Best of «Loki», Episode 6: Für alle Zeit. Immer.
Staffelfinale! Loki und Sylvie begegnen endlich demjenigen, der vom Ende der Zeit aus alles kontrolliert. Nämlich dem Eroberer, Herrscher und Diktator. Für alle Zeit. Immer.
Eines vorweg: Das ist eine Folgenanalyse. Mit Spoilern! Schau dir also zuerst die sechste Episode von «Loki» an, bevor du weiterliest.
Alioth scheint besiegt. Der Schleier fällt. Der Durchgang zur anderen Seite des Endes aller Zeiten ist offen. Endlich. Das Geheimnis, wer hinter der Wahren Zeitlinie steckt, den Time Keepern – der TVA –, kann gelüftet werden.
Loki und Sylvie schreiten entschlossen voran. Derweil kehrt Agent Mobius zur TVA zurück. Sein Ziel: Keine Geheimnisse mehr. Er will niederbrennen, woran er eine gefühlte Ewigkeit geglaubt hat.
Möge das Staffelfinale beginnen.
Jener, der bleibt
Zuerst Musik. Dann Stimmen. Viele Stimmen. Gleichzeitig. Es ist ein Wirrwarr. Ein Kaleidoskop aus allem, was im MCU je war.
«Wir haben einen Hulk», Lokis Stimme.
«Was ist Trauer, wenn nicht Liebe, die überdauert», Visions Stimme.
«Könnte den ganzen Tag so weitergehen», Steve Rogers Stimme.
Dann die Sonne. Die Erde. Das Sonnensystem. Die Galaxie. Schwarze Löcher. Noch ein schwarzes Loch. Helles, gleissendes Licht. Nein. Ein Lichtstrahl, der alles verbindet. Und irgendwo ein Felsbrocken, schwebend in der Leere des Alls. Darauf ein uraltes, riesiges Herrenhaus.
Was für ein Anfang.
Miss Minutes. Hier? Ah, sie ist eine Handlangerin. Okay. Eine Sekunde lang dachte ich schon, sie sei jene, die den Wahren Zeitstrahl diktiert. Unfug, natürlich. Aber dann eröffnet sie Loki und Slyvie, wer wirklich hinter all dem steckt.
He Who Remains. Zu deutsch: Jener, der bleibt.
Ha! Eine meiner beiden Theorien hat sich damit bewahrheitet. Ich gebe aber zu, dass ich eher auf Kang the Conqueror als Strippenzieher gesetzt hatte. Nur schon wegen seiner Comic-Verbindung zu Ravonna Renslayer und Alioth, der alles verschlingenden Wolke.
Aber spätestens, seit Renslayer selbst in der vergangenen Folge vom Ort, an dem das Ende der Zeit ist, gesprochen hat, hat die He-Who-Remains-Theorie gewaltig Fahrt aufgenommen. In den Comics ist das Ende der Zeit nämlich jener Ort, wo er, der letzte Director der TVA, der das Ende des Universums und allen Seins miterlebt und auf den Beginn eines neuen, multiversalen Zyklus wartet.
Um diesen besser als den Vergangenen zu machen, erschafft He Who Remains die Time Twisters, drei Wesen aus drei Kokons, die das Ende überleben und mit dem Wissen um die Vergangenheit eine bessere Zukunft erschaffen sollen.
Der Plan schlägt fehl. Statt in die nächste Realität überzugehen, reisen die Time Twisters in die Vergangenheit des noch existierenden Multiversums. Dann stellt sich ihnen Thor entgegen. Aber als er merkt, dass er nichts gegen die Time Twisters ausrichten kann, reist er ans Ende der Zeit. Dort überzeugt er He Who Remains von der zerstörerischen Natur der Twisters. Der Übriggebliebene zerstört daraufhin die Twister, aber erzeugt damit zwei neue Zeitströme.
Einen Strom, in der die Twister existieren, und einen Strom, in dem sie nicht existieren.
Um die beiden Zeitströme zu schützen, erschafft He Who Remains neue, verbesserte Versionen der Twister: Time Keepers. Fortan befinden sich die Time Twister und die Time Keepers in einem ewigen Krieg.
In der Serie bietet Miss Minutes im Namen von He Who Remains Loki und Sylvie all das an, was sie immer wollten. Den Sieg über die Avengers. Über Thanos. Sogar den Infinity-Handschuh und die Krone Asgards. Zusammen könnten sie herrschen. Im Gegenzug würden sie He Who Remains – Jenem, der bleibt – in Ruhe und die TVA weiter ihre unverzichtbare Arbeit leisten.
