Ayaneo 2 im Test: teure Steam-Deck-Alternative mit (zu) vielen Kompromissen
Das Ayaneo 2 ist ein Handheld-PC mit Windows. Dieses bringt viele Möglichkeiten, aber auch viele Probleme mit sich – zu denen gehört auch der Preis.
Tolle Ausstattung, jedes PC-Spiel installierbar, aber Probleme an allen Ecken. Ich habe ein Déjà-vu. Das Ayaneo 2 verspricht das gleiche wie der ROG Ally von Asus. Streng genommen ist es umgekehrt. Das Ayaneo ist länger auf dem Markt. In meinen Händen ist es aber erst jetzt. Beide Geräte wollen die Windows-Alternative zum Steam Deck sein. Statt die Spieleauswahl auf Steam zu beschränken, kann ich beim Ayaneo jedes Windows-Programm installieren, das ich will – allen voran die Xbox-App mit dem PC Game Pass. Aber wie schon Onkel Ben zu Spider-Man sagte: «With great power comes great responsibility.» Und bei der Verantwortung, ein rundum zufriedenstellendes Gerät abzuliefern, hapert es.
Tolle Ausstattung und knackiges Display
Das Ayaneo 2 ist, wie es der Name vermuten lässt, nicht der erste Handheld des gleichnamigen chinesischen Unternehmens. Meist wird, bevor das letzte Gerät ausgeliefert wird, bereits der Nachfolger angekündigt. Das wäre das Ayaneo Air Plus, falls du dich fragst. Das Ayaneo 2 war eine der ersten Steam-Deck-Alternativen, die dank neuem AMD-Chip mehr Leistung als Valves Handheld versprach. Auf dem Papier stimmt das auch.
- Display: 7 Zoll LCD, 16:10, 1920×1200 Pixel, 400 Nits, 60 Hz
- CPU/GPU: AMD Ryzen 7 6800U, RDNA2
- Speicher: 512 GB (2 TB) PCIe 4.0 m.2 2280 SSD, MicroSD
- RAM: 16 GB (32 GB) LPDDR5 6400 MT/s
- Akku: 50.25 Wh
- Gewicht: 680 Gramm
Ich teste die Variante mit 16 GB RAM und 512 GB Speicher. Es gibt noch eine teurere Version mit 32 GB RAM und 2 TB Speicher.
Bei der Verarbeitung gibt sich Ayaneo keine Blösse. Die gesamte Front ist mit Glas überzogen und das Display geht fast bis zum Rand. Die Knöpfe, Sticks und Tasten drücken sich gut und das Gerät liegt ausbalanciert in der Hand. Die Platzierung der Start- und Menütasten unterhalb des linken Analog-Sticks ist jedoch sehr ungünstig. Ich muss den Daumen viel zu weit bewegen, wenn ich sie betätigen will.
Bei den Joysticks und Trigger-Tasten werden Hall-Effekt-Sensoren verwendet. Die gelten traditionell als besser als solche mit Potentiometer. Hall-Effekt-Sensoren sind sicherer vor dem Drift-Problem, das bei den Joy-Cons der Switch gang und gäbe ist.
Pedale auf der Rückseite fehlen zu meiner Enttäuschung. Da haben der ROG Ally mit zweien und das Steam Deck mit vieren deutlich die Nase vor. Immerhin gibt es links und rechts der Trigger-Tasten zwei kleine Zusatztasten. Gleich daneben ist der Fingerabdrucksensor, der das Gerät relativ zuverlässig und schnell entsperrt.
Das 400-Nits-Display sorgt für ein helles und kontrastreiches Bild. Dagegen sieht das Steam Deck blass aus. Das Ayaneo-Display spiegelt allerdings stärker. Dank der höheren Auflösung sehen Spiele wiederum einiges schärfer aus. Die Touchbedienung reagiert schnell und präzise. Die Lautsprecher klingen hingegen etwas blechern. Es fehlt an Kraft. Zum Spielen sind sie aber ausreichend.
Das Ayaneo 2 verfügt über Bewegungssteuerung sowie Vibrations-Motoren. Letztere habe ich, genau wie die RGB-Beleuchtung, bei den Joysticks umgehend deaktiviert. Das Leuchten lenkt mich ab und die Vibration ist einfach zu schlecht.
Neben einem Kopfhöreranschluss gibt es drei USB-C-Anschlüsse. Zwei davon können zum Laden verwendet werden.
