF-Karten weitgehend verschwunden sind und kaum jemand eine mit hoher Kapazität besitzt. Doch es gibt verschiedene Arten von SD. Mit den heute üblichen SDXC-Karten kann die Canon EOS 1Ds Mark II nichts anfangen. Sie liest maximal SDHC mit bis zu 32 GB. Zum Glück habe ich noch so eine.

Falls du keinen Kartenleser hast, kannst du die Kamera auch per USB mit dem Computer verbinden. Kleiner Wermutstropfen: Hier wird mit USB 1.1 gearbeitet, eine Technologie, die schon in den 90er-Jahren niemanden beeindruckte. Um dessen Geschwindigkeit zu zeigen, habe ich ein Video mit unerträglicher Spannung gemacht. Spoiler: Es dürfte mehrere Stunden dauern, bis überhaupt mal die Miniaturen für den Importdialog angezeigt werden. Importiert ist dann natürlich noch nichts.

FireWire ginge auch. Das wär schneller. Nur haben heutige Macs keinen FireWire-Anschluss mehr.

Der Backstein von einem Akku wiegt 321 Gramm und bietet trotzdem nur 1650 mAh. Es ist kein Lithium-Akku, sondern ein NiMH-Akku. Obwohl schon alt, kann ich damit einige Dutzend Fotos machen, ohne dass die Akkuanzeige vom Maximum herunterfällt. Dann allerdings ist der Akku plötzlich leer.

Faszinierend, was die alles kann

Das ist eine Profi-Kamera. Die muss doch mehr können, verdammt. Tatsächlich gelingt es mir irgendwann, die ISO dauerhaft anzeigen zu lassen: Tief in den Individualfunktionen des Menüs versteckt, heisst die Funktion «LCD oben/LCD Rückwand». Da muss man erst mal drauf kommen.

Diese beiden LCDs haben übrigens eine schöne blaue Hintergrundbeleuchtung. Nicht das übliche potthässliche Grüngelb.

Purer Luxus ist der Okularverschlusshebel. Nur schon dieses Wort. Das ist ein Verschluss für den Sucher, damit kein Licht von hinten eindringt. Bei Stativaufnahmen, wo der Sucher nicht durchs Auge abgedeckt wird, kann das zu falschen Belichtungszeiten führen. Nicht viele Kameras haben das. Benötigt wird es nur bei Spiegelreflexkameras, und auch dort ist es nicht so wichtig. Wichtig ist aber: Das Betätigen dieses Hebels fühlt sich toll an. Als hätte ich ein unzerstörbares Gerät in Händen, das in der Schweiz der 50er-Jahre hergestellt wurde. Ein Armee-Sackmesser oder eine Bernina-Nähmaschine. Wahrscheinlich kann dieser Verschluss etwa eine halbe Million Mal «ausgelöst» werden, wie der andere Verschluss der Kamera auch.

Apropos: Das Gerät sieht aus wie neu. Profikameras sind natürlich solid gebaut, aber diese hier wurde auch wenig benutzt: Die Bildernummer in den Exif-Daten steht bei 5800 Auslösungen.

Eine ISO-Automatik gibt’s nicht, aber ISO-Bracketing. So nach dem Motto: Ich kann dir zwar nicht sagen, welches die korrekte ISO ist, aber versuchs doch mal mit 100, 400 und 1600. Irgendetwas davon wird schon passen.

Sie liefert brauchbare Bilder

Trotz der offensichtlichen Limitierungen: Es ist gar nicht so schwierig, mit der Canon EOS 1 Ds Mark II schöne Bilder zu machen. Nur siehst du das beim Fotografieren nicht. Erst am richtigen, grossen PC-Bildschirm. Es ist ein wenig wie zu Analogzeiten: Jetzt fotografieren, aber erst später das Resultat sehen.

Die Bilder haben etwas, was mir sehr gefällt, ohne dass ich genau erklären könnte, was es ist. Wahrscheinlich liegt es auch an den Objektiven. Das Bild oben habe ich mit dem EF 50mm 1.4 gemacht und die unten mit dem EF 24-105mm f/4 USM.

Und hier noch eines mit 800 ISO

800 ISO
800 ISO

Fazit: Bildschirmtechnik hat riesige Auswirkungen

Habe ich etwas gelernt aus dem Test dieser alten Kamera? Nicht wirklich, er bestätigt vor allem, was wir eh schon alle wussten. «Es ist der Fotograf, der das Bild macht, nicht die Kamera.» Jaja. Standardspruch. Der nächste bitte. «Ein gutes Objektiv ist mehr Wert als der Body.» Jaja. Auch das wissen wir. Der nächste bitte.

Spannend an der Sache: Alte Kameras geben einen Einblick, in welchen Bereichen grosse Fortschritte erzielt wurden und in welchen weniger. Die Ergonomie war bei den Profimodellen schon 2004 perfekt und ist bei einem heutigen Modell praktisch gleich. Die Bildqualität scheint natürlich aus heutiger Sicht eher dürftig, aber Canon war da definitiv auf dem richtigen Weg.

Überhaupt nicht vergleichbar mit heutiger Technik ist vor allem der Monitor. Das wirkt sich auch auf anderes aus. Zum Beispiel ist die Bedienung ohne Touch-Funktion eingeschränkt. Mit diesen kleinen und stromfressenden Bildschirmen war wohl auch der Anreiz klein, in Live View und Videofunktion zu investieren. Und nicht zu vergessen, auch elektronische Sucher sind Bildschirme. Der Siegeszug der spiegellosen Systemkameras wäre mit der Bildschirmtechnik von 2004 nicht möglich gewesen.

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