Loki und Sylvie lehnen ab. Niemand soll mehr ihr Schicksal fremdbestimmen.
Miss Minutes verschwindet, und an ihrer Stelle tritt He Who Remains in Person. Nur ist das nicht He Who Remains. Jedenfalls nicht jenes uraltes, kosmisches Wesen aus den Comics. Es ist ein Mensch, aus Fleisch und Blut, witzelnd und spottend über den klangvollen Spitznamen, den Miss Minutes ihm verpasst hätte. Aber wenn am Ende der Zeit nicht He Who Remains die Strippen zieht, ist es womöglich doch…
Kang?
Doppel-Ha! Ich meine, da haben einfach beide Theorien voll ins Schwarze getroffen! Im MCU ist Kang tatsächlich Jener, der bleibt! Ich werd’ verrückt. Nice. Und gut gespielt, Marvel.
Chekhov’s Gun wird abgefeuert
In der TVA tut Mobius indes genau das, was er sich vorgenommen hat: Alles niederbrennen. Zumindest metaphorisch. Denn zuerst deckt Mobius auf, dass alle TVA-Angestellten Varianten sind. Angefangen mit Ravona Rennslayer. Den Hinweis, wo sich ihr Original befindet, gibt genau jener blaue Stift, dem ich schon in der zweiten Folge eine grössere Bedeutung zugemessen hatte, als es zunächst den Anschein hatte.
Chekhov’s Gun, erinnerst du dich noch?
«Im Gespräch mit Mobius fällt dem Agenten ein blauer Stift auf. Einen, den er noch nie gesehen hätte. Franklin D. Roosevelt High School. Keine Ahnung, was das bedeutet. Komisch, dieser Stift», habe ich in jener Folgenbesprechung geschrieben. Jetzt hingegen ist alles klar.
Chekhov's Gun ist nämlich eine alte Regel des Geschichtenerzählens: Wenn’s nicht wichtig ist, schreib’s nicht in die Story. Der blaue Stift ist wichtig. Er stammt aus dem Jahre 1980, und zwar von jener Schule, an der die originale Ravonna Renslayer Lehrerin ist.
Chekhov’s Gun ist soeben abgefeuert worden.
Renslayer scheint aber tatsächlich die ganze Zeit keine Ahnung gehabt zu haben, eine Variante zu sein. Dennoch glaubt sie an die TVA. An ihre Arbeit. Oder einfach daran, dass nichts umsonst gewesen sein dürfte. Äonen der Stutzerei. Des Zerstörens von Leben.
Dann aber, nach einem kurzem Kampf mit Mobius, verschwindet sie durch ein TemPad-Tor. Wonach sie sucht? Dem Freien Willen.
Der Teufel am Ende der Zeit
Zurück zu Kang, sollte sich dieser Mensch tatsächlich als Kang entpuppen. Übrigens herrlich überdreht und gleichzeitig nonchalant von Jonathan Majors gespielt. Der behauptet, dass selbst Lokis und Sylvies Ausbruch aus der Leere – dem Ende der Zeit –, ja selbst das Gespräch, das sie in dem Moment führten, entlang des Pfades passiert, dass er für die beiden Loki-Varianten geebnet hätte.
Und dass er einfach alles wisse.
Flunkerei, wie sich gleich herausstellen wird. Aber was der Mann vorher sagt, bestätigt – mit ein bisschen Comic-Wissen –, seine Identität.
Der Mann erzählt seine Geschichte. Diese beginnt im 31. Jahrhundert. Als Wissenschaftler, der entdeckt, dass das Multiversum existiert. Seinen Namen spricht er nicht aus. In den Comics gibt’s aber nur einen mit genau dieser Geschichte: Nathaniel Richards.
In den Comics ist Nathaniel Richards ein Mann, der mit sich selbst im Krieg steht. Erzählt habe ich dir in den bisherigen Folgenbesprechungen stets jene Variante Richards, die später zu Kang, dem Eroberer, wird. Tatsächlich treten in den Comics ständig neue Varianten Richards auf. Mal ist er Immortus, Herrscher der Zeit. Mal ist er Rama-Tut, ein ägyptischer Pharao. Mal ist er Iron Lad, dann wieder Scarlet Centurion. Und so weiter. Die Liste ist schier endlos.
In der Serie erzählt der Mann, der meiner Meinung nach MCU-Nathaniel-Richards ist, von genau jenen Varianten. Denn seine Varianten hätten zur gleichen Zeit die gleichen Entdeckungen gemacht und sich gegenseitig in ihren Universen besucht. Nicht alle seien aber friedfertig gewesen. So, dass MCU-Richards bereits vieles genannt worden sei. Herrscher – Immortus. Eroberer – Kang. Jener, der bleibt.