Das Schweizer Taschenmesser der Handhelds
Genau wie beim ROG Ally installiere ich als Erstes alle erhältlichen Spiele-Launcher. Steam, GOG, Epic Store und natürlich die Xbox-App mit dem Game Pass sind im Nu heruntergeladen. Das geschieht entweder über den Browser oder über AyaSpace. Die App dient als Zentrale für Software-Updates, Steuerungsanpassungen oder zum Starten von Spielen. Ich öffne sie, indem ich die entsprechende Taste unterhalb des rechten Analog-Sticks lange drücke. Betätige ich die Taste kurz, öffnet sich das AyaQuickTool-Schnellmenü. Dort kann ich die Auflösung verändern, die Leistung anpassen oder die Lüfter regulieren. Die Konfiguration ist zwar leicht, bietet aber bei weitem nicht so viele Einstellmöglichkeiten wie beim Steam Deck. So kann ich beispielsweise weder die FPS anzeigen lassen, noch die Bildwiederholrate limitieren.
Das AyaSpace ist nützlich, um von einem Ort meine installierten Spiele starten zu können. Leider werden nicht alle angezeigt. So fehlen Spiele vom Battle.Net-Launcher wie «Diablo IV». Auch manuell schaffe ich es nicht, sie hinzuzufügen. Die App ist auch nicht sonderlich übersichtlich. Noch schlimmer aber ist, dass sie nach jedem Update auf Chinesisch umstellt. Um das Sprachmenü zu finden, hilft nur die Scan-Funktion von Google Translate – oder meine Frau, die Chinesisch kann.
Mit allen Game-Stores installiert, beginnt die grosse Download-Schlacht. Wie bei der Konkurrenz von Asus sind die 512 GB schnell gefüllt. Aber auch hier kann ich mit einer microSD-Karte nachrüsten.
14 Spiele habe ich mittlerweile installiert. Einige primär als Benchmark wie «Spider-Man: Miles Morales». Andere wie «Diablo IV» zocke ich, während wir «White Lotus» schauen. Das teuflische Loot-Game erfordert wenig Aufmerksamkeit und läuft wunderbar auf dem Ayaneo. Der Hauptvorteil gegenüber dem Steam Deck ist aber die Xbox-App mit dem Game Pass. Daraus spiele ich primär das Rhythmus-Spiel «Hi-Fi Rush». Meine ersten Gehversuche mit dem Ayaneo 2 sind positiv. Die Spiele laufen rund und die Steuerung funktioniert anders als beim ROG Ally ohne ständige Kompatibilitätsprobleme. Einschränkungen gibt es dennoch. Ohne Touchpads wie beim Steam Deck steuern sich Spiele, die, wie «Civilization», auf Maus setzen, extrem schwerfällig. Das gilt auch für die Windows-Navigation.
Kleinere und grössere Probleme
Das Ayaneo 2 wurde über die Crowdfunding-Plattform Indigogo finanziert. Dass noch nicht alles 100 Prozent ausgereift ist habe ich erwartet, bevor mich der Handheld auf Chinesisch begrüsst hat. Es beginnt bereits bei der Lautstärke. Sobald ich das Gerät einschalte, ist der Lüfter zu hören. Das bleibt eigentlich immer so, ausser ich starre ganz lange auf den leeren Desktop – was selten vorkommt. Spiele ich, während dem Fernsehschauen, bekomme ich regelmässig Kommentare zu hören, dass das Pfeifen stört. Die Lüfter sind aber noch meine geringste Sorge. Denn weitere Probleme lassen nicht lange auf sich warten.
Am störendsten ist das Wechseln der Auflösung. Theoretisch geschieht das über das Schnellmenü. Sechs verschiedene Auflösungen, von 1920 x 1200 Pixeln bis 960x 600 Pixeln, stehen zur Auswahl. Dumm nur, fehlt 1280 x 800 Pixel. Das wäre nämlich die nächst niedrigere Auflösung im 16:10-Format des Displays. Möchte ich diese einstellen, muss ich das über die Windows-Einstellung machen. Warum das wichtig ist? Aus welchen Gründen auch immer, kann ich die Auflösung in Spielen meist nicht ändern. Etwas, das am PC Standard ist. Ich muss also entweder über das AyaQuickTool oder die Windows-Einstellungen kehrt machen. Als wäre das nicht umständlich genug, skaliert das AyaQuickTool nur nach einem Neustart. Ohne, ist die Hälfte des Menüs abgeschnitten.
Einen richtigen Standby-Modus, wie bei der Switch oder dem Steam Deck, gibt es nur bedingt. Es ist etwas, das ich bei Handhelds als essenziell betrachte. Kurze Session spielen, Gerät pausieren und später weitermachen. Super. Die Windows-Standby-Funktion ist bei Spielen leider unzuverlässig. Manche Spiele hängen sich auf, das Bild kommt nicht mehr oder die Steuerung streikt.
Daneben gibt es unzählige kleinere Dinge, die nicht 100 Prozent funktionieren. So öffnet sich die Tastatur selten selbständig, wenn ich ein Eingabefeld antippe. Die «Close Game»-Option im Schnellmenü tut gar nichts. Vertical Sync muss fast immer aktiviert sein, sonst gibt es Screen Tearing. Das sorgt wiederum für eine schwammigere Steuerung. Und ich weiss nie genau, wie lange ich die Start-Taste drücken muss, um das Gerät einzuschalten. Mal reicht es, kurz zu drücken, dann wiederum muss ich die Taste mehrere Sekunden gedrückt halten.
Auch kommt es immer wieder vor, dass das Gerät beim Auflösungswechsel oder Spielstart nicht reagiert. Dagegen hilft meist nur ein Neustart. Wie beim ROG Ally dürften die meisten Probleme auf mangelnde Kompatibilität mit Windows zurückzuführen sein.
Kein Fehler, aber umständlich ist, dass ich an mindestens drei Orten regelmässig Treiberupdates vornehmen muss: Windows-Updates, AMD-Grafiktreiber und Ayaneo-Firmware-Updates. Beim Steam Deck gibt es ein Update für alles.
Definitiv kein Software-Problem sind die klemmenden Tasten. Nach ein paar Wochen fingen plötzlich die A-, X- und Y-Tasten an, zu klemmen. Nicht immer ist es gleich stark, aber teilweise bleiben sie so lange stecken, dass ich zusehen kann, wie sie sich langsam wieder hochbewegen.
Schnell, aber nicht immer
Das Ayaneo 2 verfügt über mehr Kerne, eine höhere Taktfrequenz und mehr Compute-Units bei der Grafikeinheit als das Steam Deck. Der Ryzen Z1 Extreme in der Top-Version des ROG Allys wiederum taktet noch höher. Ist das Ayaneo 2 damit schneller als das Steam Deck? Grundsätzlich ja. Die vollen 1920 x 1200 Pixel sind aber nur bei anspruchslosen Spielen möglich. Meist habe ich darum auf 1280 x 800 Pixel gewechselt. Während die Bildrate fast durchs Band höher ausfällt als beim Steam Deck, lässt sich das Gleiche nicht über die Stabilität sagen. Viele Spiele ruckeln zwischendurch. Egal ob ich den Lüfter aufs Maximum stelle oder auf «balanced» lasse. Es kann auch ein Treiberproblem sein, ich tippe auf eine nicht optimierte Lüftung.
Davon abgesehen läuft das Ayaneo 2 ziemlich rund. «Hi-Fi-Rush» schafft stabile 60 FPS mit maximalen Details und das ohne Upscaling durch FSR. Auch «Diablo IV» liefert 60 FPS bei hohem Detailgrad, aber verringerter Auflösung auf 800p. Weil mir das ROG Ally nicht mehr zur Verfügung steht, habe ich für den Direktvergleich wieder dieselben vier Spiele getestet. Dort reiht es sich zwischen Steam Deck und ROG Ally ein.
Fazit: teuer und umständlich
Es fällt mir schwer, das Ayaneo 2 zu empfehlen. Primär läuft es auf die Frage hinaus, wie wichtig dir der Game Pass ist. Wenn du darauf nicht verzichten kannst, erhältst du mit dem Ayaneo 2 ein Gerät, mit dem du dich durch die Game-Pass-Bibliothek zocken kannst – und das mit ordentlicher Leistung. Leider gilt das nicht immer. So gibt es Spiele wie «Diablo IV», die deutlich besser laufen als auf dem Steam Deck. In anderen Titeln wie «Cyberpunk 2077» liegen die Geräte gleichauf. Das ROG Ally, welches ebenfalls mit Windows läuft, zieht beiden davon. Dabei kostet die Konkurrenz aus dem Hause Asus massiv weniger als das Ayaneo 2 und bietet eine noch bessere Ausstattung.
Software-Probleme gibt es auf beiden Windows-Geräte in Hülle und Fülle. Beim Ayaneo fallen sie weniger drastisch aus als beim ROG Ally. Zum sauberen Spielerlebnis, wie beim Steam Deck, reicht es beiden nicht. Dass bei meinem Testgerät ausserdem drei Tasten zu klemmen anfingen, ist ein weiteres No-Go – besonders bei diesem Preis.
Das Ayaneo 2 punktet durch das kontrastreiche und hochaufgelöste Display, liegt gut in der Hand und die Leistung geht auch in Ordnung. Der Preis, die vielen Kompromisse und Probleme, mit denen Windows-Handhelds zu kämpfen haben, wiegen aber schwer. Das ROG Ally schlägt das Ayaneo 2 in fast allen Belangen, ausser der Software-Stabilität. Wenn du ein Gerät suchst, um Game-Pass-Spiele zu spielen, empfehle ich dir die günstigere Asus-Alternative. Für alle anderen bleibt trotz schlechterer Leistung und Display das Steam Deck der beste Handheld für PC-Spiele.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.