Denn genau wie in den Comics begannen die Nathaniel-Richards-Varianten die Unendlichkeit des Multiversums anzugreifen, um der jeweils einzige Eroberer zu sein: der erste multiversale Krieg brach aus.
Dann aber traf der aktuelle Richards auf Alioth, das kosmische Wesen, die riesige Wolke, die alles zerstört, einsaugt und absorbiert, was sie berührt. Ganze Dimensionen bringt sie zum Einsturz. Ganze Realitäten verschlingt sie. Ganze Multiversen verleibt sie sich ein. So hat MCU-Richards das Multiversum auf den einzigen Wahren Zeitstrahl reduziert, um seit dem den Fluss der Zeit zu diktieren.
Sicher, seine Methoden seien fragwürdig. Aber das hehre Ziel nicht. Er sei zwar ein Teufel – nein, nicht Mephisto –, aber ein Teufel, der seine Schurkenhaftigkeit fürs Gute einsetzt. Und genau das böte er nun Loki und Sylvie an. Sie sollen seinen Platz einnehmen. Von jetzt an an seiner statt diktieren. Er sei nämlich müde. Und – jetzt zur Flunkerei – ab jetzt wisse er ohnehin nicht mehr, was als nächstes geschehe.
Könnte das die Geburt des MCU-Multiversums sein?
Das Dilemma
Übernehmen Loki und Sylvie nicht – bringen sie stattdessen MCU-Richards um –, dann würden an seiner Stelle unendlich viele Varianten treten, die alle wieder einen multiversalen Krieg anzetteln würden. Aber pragmatisch über Leben und Tod entscheiden, als ob das alles nur ein Spiel sei, das sei für die beiden Loki-Varianten kein gangbarer Weg.
Das Dilemma: Erdrückende Ordnung oder katastrophale Freiheit.
Für MCU-Richards macht das keinen Unterschied. Wenn er lebt, und Loki und Sylvie übernehmen, überdauert sein Lebenswerk. Wenn nicht, würde am Ende des multiversalen Kriegs wieder eine Richards-Variante übernehmen und einen neuen Wahren Zeitstrahl herstellen.
Dann kommt’s wie’s kommen muss: Loki und Sylvie sind sich nicht einig. Bekämpfen sich. Loki gesteht Sylvie seine Liebe. Sie erwidert das Geständnis mit einem Kuss. Spediert ihn dann aber zurück zur TVA – und tötet MCU-Richards.
«Wir sehen uns bald wieder», sagt er noch augenzwinkernd, bevor er stirbt. Im Hintergrund verästelt der Wahre Zeitstrahl. Die Schwelle – die rote Linie – wird überschritten. Es gibt kein Zurück mehr.
Das ist das Multiversum.
Und Loki? Der versucht, Mobius darüber aufzuklären, was gerade passiert ist. Aber Mobius erinnert sich nicht an ihn. Oder an irgendwas, was in den letzten Wochen passiert ist. Okay? Etwas stimmt hier nicht. Ganz und gar nicht. Schnitt. Kameraschwenk. Blick zum Herzen der TVA, wo die Time-Keeper-Statuen sind. Nur, dass da keine Time Keeper mehr sind.
Da ist Kang, the Conqueror.
Damit endet «Loki».
Fazit: Heilige Scheisse!
Oh, Mann. Was zum Teufel ist da gerade passiert? Ist Loki bereits in eine korrumpierte Zeitlinie mit einer alternativen TVA-Version geraten, wo Kang das Sagen hat? Wäre für mich die einzige logische Erklärung.
Und was ist mit Sylvie? Oder Renslayer? So oder so: Wenn Thanos’ Fingerschnipp ein Erdbeben im MCU war, dann ist das hier eine Supernova. Alle Wahrheiten, die wir bislang gekannt haben, sind dahin. Die neuen Möglichkeiten kaum zählbar. Und das Endgame nicht voraussehbar.
Das einzige, was wir jetzt noch voraussehen können, ist, dass Loki in einer zweiten Staffel zurückkehren wird. Das bestätigt der Stempel in der After-Credit-Szene. Gottseidank. Denn mit so einem üblen Cliffhanger darf Lokis Geschichte nicht enden.
Aber diese Folgenbesprechungen enden hier. Kein Loki, keine Besprechungen. Wir sehen uns aber voraussichtlich zu «What if…?» wieder. Wenn ihr mögt.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»